#AfD

Seehofers AfD, Klöckners Schande

von , 9.3.16

Spielen wir einmal einen kurzen Augenblick mit dem Gedanken, Horst Seehofer hätte die Kanzlerin einfach so lautstark unterstützt, wie er sie tatsächlich bekämpft hat. Diese Theorie erörtere ich heute mit Heiner Geißler, Julia Klöckner und dem Außenminister der Republik Österreich.

 

Heiner Geißler sagte heute früh um kurz nach 7 Uhr auf dem Weg zur Arbeit zu mir: „Die CSU – insbesondere Seehofer – hat mit ihrer öffentlichen Stellungnahme sozusagen die Stichworte geliefert für Pegida und auch die AfD, indem sie die Kanzlerin konterkariert haben mit der unbewiesenen Behauptung „Wir schaffen es nicht.“

 

Ich nickte eifrig und kurz bevor wir in die Tiefgarage fuhren, fügte Geißler noch hinzu: „Dieses ‚Wir schaffen es nicht’ und die Befürchtung, wir kämen ins Chaos, hat natürlich dazu geführt, dass viele Leute gesagt haben: ‚Den Rechtsradikalen glauben wir nicht, aber wenn so einer wie Seehofer oder wenn die CSU solche Meinungen äußert, dann muss ja etwas dran sein’.“

 

Dann hatte ich leider keinen Empfang mehr. Im Büro hörte ich mir auch noch den Anfang des Interviews im RBB Inforadio an (zum Interview geht es hier). Und um es nochmal auf den Punkt zu bringen, fragte der Journalist: „Hätte denn eine geschlossene Union den Erfolg auch von Rechtspopulisten in Deutschland verhindern können?“ Antwort Heiner Geißler: „Das ist ganz sicher so. … Die Kritik von Seehofer an Merkel war ja der Beginn dieser ganzen psychologischen Verirrung, in die wir in der Flüchtlingsfrage hineingekommen sind.“

 

Nehmen wir dieses offene Gespräch mit dem früheren CDU-Generalsekretär doch zum Anlass, uns einmal vorzustellen, wie nicht nur die Wahlen, sondern vielleicht sogar die Europäische Union durch die Attacken von Seehofer auf die Kanzlerin negativ beeinflusst wurden.

 

Vielen ist ja noch das Bild vor Augen, als in der Finanzkrise Bundeskanzlerin Merkel und Finanzminister Steinbrück geschlossen vor die Kameras traten und der deutschen Öffentlichkeit versicherten: „Ihre Sparbücher sind sicher. Gehen Sie nicht in die Bank, ziehen Sie nicht ihr Geld ab, gehen Sie nicht über Los und ziehen Sie auch keine Ereigniskarte, denn: es wird nichts passieren. Alles ist gut.“ Das hat funktioniert und alles ist gut.

 

Jetzt das Wunsch-Bild vom September 2015: Die Vorsitzenden der Dreiparteienkoalition stehen vor uns. Die Bundeskanzlerin, der Wirtschaftsminister und der bayerische Ministerpräsident. Sie sagen: „Es kommen jetzt viele Menschen zu uns, die unsere Hilfe brauchen. Darauf sind wir nicht zu 100% vorbereitet und es wird sicher in den ersten Wochen oder auch Monaten zu Problemen kommen. Aber wir arbeiten mit Hochdruck daran, dass erst die Unterbringung und dann auch die Integration gelingen werden. Wir drei versichern Ihnen: Mit vereinten Kräften werden wir diese Herausforderung meistern, so dass wir alle stolz auf unser Land sein können. Gleichzeitig arbeiten wir an einer europäischen Lösung, die langfristig zur Entspannung der Lage beitragen wird. Als Sofortmaßnahmen leiten wir folgenden 10-Punkte-Plan ein: …“

 

Natürlich hätten sie dann in Dresden dennoch Galgen durch die Gegend getragen und im Erzgebirge gezündelt. Aber die Verunsicherung insgesamt wäre wesentlich geringer gewesen.

 

Ich gehe sogar noch weiter: Seehofer, die CSU und ihre Verbündeten in der CDU wie Wolfgang Bosbach, Julia Klöckner, Guido Wolf etc. haben die Verhandlungsposition der Kanzlerin in Europa nachhaltig geschwächt.

 

Die Zerrüttung der CDU wurde von Merkels Gegnern in Europa sofort aufgegriffen und es wurde immer weiter Zwietracht gesät. Höhepunkt: Die stellvertretende Bundesvorsitzende der CDU, Julia Klöckner, lädt den Außenminister Österreichs ein, um gemeinsam mit ihr in Rheinland-Pfalz Wahlkampf gegen die deutsche Kanzlerin zu machen. Das muss man einmal zusammenbringen. Angela Merkel sagt dem SWR im Interview: „Ich bin Österreich nicht dankbar.“ Und Frau Klöckner macht mit eben diesem Repräsentanten der Republik Österreich Wahlkampf. Wer soll das verstehen? Welches Bild gibt das ab? Wie unpatriotisch kann man als Repräsentantin der Regierungspartei CDU denn agieren?

 

Merkel-Austria

Kurz & Klein

Kurz in RLP

Quelle: Die Welt

 

Es ist das gute Recht der Regierung Österreichs, eine andere Meinung zu vertreten als die Regierung der Bundesrepublik Deutschland. Es ist auch durchaus üblich, mit befreundeten Parteien aus dem Ausland Wahlkampf in Deutschland zu machen. Und die ÖVP ist auch nicht die FPÖ (immerhin habe ich auch schon mal für die ÖVP gearbeitet). Aber in diesem Fall macht man doch in einer sowieso schon kritischen Phase nicht gegen die eigene Parteivorsitzende Wahlkampf! Das nennt man zwar „Friendly Fire“ ist aber trotzdem tödlich. Niemand zwingt Julia Klöckner dazu, Herrn Kurz oder Herrn Seehofer in ihren Wahlkampf einzuladen und gegen die eigene Bundesregierung und die eigene Parteivorsitzende Stellung zu beziehen. Mal ganz abgesehen davon, dass kein Mensch weiß, was die CSU in dieser Bundesregierung eigentlich noch macht. Haltung beweist sie jedenfalls nicht, wenn sie ständig beißt, aber weiter am Kabinettstisch sitzen will.

 

Gemessen an diesen Verwirrungen ist die Bevölkerung in Deutschland noch sehr stabil. Siehe hierzu auch meinen Beitrag „Bitte leiser kreischen..“

 

Wie würde die Welt heute aussehen, wenn Seehofer und Co unser Land nicht gespalten, verunsichert und einige Wähler sogar den Rechtspopulisten in die Arme getrieben hätten?

 

Eine schöner Gedanke. Und vielleicht noch nicht zu spät.

 

Der Text ist auch erschienen auf frank-stauss.de

 


Möchten Sie regelmäßig über neue Texte und Debatten auf Carta informiert werden? Folgen (und unterstützen) Sie uns auf Facebook und Twitter.

 

Zustimmung, Kritik oder Anmerkungen? Kommentare und Diskussionen zu den Beiträgen auf CARTA finden sich auf Twitter und auf Facebook.