von Kyrosch Alidusti, 16.9.13
Eigentlich ist es traurig, dass in den Medien turnusmäßig die gleichen Fragen gestellt und überraschenderweise immer wieder die gleichen Antworten gegeben werden.
Eine solche Antwort ist der Verweis auf „eine klare Mehrheit für die Mitte-Links Parteien“ (Robert Misik im Freitag vom 5.9.2013) oder „eine linke Mehrheit“ (Mit Hurra in die Opposition, SZ). Dabei stellt sich gleich ein Bündel von Fragen, von der langweiligen selbstreferentiellen Betrachtung, was links sei, mal abgesehen.
Die Frage abstrahiert die Parteioberen von den Parteimitgliedern. Sozialdemokraten und Mitglieder von Bündnis 90/DIE GRÜNEN hören und lesen von ihren Parteispitzen seit über einem Jahrzehnt immer wieder, mit den LINKEN sei keine Koalition zu machen. Die Bündniszugehörigkeit zur NATO wird, außer im Bündnisfall oder in Konfrontation zur UN, selten so häufig thematisiert wie beim Ausschluss einer Koalition mit der LINKEN.
Die Aktiven der drei Parteien kennen sich, und es kommt jenseits der Parteigrenzen auch zur Zusammenarbeit. Werden die gleichen politischen Menschen als Parteimitglieder angesprochen, kann niemand die rot-grüne Regierungszeit vergessen. Den Sozialdemokraten und Grünen, die in ihren Parteien blieben, wurde von den Partei- und Fraktionsspitzen bewusst so viel zugemutet, dass daraus eine veränderte Grundposition entsprang (Außenpolitik: Kriegseinsätze, Arbeitsmarktpolitik: Hartz-Reformen, Niedriglohnsektor; Schröder-Blair-Papier). Die Gründung der Linkspartei war nur das äußere Zeichen dafür, dass Sozialdemokraten und Grüne einen programmatisch wichtigen Teil ihrer Mitglieder verloren.
Aus Sicht derer, die ihre Partei verließen, waren die verbliebenen Sozialdemokraten politische Wendehälse. Diese warfen den Mitgliedern der WASG und später der LINKEN Dogmatismus vor. Gerade für Letztere, die aus Überzeugung aus einer Volkspartei ausgetreten waren und in eine Oppositionspartei eintraten, die im Westen noch Kinderschuhe trug, bedeutete dies einen riesigen Schritt. Die emotionale Komponente, die damit auf beiden Seiten verbunden war, darf nicht unterschätzt werden, zumal sich die Kontrahenten auf lokaler Ebene nicht gerade schonten.
Diese Fraktion innerhalb der LINKEN, aber auch die Mitträger der rot-grünen Koalition haben einen Weg hinter sich gebracht, der weiter war, als von Berlin aus sichtbar ist. Die Forderung nach Rot-Rot-Grün übersieht sowohl die menschliche Seite, als auch die unterschiedlichen Haltungen, die am Anfang dieses Weges standen. Für die Mitglieder der westlichen Landesverbände ist eine solche Koalition nur rational verständlich, emotional wäre dies der Nachvollzug des Wendemanövers der SPD und der Grünen, dessentwegen sie ja einen anderen politischen Kurs gewählt haben. Personifiziert wurde bzw. wird dies durch Oskar Lafontaine, dessen Haltung als unverantwortlich und als rein persönlich dargestellt wird – dabei ist sie lediglich exemplarisch.
Entsprechend ist es regelmäßig die LINKE, die den schwarzen Peter zugeschoben bekommt. Etwa im zitierten SZ-Artikel:
„Die Linke will also bleiben, wie sie ist, ändern sollen sich die anderen – es ist wohl diese Haltung, die eine linke Mehrheit und damit den von der Partei geforderten Politikwechsel verhindert.“
Auf die Frage, ob ein Politikwechsel stattfinden könnte, falls sich die LINKE änderte, wird gar nicht eingegangen, ganz zu schweigen davon, was ein gemeinsames rot-rot-grünes Projekt wäre.
Ob sich B90/GRÜNE tatsächlich als links sieht und ob die beiden anderen Parteien jeweils das Gleiche unter links verstehen, ist die nächste Frage. Der Verweis auf eine linke Mehrheit erscheint daher eher als Feststellung, die eine Anklage gegen die drei Parteien enthält, da hier nach Ansicht der JournalistInnen offenbar etwas „Natürliches“ verhindert wird. Dabei ist der Verweis auf das Naturhafte das Gegenteil von Politik.
Rot-rot-grüne Gedankenspiele, die von diesen Erfahrungen ihrer jeweiligen westdeutschen Basis zu Gunsten einer theoretischen Machtoption keine Kenntnis nehmen, höhlen die Parteien weiter aus – ein weiterer Schritt auf dem Weg zu post-demokratischen Parteien.
Dies kann kaum eine Perspektive sein, aber wie sieht eine aus?
Aus meiner Sicht sind folgende Punkte entscheidend: Erstens muss die Sozialdemokratie eine parteiinterne Diskussion über ihre Position zur Schröder-Zeit führen und sich klar werden, ob sie immer wieder daran anknüpfen will. Wenn man sich positiv auf diese Regierungszeit bezieht, dann ist eine Zusammenarbeit sicher nicht möglich. Außerdem muss sich die SPD im Klaren sein, dass Die LINKE genauso wenig in den Schoß der Sozialdemokratie zurückkehrt, wie die Grünen.
Der derzeitige Kurs der LINKEN zwischen Nähe und Distanz erscheint undurchsichtig und alleine von der SPD bestimmt. Das Wahlvolk muss daraus den Schluss ziehen, es gebe keine Kriterien für eine Zusammenarbeit. Entsprechende Überlegungen werden jedoch angestellt. Das Konzept der »revolutionären Realpolitik« gilt es zu konkretisieren und zu entscheiden, ob und wie dies mit SPD und Grüne zu machen ist. Stellt Die LINKE entsprechende Kriterien auf, können sowohl die Mitglieder als auch die Wähler entscheiden, ob eine Zusammenarbeit klappen könnte.
Kyrosch Alidusti bloggt auf Punkgebete. Dieser Text ist die bearbeitete Fassung eines in der Freitag-Community erschienen Beitrags.