#Amtsgericht Ausgsburg

Pressefreiheit auch für Leserkommentare?

von , 8.5.13

Vor gut zwei Wochen habe ich mit der Kollegin Nina Diercks auf dem For..Net-Symposium über das Thema “Pressefreiheit in Online-Foren” diskutiert. Hintergrund war eine Beschlagnahme bei der Augsburger Allgemeinen, durch die die Staatsanwaltschaft den Namen eines anonym postenden Kommentarschreibers ermitteln wollte. Die Diskussion zwischen Nina und mir lässt sich beim Campusradio der Uni Passau nachhören.

Mittlerweile ist der Beschluss des Landgerichts Augsburg, durch den die Rechtswidrigkeit des Beschlagnahmebeschlusses des Amtsgerichts Augsburg festgestellt wurde, auch offiziell veröffentlicht. Das Landgericht Augsburg hat bereits die Meinungsäußerung für zulässig gehalten, aber ausdrücklich betont, dass sich die Augsburger Allgemeine im Hinblick auf die Nutzerkommentare nicht auf das Grundrecht der Pressefreiheit berufen kann und damit auch nicht auf ein Zeugnisverweigerungsrecht nach der Strafprozessordnung.

Die Entscheidung des Landgerichts (Beschluss vom 19.03.2013, Az.: x Qs 151/13) ist insoweit aber sehr oberflächlich gehalten und setzt sich auch mit der maßgeblichen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht ausreichend auseinander. Die entscheidende Passage des Beschlusses lautet:
 

Eine Beschlagnahmefreiheit der im Beschluss genannten Daten gem. § 97 Abs. 5 S. 1 StPO besteht nicht, da der Beschwerdeführerin kein Zeugnisverweigerungsrecht gem. §§ 160 a Abs. 2, 53 Abs. 1 S.1 Nr. 5 StPO zusteht.

Zwar unterfällt die Beschwerdeführerin als Herausgeberin einer Zeitung grundsätzlich dem Schutzbereich des § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 StPO. Jedoch ist dieser Schutzbereich gemäß § 53 Abs. 1 S. 3 StPO nur dann eröffnet, soweit es sich um Beiträge, Unterlagen, Mitteilungen und Materialen für den redaktionellen Teil oder redaktionell aufbereitete Informations- und Kommunikationsdienste handelt. Zwar sind in einer Zeitung gedruckte Leserbriefe nach ständiger Rechtsprechung dem redaktionellen Bereich zuzuordnen (BVerfG 36, 193, 204).

Dies gilt aber nicht für Beiträge von Nutzern in einem Onlineforum. Eine redaktionelle Überarbeitung, die die Zuordnung von Leserbriefen zum redaktionellen Bereich einer Zeitung begründet, findet in den Fällen der Einstellung eines Beitrags in ein Onlineforum gerade nicht statt. Vielmehr erfolgt die Einstellung eines solchen Beitrags durch den Nutzer selbst, ohne dass eine Überarbeitung durch die Redaktion oder eine Prüfung der Einträge vor Veröffentlichung erfolgt. Eine vom Gesetz gem. § 53 Abs. 1 S. 3 StPO geforderte „Aufbereitung“ der Onlinebeiträge findet daher gerade nicht statt.

 
Mit dieser Auslegung verkennt das LG Augsburg Bedeutung und Tragweite der Pressefreiheit. Bereits die Annahme, die Leserkommentare seien nicht dem redaktionellen Bereich zuzuordnen, ist fehlerhaft. Es ist nämlich gerade eine redaktionelle Entscheidung und Maßnahme, ob man als Zeitung im Anschluss an die Veröffentlichung von Artikeln auf der Website der Zeitung eine Kommentarfunktion eröffnet, die es den Lesern erlaubt, den Artikel unmittelbar zu kommentieren.

Das Bundesverfassungsgericht hat den Schutzbereich der Pressefreiheit zudem über den redaktionellen Teil hinaus unter gewissen Voraussetzungen auch auf den Anzeigenteil erstreckt und hierzu ausgeführt:
 

Das Grundrecht der Pressefreiheit umfaßt, wie das Bundesverfassungsgericht entschieden hat, auch den Anzeigenteil von Presseerzeugnissen (BVerfGE 21, 271 [278 f.]). Wenn die Presse ihren Lesern Anzeigen, ebenso wie Nachrichten oder Leserbriefe im redaktionellen Teil, ohne eigene Stellungnahme zur Kenntnis bringt und die Leser auf diese Weise über die in den Anzeigen enthaltenen wirtschaftlichen Möglichkeiten oder die in ihnen zum Ausdruck gebrachten Meinungen informiert, so gehört dies zu den herkömmlichen und typischen Presseaufgaben.

 
Dadurch wird deutlich, dass auch die unveränderte Weitergabe von Meinungen zu den typischen Aufgaben der Presse gehört und eine redaktionelle Bearbeitung – die ja bei Anzeigen nie stattfindet – gerade keine Voraussetzung für die Eröffnung des Schutzbereichs der Pressefreiheit ist.

An anderer Stelle wird das BVerfG noch deutlicher und führt aus:
 

Eine Unterscheidung zwischen geschützten und nicht geschützten Teilen einer Zeitung läßt Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nicht erkennen. Das Grundrecht schützt den gesamten Inhalt eines Presseorgans (vgl. BVerfGE 21, 271 [278 f.]). Das folgt schon daraus, daß zur Pressefreiheit nicht nur die Bestimmung des Inhalts einer einzelnen Ausgabe oder des Themas eines einzelnen Artikels, sondern erst recht die Grundentscheidung über Ausrichtung und Gestaltung des Publikationsorgans insgesamt gehört.

 
Die Unterscheidung zwischen einem geschützten und einem nicht geschützten Teil der Onlineausgabe einer Zeitung, die das Landgericht Augsburg versucht zu treffen, ist also bereits als solche nicht statthaft. Die Eröffnung einer Kommentarfunktion gehört zu den Grundentscheidungen des Publikationsorgans über Ausrichtung und Gestaltung der Zeitung.

Das Bundesverfassungsgericht macht zudem deutlich, dass auch die Entscheidung über die anonyme Wiedergabe von Zuschriften Dritter in den Schutzbereich der Pressefreiheit fällt:
 

Darin ist auch die Entscheidung eingeschlossen, ob Zuschriften von Dritten in die Publikation aufgenommen werden. Geschützt sind daher nicht nur eigene Beiträge der Herausgeber oder redaktionellen Mitarbeiter. Der Schutz der Pressefreiheit umfaßt auch die Wiedergabe von Beiträgen Außenstehender, die sich nicht beruflich im Pressewesen betätigen.

e) Das Grundrecht der Pressefreiheit schützt schließlich auch die Entscheidung, Zuschriften Dritter anonym zu veröffentlichen. Damit wird dem Grundsatz Rechnung getragen, daß sich die Freiheitsgarantie nicht nur auf den Inhalt, sondern auch auf die Form der Publikation bezieht (vgl. BVerfGE 60, 234 [239 f.]). Zur Form gehört es auch, ob die Veröffentlichung eines Beitrags mit oder ohne Autorenangabe erfolgt. Soweit die Anonymität den Zweck hat, Autoren vor Nachteilen zu bewahren und der Zeitung den Informationsfluß zu erhalten, fällt ins Gewicht, daß sich die Pressefreiheit auch auf das Redaktionsgeheimnis sowie das Vertrauensverhältnis zwischen Presse und Informant erstreckt (vgl. BVerfGE 20, 162 [176]).

 
Das Landgericht Augsburg setzt sich mit der zitierten Rechtsprechung des BVerfG nicht ansatzweise auseinander und kann allein deshalb nicht überzeugen.
 

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