von Moritz Meyer, 14.11.12
Der Virus ist heimtückisch. Er tötet nicht schnell, sondern langsam. Opfer werden zu Zombies verwandelt, bevor sie irgendwann endgültig sterben. Einige Verzweifelte suchen nach dem rettenden Gegenmittel, doch es könnte schon zu spät sein. Das Zeitungssterben in Deutschland geht um. Und so langsam aber sicher sind es nicht nur die Kleinen, sondern auch die Großen, die dran glauben müssen.
Schlimm traf es in Deutschland Nürnberg, wo es von drei Lokalteilen innerhalb kurzer Zeit runter auf einen ging die Abendzeitung erwischte. Doch das prominenteste Opfer der Seuche erwischte es heute: Die Frankfurter Rundschau meldet Insolvenz an, meldet der SPIEGEL am Dienstag, 13. November. Die FR galt bei vielen immer noch irgendwie als “Qualitätsmedium”, inwieweit sie das in den letzten Jahren noch war, kann ich nicht wirklich beurteilen, da ich sie selten gelesen habe. Doch allgemein eilte ihr der Ruf voraus, ihre besten Jahre als linkes, überregionales Vorzeigemedium lange hinter sich zu haben; längst zombiefiziert. Nichtsdestotrotz ist die schon lange gemunkelte Insolvenz ein Schlag, in erster Linie natürlich für die beschäftigten Journalisten dort. Aber die FR ist wohl nur das bisher prominenteste Opfer der Seuche Zeitungssterben.
Es ist kein Geheimnis: Die Auflage der Zeitungen sinkt. Seit Jahren und beständig. Das Ende rückt näher, auch wenn sich tapfer immer wieder an das berühmte Rieplsche Gesetz geklammert wird (das eigentlich eher eine Theorie ist, die bislang nur noch nicht wirklich widerlegt wurde). Haben sich so auch die Dinosaurier gefühlt, als sie vor 65 Millionen Jahren verwundert zusahen, wie sich über ein paar Jahrhunderte der Himmel immer weiter verdunkelte, und es immer kälter auf der Erde wurde? Überlebt haben nur die Kleinsten, die aber am besten an den Wandel der Umwelt angepasst waren.
Ein Gegenmittel gegen die Seuche probieren immer mehr Verlage aus: Sie verordnenen sich quasi stärkere Abwehrkräfte, in dem sie ihre Online-Angebote nur noch gegen Bezahlung rausgeben. 2013 wird das Jahr der Paywalls werden, so viel kann man jetzt schon mal sagen. Spätestens wenn Springer seine Ankündigung umsetzt, BILD.de teilweise kostenpflichtig zu machen, wird das Thema die breite Masse der deutschen Netznutzer erreichen. Und wie wir wissen, sind Springer nicht die einzigen, die laut über eine Paywall nachdenken. Und auch auf dem regionalen Markt werden die Paywalls kommen – oder sind schon da, wie in Hannover, in Trier, in Saarbrücken oder Hamburg.
Ob sich die grassierende Seuche damit wirklich stoppen lässt, wird man vermutlich erst fünf oder zehn Jahre später wirklich beantworten können. Ich glaube, Bezahlinhalte nach klassischer Denkweise, also Abonnementzugänge für bestimmte Webangebote, werden meist bestenfalls eine lebensverlängernde Maßnahme werden, keine rettende. Wer, wie ich, zumindest schon einmal in seinem Leben ein Zeitungsabo abgeschlossen hat, für den ist der Gedanke, sich auch im Netz ein Medienangebot zu abonnieren, nicht unnormal. Doch wer eher damit aufwächst, sich auf iTunes alle möglichen Medien nach Wunsch ganz individuell zusammenstellen zu können, wird mit diesem Konzept seine Probleme haben. Ob die Generation der jetzt unter 25-Jährigen ernsthaft Online-Abos abschließen wird, wage ich zu bezweifeln. Am Ende übrigens wird auch das wahrscheinlich zum großen Teil von einem Faktor abhängen: Sind die Inhalte es wert?
Ich sage nicht, dass es überhaupt nicht funktionieren kann. Mit Sicherheit wird es leuchtende Beispiele geben, die gut damit fahren. Aber das sind wahrscheinlich eher die, die jetzt schon gut gegen die Seuche gerüstet sind und sich entsprechend aufgestellt haben. Viele andere hingegen sind wahrscheinlich schon infiziert und trotten nur noch als dumpfe Leistungsschutzrecht-Zombies durch die Medienwelt. Sie wissen nur nicht, dass die Seuche sie längst erwischt hat.
Crosspost von take56