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Schwarz-Grün: Ein Auslaufmodell

von , 16.7.10

Wie schön hatte sich die konservativ-ökologische Bohème das vorgestellt. Beim Latte Macchiato wurden schwarz-grüne Pläne geschmiedet und von einer „wertebasierten“ Zusammenarbeit schwadroniert. Hamburg und Saarland, vielleicht auch Nordrhein-Westfalen, sollten als Vorboten einer möglichen schwarz-grünen Bundesregierung herhalten und den Versuch untermalen, dass christliche Schöpfung und ökologische Nachhaltigkeit sich aus einer gemeinsamen Überzeugung und Wertevorstellung ableiten lassen.

Zuletzt im Landtagswahlkampf von Nordrhein-Westfalen war es Renate Künast, die die Offenheit der Grünen nach allen Seiten untermauerte und noch heute offen oder hinter vorgehaltener Hand für das Bündnis der konservativen und der grünliberalen Partei wirbt.

Doch anstelle dieser Hoffnung ist Desillusion getreten. Schon lange hat sich der politische Beobachter gefragt, ob denn die grünen und schwarzen Strategen ihr Stammelektorat wirklich nachhaltig analysiert haben. Und ob denn die grünen Ärzte und Bioladenbesitzer neben dem Einkommen noch eine andere kulturelle, materielle oder ideologische Gemeinsamkeiten mit dem konservativen Biedermeier oder dem mittelständischen Unternehmer der CDU haben.

Das war und das ist eine Illusion. Nur gefühlt sind sich einige Akteure beider Parteien nah – so nah, wie man sich bei der Bionade in Berlins Mitte eben sein kann, oder vielleicht im Reichstag sogar sein muss. Es ist interessant zu beobachten wie festsitzend die Überzeugung war, allein symbolische und habituelle Übereinstimmungen würden das politische Projekt einer schwarz-grünen Bürgerlichkeit bilden können.

Bisher lagen inhaltliche Fragezeichen an diesem Projekt eher auf einer rhetorischen Ebene: So wäre es schon interessant zu sehen, wie beispielsweise in Berlin ein CDU-Innensenator die Wasserwerfer zum 1. Mai schickt, während die grüne Bürgermeisterin sich vor die „Revolutionäre Demo“ stellt, Kiezromantik predigt und die Polizeitaktik kritisiert.

Doch glücklicherweise haben wir ja nun in Hamburg, im Saarland und zum Teil auch in Berlin ganz konkretes Anschauungsmaterial für die schwarz-grüne Realität. Im schwarz-grün regierten Berlin-Zehlendorf wird bezirksadäquat ruhig regiert. Einen Integrationsbeauftragten durchzusetzen, wie in anderen Bezirken üblich, dazu ist die selbsternannte Integrationspartei nicht in der Lage. Im Saarland ist die Jamaika-Koalition so oder so schon durch parteiliche Drahtseilakte zustande gekommen. Nun wird es langsam dunkel über der Karibik: Erst kürzlich stimmte das Land im Bundesrat der Kürzung der Solarförderung zu. Mit der Einführung von Studiengebühren für so genannte Langzeitstudenten hat sich Schwarz-Grün für Bildungsgebühren entschieden.

In Hamburg wurde eine Bildungsreform vorgelegt, die offenbar keine Akzeptanz in der Bevölkerung findet. Die Elbphilharmonie ist vom Prestige- zum Pleiteprojekt geworden. Die selbsternannte „Wachsende Stadt“ schafft es offenbar nicht den wachsenden Widerstand gegen Vertreibung und für den Erhalt kreativer Subkultur in angemessener Art und Weise zu moderieren. Bürgermeister Ole von Beust – so hört man – steht kurz vor dem Rücktritt.

Insbesondere die Schulreform offenbart die ideologischen Gegensätze im Wahlvolk von Schwarz und Grün. Während die liberalen bürgerlichen Wähler der Grünen vor allem auf längeres gemeinsames Lernen im Rahmen eines ganzheitlichen, integrativen Lernens setzen, wollen die konservativ-bürgerlichen Wähler unter allen Umständen ihren sozialen Status verteidigen und sich gegen die Aufstiegschancen der Unter- und unteren Mittelschicht absichern.

Nichts anderes verbirgt sich hinter dem derzeit stattfinden – und sicherlich überspitzten – „Kulturkampf“ um die Hamburger Gymnasien. Ole von Beust war nicht in der Lage den sich zuspitzenden Konflikt zu managen. Und die Grünen haben zu spät erkannt, dass eine parlamentarische Mehrheit für eine Schulreform noch lange keine politische Mehrheit in einer Stadt ist. Schwarz und Grün beiderseits haben daran versagt eine inhaltliche Brücke in der Bildungspolitik zwischen den verschiedenen Stadtmilieus zu schlagen. Zu spät erkannten sie, dass ideologische Differenzen in den jeweiligen Unterstützergruppen nicht einfach durch kulturell-ästhetische Symbolik übertüncht werden kann.

Offenbar sind die Wählerinnen und Wähler von Schwarzen und Grünen nicht bereit, eine gemeinsame Koalition auf Landesebene pauschal zu akzeptieren und ideologische Gegensätze zu überbrücken. Die Weltbilder von grünen und schwarzen Milieus sind also geschlossener als sich manch Grüne- oder CDU-Politiker eingestehen mag.

Das Bild, wonach die verlorenen Bürgerkinder der 68er-Ära nun in den Schoß der alten Bürgerlichkeit zurückkehren, hat es immer nur in den Feuilletons gegeben. Heute sehen wir: Sie sind und bleiben einander nicht grün. Egal wie der Volksentscheid am Sonntag ausgeht, so ist doch heute schon klar: Das Ende von Schwarz-Grün in Hamburg ist eingeleitet.

Schwarz-Grün – das galt einmal als Role-Model künftiger Koalitionen. Dann kam der Realitätscheck. Heute ist Schwarz-Grün ein Auslaufmodell. Wir werden es nicht vermissen.

Björn Böhning ist Mitglied im Parteivorstand der SPD und Sprecher der SPD-Linken ‘Forum Demokratische Linke 21’.

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