von Redaktion Carta, 2.12.09
Am 4. Oktober schrieb Robin Meyer-Lucht auf Carta:
Der “Tommy darf alles”-Modus, in dem sich Moderator Thomas Gottschalk angesichts der Bedeutung seiner Sendung für das Selbstwertgefühl des ZDFs seit Jahren befindet, nimmt immer absurdere Formen an. Der jüngste Beleg ist dieses Video:
Der Beitrag argumentierte, dass Thomas Gottschalk mit ZDF-Mikrofon in einem Video mit Bild.de-Signatur und vorgeschalteter Werbung die Verstrickung “von öffentlich-rechtlichen Fernsehen mit dem boulevardmedial-kommerziellen Komplex” zu weit treibe. Das sah auch der ehemalige Grimme Institut-Leiter Bernd Gäbler so: “Dreht das gebührenfinanzierte ZDF jetzt schon nebenbei die Videos für bild.de?”
Ein Brief mit entsprechenden Fragen ging an den ZDF-Fernsehrat, die Markus Schächter als ZDF-Intendant in einem ersten Klärungsversuch beantwortete.
Vor einigen Tagen erhielten wir seine Antwort (Papierbrief hier als PDF). Wir haben die Antworten des Intendanten den ursprünglich gestellten Fragen zugeordnet. Hier das Ergebnis:
1. Wie kann es sein, dass Thomas Gottschalk in einem mit Bild.de-Kennung versehenen Video in ein ZDF-Mikrofon spricht?
2. Ist dieses Vorgehen mit dem ZDF abgesprochen? Wer hat auf Seiten des ZDF eine Zustimmung zu einer solchen Verwendung gegeben?
Schächter: Der von ihnen kritisierte Videoclip wurde in erster Linie für ZDF-Magazinsendungen und die Online-Seiten unseres Hauses produziert, wo dieser auch zuerst und in der Sendewoche von “Wetten, dass?” vielfach zu sehen war. Einer breiteren Öffentlichkeit, die durch weitere, andere Publizierungsformen erreicht werden kann, möchte sich das ZDF bewusst nicht dadurch verschließen, solche Inhalte exklusiv zu halten. Genausowenig beschränkt sich das ZDF bei Zurverfügungstellung des Videoclips auf bild-online, sondern stellt dieses Material auch weiteren Interessenten zur Verfügung, sofern es in Darstellung und Einbindung vertretbar ist.
4. Ist das Vorgehen, wie offenbar geschehen, ZDF-Videomaterial und auch Nachrichten, wie die Zusammenarbeit ZDF-Gottschalk-Hunziker, einem einzelnen Medium exklusiv zukommen zu lassen, mit den Prinzipien der Pressearbeit des ZDF vereinbar?
Schächter: Es gibt von Seiten des ZDF weder eine exklusive Zusammenarbeit mit der BILD-Zeitung, noch eine vereinbarte Kooperation.
3. Ist dieses Vorgehen aus Ihrer Sicht mit den Grundsätzen der Unabhängigkeit und der Markenführung des ZDF zu vereinbaren? Muss der Grundsatz gelten: Wenn in einem Video in ein ZDF-Mikrofon gesprochen wird, muss auch die redaktionelle Verantwortung beim ZDF liegen?
5. Dem Video ist auf der Seite von Bild.de ein Werbespot vorgeschaltet. Hat das ZDF Bild.de die Erlaubnis erteilt, Werbung vor das Video zu schneiden? Wäre es angesichts des Werbe- und Sponsoringverbots für öffentlich-rechtliche Telemedien nicht angeraten, ZDF-Videos im Internet auch auf fremden Seiten nicht mit Preroll-Werbung zu versehen?
Schächter: Die Einfassung des Clips in Preroll-Werbung sowie die Versehung mit einem Logo war uns im Vorfeld nicht bekannt und wird in dieser Form nicht mehr stattfinden.
6. Thomas Gottschalk nennt in dem kurzen Trailer sehr deutlich den Namen „Audi“, ein Unternehmen, das durch eine Produktbeistellung die Sendung „Wetten, dass…?“ unterstützt. Nach Punkt 10.4 der Sponsoring-Richtlinien des ZDF dürfen Sponsoren in zugehörigen Programmtrailern nicht genannt werden. Würde es nicht der öffentlich-rechtlichen Idee dienen, dass diese Vorschrift auch für Produktbeistellungen gilt?
Schächter: Die Nennung des Audi als Gewinn für den Wettkönig ist eine im Rahmen der Gewinnspielbeschreibung zulässige Regelung der ZDF-Richtlinien für Werbung und Sponsoring. Gemäß Ziffer 9.2 ist auf den Spender des Gewinnspielpreises hinzuweisen.
7. Thomas Gottschalk hat in der jüngeren Vergangenheit auf Plakaten für Bild geworben. Nun wirbt mit diesem Video Bild.de für seine Sendung. Wäre es nicht für die Unabhängigkeit des ZDF förderlich, festzulegen, dass ZDF-Moderatoren keine Werbung für andere Medien machen dürfen, da es so zu Interessenkonflikten bei der Berichterstattung kommen kann?
Diese Frage hat Markus Schächter nicht beantwortet.
8. Welche Kontrollinstanz auf Seiten des ZDF prüft, ob eine Kooperation wie die genannte mit den Richtlinien des ZDF vereinbar ist? Erfolgte im vorliegenden Fall eine Überprüfung durch eine von der verantwortlichen Redaktion unabhängige Kontrollinstanz?
Diese Frage hat Markus Schächter nicht beantwortet.
Noch einmal zusammengefasst:
- Es gibt keine exklusive Zusammenarbeit und keine vereinbarte Kooperation von Bild und ZDF.
- ZDF-Videos mit Preroll-Werbung und Fremdlogo auf Sites Dritter soll es in Zukunft nicht mehr geben.
- Dem ZDF waren die Details der Verwendung seines Videos auf Bild.de “im Vorfeld” nicht bekannt.
- Das ZDF stellt Videos nicht exklusiv zur Verfügung, sondern gerne auch weiteren Anbietern.
- Zur Werbetätigkeit von Thomas Gottschalk für Bild möchte sich der Intendant nicht äußern.
Schächters Brief endet mit: “Ich hoffe, ich konnte mit meinen Erläuterungen Ihre Bedenken ausräumen.”
Der Brief des Intendanten hat zwar nicht alle Bedenken ausgeräumt, zugleich sprechen aber die Klarstellungen und Antworten für sich.
Es ist erstaunlich, dass das ZDF angibt nicht gewußt zu haben, in welcher Form Bild.de das seinem Video-Material nutzen würde. Das Video wurde offenbar ohne formelle Vereinbarung herausgegeben. Das ZDF kann keine Instanz benennen, die über solche Weitergaben von Material wacht.
Dass sich der Intendant nicht zum Interessenkonflikt des für Bild werbenden Thomas Gottschalk geäußert hat, ist mehr als bedauerlich.
Das monierte Video steht übrigens bis heute auf den Seiten von Bild.de.