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Sollen CDU und CSU ihr konservatives Profil schärfen und damit potentielle Wähler vergraulen?

von , 13.8.10

Viele Politiker aus den Reihen von CDU/CSU meinen angesichts der miesen Umfragewerte, die Partei brauche ein schärferes Profil. Auf den ersten Blick klingt das nach einer ausgesprochen dummen Idee.

Nüchtern betrachtet bedeutet Profil schärfen immer auch konkretisieren, verengen. Aber nur eine Partei, die für alles stehen kann, kann auch den Anschein erwecken, für alle zu stehen. Eine Volkspartei will schließlich Sammelbecken für viele Meinungen sein. Sobald sie ihr Profil verschärft, sprich konkretisiert, zeigt sie einigen Menschen jedoch, dass diese nicht die Parteimeinung vertreten. Breite Bevölkerungsschichten in sich zu vereinen kann eigentlich nur gelingen, wenn man allen das Gefühl gibt, ihre Standpunkte werden berücksichtigt. Wie könnte das besser gelingen, als mit einem Profil, in das jeder etwas hineininterpretieren kann?

Die Menschen kritisieren zumeist nicht, dass die CDU keine Standpunkte hat, sondern dass sie keine Fortschritte macht. Die Vorgaben setzte sie sich dabei selbst: Als Angela Merkel Führungsschwäche oder gar Meinungslosigkeit vorgeworfen wurde, hat sie das weitestgehend schadlos überstanden.

Die Regierungskrise und die schlechten Umfragewerte sind jetzt da, wo die Koalition selbst gesteckte Ziele, wie etwa eine weitreichende Gesundheitsreform, nicht verwirklicht oder mit Konzepten aufwartet, die bei den Wählern nicht ankommen, wie etwa das “Sparpaket”.

Muss die CDU/CSU es also nicht tunlichst vermeiden, ihr Profil – noch dazu ihr konservatives Profil – zu verschärfen? Kann sie auf diese Weise unkonkret eine attraktive Projektionsfläche für verschiedenste Bevölkerungsmilieus sein? Eine Volkspartei bleiben?

Das zumindest war allem Anschein nach die Taktik von Angela Merkel bei der zurückliegenden Bundestagswahl. Die jetzige Opposition und Vertreter verschiedener Medien kritisierten damals den Wahlkampf der Kanzlerin als “inhaltslos”. Doch sie hatte Erfolg, wenn auch nur bedingt.

Trotz Wahlsieg erreichte die Union nämlich ihr schlechtestes Ergebnisse seit 1949. Der Konflikt zwischen Parteimitgliedern, die konkretere Inhalte fordern und denen, die das Prinzip aus dem Wahlkampf fortsetzen wollen ist somit in gewisser Hinsicht auch ein Konflikt zwischen denen, die die Bundestagswahl für einen Sieg für die Partei halten und denen, die eher eine Niederlage darin sehen. Somit ist es auch kein Wunder, dass letztere mit zunehmendem Abstand zum Wahltermin lauter ihre Stimme erheben. Die derzeitigen Umfragewerte verstärkten diesen Effekt ungemein.

Denn eine Partei – und gerade eine Partei in Regierungsverantwortung – muss selbstverständlich klare Standpunkte haben und diese deutlich machen. Wischi-Waschi kann keine Dauerlösung sein. Die Wähler haben ein Recht auf Antworten und Lösungen – und gerade bei Krisen oder Bedrohungen müssen stimmige Konzepte die Angst nehmen, Vertrauen schaffen, Zuversicht spenden.

Dafür freilich brauch man eben solche Konzepte. Und augenscheinlich ist es auch eine Spätfolge des konturlosen Wahlkampfes, dass man in den Reihen der Union davon keine oder nur sehr wenige in der Schublade hat. Es wirkt fast so, als habe die Partei von Angela Merkel sich im vergangenem Herbst tatsächlich auf eine Fortführung der Großen Koalition eingestellt.

Vielleicht ist die Debatte, wie eine Partei wie die Union wieder auf deutlich über 30 Prozent kommen könnte, aber auch von vorne herein zum Scheitern verurteilt. Und zwar, weil ihr die möglicherweise falsche Annahme zugrunde liegt, in unsere Gesellschaft seien Volksparteien noch zeitgemäß.

In einer Gesellschaft, die sich in verschiedenste Milieus ausdifferenziert und in der vielfältige Informationsmöglichkeiten für den Wähler bestehen, sind langjährige Stammwähler vielleicht eine Ausnahme. Und Parteien, die 40 Prozent oder mehr erreichen, sind ebenso wenig ein Teil dieser Gesellschaft. Sonstige Partei gewinnen wieder an Bedeutung, die einzelne Stimme wiegt aufgrund sinkender Wahlbeteiligung mehr.

Diese These kann man mit dem Wissensstand von heute freilich weder bestätigen, noch widerlegen. Der Blick auf unsere Nachbarn jedoch lässt diese Vermutung nahe liegen: In den Niederlanden wird die Regierungsbildung zunehmend schwer. Die größten Parteien kommen dort auf gerade einmal 30 von 150 Sitzen. Die Christdemokraten, nach 1945 häufig stärkste Kraft, wurden nur viertgrößte Fraktion. Und in Großbritannien musste für die Regierungsbildung trotz Mehrheits-Wahlrecht erstmals nach dem zweiten Weltkrieg eine Koalition zusammen finden.

Was sollte die Union also tun?

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