von Peter Ruhenstroth-Bauer, 29.5.13
Am frühen Morgen des 28.Mai leistete sich die ARD in ihrer Berichterstattung ein echtes Medienhighlight. Im Nachtmagazin um 0:45Uhr wurde über das neue Bezahlmodell von BILD-Online berichtet, das ab 11. Juni zwischen 4.99 Euro und 14.99 Euro im Monat kosten soll. Als Experte kam Prof. Norbert Bolz, Medienwissenschaftler an der Technischen Universität Berlin, zu Wort.
Er ist offensichtlich begeistert von dem neuen Bezahlmodell der BILD-Online – ein Medienwissenschaftler als unabhängiger Experte in Sachen Paywall. Bisher, so der Professor, hätte man es zu sehr über das Medium Seriosität versucht, online an Geld heranzukommen. Daraus schloss er in messerscharfer Analyse, „Die BILD Zeitung macht es, glaube ich, klüger. Bundesliga-Fußball, den man sich jederzeit, zumindest in Ausschnitten, ansehen kann, ist, glaube ich, ein echt attraktives Angebot …“ – und er schickte auch gleich eine Experten-Prognose hinterher – „… das viele Interessenten finden wird!“
Prof. Bolz ist in seiner Zunft kein Unbekannter. Dem breiteren Publikum wurde er durch verschiedene TV-Auftritte im „Philosophischen Quartett“, bei Anne Will oder im Nachtstudio bekannt – mit Lob für die Thesen von Thilo Sarrazin („Deutschland schafft sich ab“) oder seiner Kritik am „massiv links geprägten Diskurs, vor allem in den öffentlich-rechtlichen Medien”.
Das Lob für das Online-Bezahlmodell hat man im 19.Stockwerk des Axel-Springer-Verlagshauses, der Vorstandsetage, sicher mit viel Freude vernommen. Vielleicht hat man sich den Beitrag sogar am nächsten Tag – kostenlos – in der ARD-Mediathek im Netz angesehen.
Es ging schon gut los. Gleich in der Anmoderation war von BILD.de, dem Portal der auflagenstärksten Tageszeitung Deutschlands, die Rede. Das Lob des Medienprofessors hat jedoch einen kleinen Haken. Vielleicht liegt eine Verwechslung vor – Payroll statt Paywall?
Prof. Norbert Bolz ist für die Macher der Springer-Medien kein Fremder: Mal wird er dort als „Medienwissenschaftler“, mal als „profiliertester Kenner der Medienwissenschaft“ dann wieder als „Medienphilosoph“ apostrophiert. Im ARD-Beitrag urteilte er jedoch über die BILD-Online-Bezahlschranke nicht als BILD-Autor, als Referent im „Salon“ des Axel Springer Verlags oder als „Welt“-Interviewpartner. Hier wurde der unabhängige Medienwissenschaftler befragt.
Dass das „echt attraktive Angebot“ auch „viele Interessenten finden“ muss, zeigt sich schon am Investment des Verlags: Immerhin hat der Springer-Konzern für die Sportberichterstattungsrechte nach Angaben des Branchendienstes Kress 24 Millionen Euro bezahlt. Schöner als Medienprofessor Bolz hätte man es also auch im 19.Stock des Springerhochhauses nicht formulieren können.
Springer-Vorstandsmitglied Dr. Andreas Wiele erläutert dann im gleichen ARD-Beitrag auch noch, was neben Sport an bedeutendem Bezahl-Content zu erwarten ist: „Nehmen sie eine exklusive Nachricht, dass sich ein Paar, ein Glamourpaar, getrennt hat. Die Nachricht verbreitet sich natürlich im Netz in Sekundenschnelle, aber das exklusive Interview, die Hintergründe, die Aufbereitung der Geschichte, dass wird dann im BILD plus-Bereich stattfinden.“
Das also ist der Journalismus der Zukunft: Sportnachrichten und Entertainment. Kein Wort dazu vom Medienwissenschaftler.
Manfred Hart, Chefredakteur von BILD.de, stellt in der Verlagsmitteilung zum neuen Bezahlmodell klar, dass Nachrichten für die Bild-Online-User weiterhin kostenlos sind.
Ein Glück, möchte man denken. So lässt sich auch getrost auf die kostenlose gedruckte Ausgabe der BILD-Zeitung verzichten, die am 21.September, einen Tag vor der Bundestagswahl, in 40 Millionen bundesdeutsche Haushalte flattern soll.