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SPD-Chef unter Druck: Gabriel zur großen Koalition verurteilt

von , 1.10.13

Die SPD erweckt den Eindruck, als wolle sie Schwarz-Rot nicht. Dennoch gab sie ihrer Parteiführung grünes Licht für Sondierungsgespräche mit der Union. Wenn sich beide Delegationen klug verhalten, werden Union und SPD das Ergebnis absegnen. Wenn.

 

Hinters Licht geführt

Dass sich die SPD gegen ihre Überzeugung für Sondierungsgespräche entschied, belegt einmal mehr: In der Partei ist vieles nicht so, wie es scheint. Sie hat das Finassieren zur Manie entwickelt, oft zum eigenen Schaden. Dieses Verhalten irritiert nicht nur Wähler. Es geht auch Mitgliedern und Funktionären auf die Nerven. In der SPD knirschen viele mit den Zähnen. Gründe dafür gibt es genug.

Weit vor der Wahl führte Gabriel die Partei und die Wähler hinters Licht, als er 2012 behauptete, die Kandidatenfrage sei noch offen. Dabei war längst klar, dass Steinbrück kandidieren würde.

Vor Beginn des Wahlkampfes gab die Troika mit Rot-Grün ein Wahlziel vor, das schon damals unrealistisch war. Es diente vor allem dem Zweck, die Grünen davon abzuhalten, sich der Union zu öffnen.

Während des Wahlkampfes unternahm und unterließ die Parteiführung alles, damit Rot-Grün unerreichbar wurde. Mit der schlecht vorbereiteten Wahlkampagne fiel sie den Mitgliedern und Funktionären in den Rücken, die sich für die Partei einsetzten.

 

Vorsorglich stigmatisiert

Und heute? Mancher in der SPD, der große Koalitionen gar nicht schrecklich findet, lehnt sie plötzlich lauthals ab. Ob aus Sorge, die enttäuschte Partei könnte ihn abstrafen, oder aus neuer Einsicht, ist schwer zu sagen. Trotz aller Skepsis sehen sich die SPD-Anhänger gezwungen, sich auf die ungeliebte große Koalition einzustimmen.

Die SPD hat kaum eine andere Wahl. Mit der Linken kann sie nicht kooperieren. Den Wortbruch würden die Wähler nicht verzeihen. Neuwahlen muss die SPD fürchten. Will sie mit Stegner als Kandidat für Rot-Rot-Grün antreten? Die Union würde noch stärker, die SPD noch schwächer. Eine Minderheitsregierung gilt als unakzeptabel. SPD-Anhänger müssen bei diesen Aussichten schon sehr leidensfähig sein, um nicht zu fragen: Wer hat an diesem Desaster Schuld?

Parteichef Gabriel wurde vor der Wahl vorsorglich stigmatisiert. Kanzlerkandidat Steinbrück warf ihm vor, illoyal zu sein. Ex-Parteichef Müntefering kritisierte den miserablen Wahlkampf. Diese massiven Warnungen erreichten den Parteichef, als der Verdacht aufkam, er paktiere mit dem linken Parteiflügel, der Rot-Rot-Grün anstrebt.

 

Unter Aufsicht gestellt

Die Warnungen verfehlten ihre Wirkung nicht. Gabriel verstand die Schüsse vor den Bug. Er bog bei und schickte sich in die undankbare Aufgabe, gegen die Gefühlslage der Partei Schwarz-Rot durchzuholen.

Kaum jemand in der Parteispitze traut Gabriel über den Weg. Viele reden kaum noch mit ihm. Er gilt als unzuverlässig und sprunghaft.

Deshalb wurde er weit vor der Nominierung des Kanzlerkandidaten eingemauert. Um Gabriel unter Aufsicht zu stellen und unter Kontrolle zu halten, wurde er bei Steinbrück und Steinmeier angepflockt.

 

Zum Sündenbock gewählt

Auch heute sind beide gut aufgestellt, um Gabriels Kreise einzuengen. Sollte er aus der Spur laufen, wird ihn Steinmeier als Chef der Bundestagsfraktion ausbremsen. Steinbrück wird als Mitglied der SPD-Delegation darauf achten, dass die Gespräche mit der Union glatt laufen.

Im Hintergrund stehen Hamburgs Bürgermeister Scholz und NRW-Ministerpräsidentin Kraft. Beide haben ihre Vorbehalte gegen Schwarz-Rot zu Protokoll gegeben und so Distanz zu Gabriel geschaffen. Ihr Manöver dient dazu, ihn unter Druck zu setzen, damit er seine Aufgabe erfüllt und die schwarz-rote Koalition durchsetzt, die in der Partei so unbeliebt ist.

Gabriel ist zum Sündenbock ausgewählt. Er will sein Risiko verringern. Daher bindet er Kraft und Scholz in die Sondierungsgespräche ein. Ob ihm das viel helfen wird? Misslingt sein Schwenk von Rot-Grün zur großen Koalition, werden alle versuchen, das Scheitern bei ihm festzumachen, und den miesen Wahlkampf gleich noch dazu.

 
Crosspost von Post von Horn

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