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Neue Werbemärkte: Computerspiele als Trägermedien

von , 30.7.09

Barack Obama zeigt sich auf einem Poster bei einem Autorennen, er steht neben der Eisfläche einer NHL-Arena und in einem Baseball-Stadion: Im Herbst 2008 tobt der US-Wahlkampf, der Präsidentschaftskandidat zeigt sich bei vielen Sportereignissen. Doch Obama tritt nicht selbst in den Stadien auf, er nutzt die virtuelle Welt als Plattform. Er wirbt in Computerspielen, um junge Wähler zu erreichen.

Spielehersteller hoffen nun darauf, dass andere dem Beispiel folgen. Ihrer Meinung nach sollen Computerspiele zu neuen Trägermedien für Werbung werden – ganz wie Fernsehen, Radio oder Zeitschriften eben auch. „In-Game-Advertising“, Werbung im Spiel, heißt das Konzept.

Laut dem Branchendienst IndustryGamers hat “Dr Pepper” hat vor kurzem einen Milliondeal mit dem Spielehersteller Electronic Arts (EA) unterzeichnet. EA wird ab 2010 “Dr Pepper”-Produkte in seine Spiele einbauen. Als erstes ist der Einstieg in den Reality-Titel „Die Sims 3“ geplant. Im Vorläufer des erfolgreichen Spiels hatte schon Ikea mit der eigenen Möbelkollektion geworben.

Die Spielehersteller freuen sich auf ihre neue Rolle als Medienunternehmen und hoffen auf zusätzliche Einnahmen. Spiele-Mediaplaner wie IGA Worldwide oder Massive, das zu Microsoft gehört, versuchen bereits seit längerem Computerspiele als Plattformen für Imagewerbung oder Product Placement zu vermarkten.
Die Aktivitäten in den Games unterteilen sich grob in vier Bereiche:

  • Portal- oder Plattformwerbung ist vergleichbar mit klassischer Online-Werbung. Unternehmen schalten Banner oder Pop-Ups auf den Onlinespieleportalen. Diese Form wird stark ausgebaut werden, da Spiele immer mehr vernetzt funktionieren.
  • Werbung im Umfeld der Spiele kann auf der Spielebox oder als Extrainhalt auf der Spiele-DVD gebucht werden.
  • Werbung kann als Teil der Spieleszenerie in ein Game integriert werden zum Beispiel als Bandenwerbung in einem Sport- oder Rennspiel, als Poster, Plakat oder Aufsteller. Der Clou: Durch die steigenden Online-Aktivitäten lässt sich Werbung dynamisch in die Spiele einbinden, das heißt sie kann speziell auf einzelne Spieler oder Regionen zugeschnitten werden.
  • Marken oder Produkten können auch Teil des Spiels werden. Die Aufmerksamkeit der Spieler ist garantiert: Sie müssen sich direkt mit einem Produkt auseinandersetzen.

Marktforscher sehen ein großes Potential im In-Game-Advertising: Die Analysten der US-Bank Citi rechnen damit, dass sich der weltweite Markt für Spielewerbung bis 2014 auf etwa 700 Millionen Euro verdoppelt haben wird. Der US-amerikanische Marktforscher eMarketer erwartet sogar ein noch größeres Wachstum auf etwa 1,5 Milliarden Euro bis 2012. Laut der Branchenzeitschrift w&v belief sich der europäische Markt für In-Game-Werbung im vergangenen Jahr auf etwa 40 bis 60 Millionen Euro, der deutsche auf rund zehn bis 15 Millionen Euro.

Bis jetzt trauen sich jedoch nur wenige Unternehmen in die digitale Welt. In-Game-Advertising funktioniert zwar bereits auf Banden und Litfasssäulen in Sport- und Rennspielen. „Bei anderen Games ist es aber noch ein langer Weg, bis reale Markenartikel in Computerspielen beworben werden“, sagt Hannes Fischer von der Münchner Beratungsfirma pol48/10

Sechs Gründe, die gegen werbefinanzierte Computerspiele sprechen:

  1. Das Umfeld: Firmen wollen für ihre Markenartikel ein spezielles Werbeumfeld. Das Spiel soll zur Marke passen. Nicht ganz einfach: Autofirmen wollen zum Beispiel nicht, dass ihre neuesten Modelle zu Schrott gefahren werden. Ihre Autos wollen sie oft nur in Spiele integrieren, in denen Kratzer ausgeschlossen sind. Doch Rennspiele ohne Blechschaden kommen bei den Zockern nicht an.
  2. Das Image: Computerspiele werden oft mit Killerspielen in Verbindung gebracht. Unternehmen, die in einem Game Werbung schalten wollen, haben daher Angst, unter dem negativen Image der Egoshooter zu leiden. Sobald in einem Spiel geschossen wird, ist es schwer, Werbekunden zu finden. Geschossen wird aber in ziemlich vielen Games.
  3. Die Programmierdauer: Computerspiele haben eine Entwicklungszeit von etwa zwei Jahren. Design und Grafik sollen auf dem neuesten Stand sein – auch bei Werbespielen. Unternehmen wissen aber oft nicht, welche Produkte sie so lange im Voraus bewerben sollen.
  4. Die Lebensdauer: Wenn ein Spiel einmal auf dem Markt ist, ist es nicht mehr so leicht möglich, es zurückzuziehen. Im Fernsehen oder in Zeitschriften ist Werbung immer zeitlich begrenzt – in der virtuellen Welt bleibt sie erhalten. Falls ein Unternehmen nach Jahren sein Image ändert, hat die Werbung in den Games immer noch die alten Aussagen.
  5. Die Spielwelten: Welche Firma will in den Fantasywelten von World of Warcraft oder Morrowwind werben oder in einem dunklen Zukunftsszenario wie etwa bei Fallout? Kein Deo, kein Energy Drink und kein Auto lässt sich sinnvoll in die Fantasywelten einbinden, kein Produkt darin vermarkten. Je schwerer es ist, Produktschnittstellen zu finden, desto unwahrscheinlicher ist Werbung.
  6. Die Spieler: Werbung nervt. Das ist schon im Fernsehen so. Falls Unternehmen virtuelle Welten mit ihren Banner zustellen, könnten sich Spieler daran stören. Zwar erhöht echte Trikotwerbung bei einem Sportspiel die Glaubwürdigkeit, zuviel Werbung kann den Spieler aber ablenken. Die Frage der Werbeplaner: Wie viel Werbung vertragen die Spieler?

Hannes Fischer glaubt dennoch, dass sich Games für Werbung eignen. „Bei Computerspielen ist die Interaktion mit der Zielgruppe einmalig, im Fernsehen verpufft die Werbewirkung: Die Zuschauer zappen weg oder holen sich etwas zu trinken.“ Bei Computerspielen haben die Spieler dagegen noch nicht gelernt, die Werbung zu vermeiden.

Erfolgreiches Beispiel für In-Game-Werbung: Obamas digitaler Wahlaufruf kam an. Zwar haben nur wenige Zocker die Werbeposter in den Games wirklich gesehen, aber Spieleportale waren voll mit Screenshots und Kommentaren. Spielezeitschriften und Onlinemedien griffen die Idee von Obamas Wahlkampfteam auf und schrieben über den ungewöhnlichen Auftritt des Kandidaten in den Games. Bis jetzt ist In-Game-Werbung vor allem ein gelungener PR-Gag.

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