#Rentenformel

Sarrazins Rentnerparadies

von , 16.5.09


Der „rote“ Thilo hat wieder zugeschlagen. Im Stern behauptet Berlins Ex-Finanzsenator Sarrazin, die Renten müssten sinken. Die „übermäßige“ Erhöhung um 2,41 Prozent ab 1. Juli sei eine „völlig unsinnige Maßnahme“.

Mir ist zwar nicht klar, was den „stern“ bewogen hat, den Sozialrambo von der Spree von der Kette zu lassen (einen Anlass dafür gab es nicht), aber es wäre schon ein Gewinn, wenn die Sarrazins dieser Welt mal die Fakten zur Kenntnis nehmen würden.

In der Bundesrepublik gab es Ende 2007 20,3 Millionen Rentnerinnen und Rentner. Die durchschnittliche Monatsrente lag bei 736,28 € im Osten und 646,58 € im Westen (der Durchschnitts-Betrag pro Rentner lag um etwa 150 Euro höher, da die 20,3 Millionen Rentner 24,7 Millionen Renten bezogen).

Berechnet wird die Rente nach der Rentenformel. Sie lautet (in Reinform): Entgeltpunkte x Wert eines Entgeltpunkts = Monatsrente.

Dabei orientieren sich die Entgeltpunkte am Brutto-Durchschnittsverdienst der Versicherten. Dieser lag im Jahr 2008 bei 30.084 Euro. Wer exakt so viel verdient hat, bekommt einen Entgeltpunkt gut geschrieben. Hat er die Hälfte verdient, bekommt er einen halben Entgeltpunkt.

Der Wert der Punkte orientiert sich an den durchschnittlichen Lohnsteigerungen. Steigen die Bruttolöhne um 2 Prozent, steigt auch der Wert eines Entgeltpunkts um 2 Prozent. Im Westen liegt der Wert ab 1. Juli 2009 bei 27,20 €, im Osten bei 24,13 €.

Hat ein Kölner „Eckrentner“ also 45 Jahre lang immer so viel verdient wie der Durchschnitt, dann erhält er ab 1. Juli 2009 eine Monatsrente von 45 x 27,20 € = 1224 €.

Das ist der Idealfall, nicht die Norm.

Und nun zu Sarrazins „völlig unsinniger“ Rentensteigerung: In den vergangenen zehn Jahren – also von 2000 bis einschließlich 2009 – sind die Ostrenten um 11,7 Prozent, die Westrenten um 9,5 Prozent gestiegen. Im gleichen Jahrzehnt stiegen die Verbraucherpreise um 16,2 Prozent, wobei für 2009 eine Inflationsrate von 0,7 Prozent angesetzt ist. Daraus ergibt sich eine Rentenkürzung um 4,5 Prozent im Osten und 6,7 Prozent im Westen.

Betrachten wir nun die nächsten 20 Jahre. Was kommt auf die künftigen Rentner zu? Eine „Staatsgarantie“? Garantiert nicht.

Vor allem die wachsende Zahl derjenigen, die nicht 45 Jahre am Stück arbeiten (können) und die wachsende Zahl der Geringverdiener werden – ganz ohne jede „Kürzung“ – drastische Einbußen hinnehmen müssen. Da die Einkommen der Geringverdiener weit unter dem errechneten Durchschnitts-Bruttoverdienst bleiben, schmelzen ihre Entgeltpunkte wie Butter in der Sonne. (Auch die Entgeltpunkte von Normalverdienern schwinden, denn bei der Ermittlung des Durchschnittseinkommens wird ein wenig schön gefärbt).

Darüber hinaus wurden die Entgeltpunkte für lange Ausbildungszeiten 2005 gestrichen. Für künftige Rentner (die z.B. wegen eines Studiums nicht schon mit 16, sondern erst mit 28 Jahren Punkte sammeln können) bedeutet das einen monatlichen Abschlag von 40 bis 60 Euro.

Mindernd wirken sich zudem der Nachhaltigkeits- und der Ausgleichsfaktor aus (auch Riester– und Rürup-Abschlag genannt), die beide von 2010 an wieder wirksam werden.

Gekappt wird die künftige Rente auch durch die steigende Selbstbeteiligung der Rentner an der Kranken- und Pflegeversicherung, die bereits heute bei 10,3 Prozent der Rente liegt.

Dazu kommen die angekündigten Nullrunden ohne Inflationsausgleich, die sich aus dem aktuellen Kabinettsbeschluss („Keine Rentenkürzung!“) ergeben.

Am härtesten trifft die künftigen Rentner aber die Verschiebung des Rentenbeginns um zwei Jahre. Wer heute 45 ist und mit 65 eine Monatsrente von 1000 Euro zu erwarten hätte, muss auf 24.000 Euro Altersruhegeld erst mal verzichten.

Nun werden die Sarrazins unter den Rentenexperten bestimmt sagen: Aber dafür leben die Leute ja länger! Was ihnen vorne genommen wird, hängt man ihnen hinten wieder dran! Genau an dieser Argumentation erkennt man, wie wenig Ahnung die meisten „Rentenexperten“ vom realen Leben haben.

Denn die Statistiken zeigen, dass Menschen, die sich im Arbeitsleben körperlich verausgaben, früher sterben als jene, die es sich ein wenig angenehmer machen können. Die Rentenverschiebung nach hinten benachteiligt vor allem die Armen. Ihnen werden zwei Jahre Rente einfach geklaut.

Bleibt als Fazit der vergangenen 10 und der kommenden 20 Jahre: Viele Rentner werden durch die Berliner Politik bereits stark belastet. Ein Rentnerparadies ist weit und breit nicht zu sehen. Im Gegenteil: Die Kluft zwischen den 500-Euro-Rentnern und den 3000-Euro-Pensionisten wird noch größer werden.

Doch leider müssen sich Rentenexperten wie Thilo Sarrazin um ihre üppigen Pensionen keine Sorgen machen.

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