#Drehtüreffekt

Durch die Drehtür. Die Minister und die Wirtschaft

von , 7.9.09

Zwei der spektakulärsten Fälle in dieser Legislaturperiode waren Gerhard Schröder und Otto Wiesheu. Nonchalant traten sie Jobs in der Wirtschaft in Bereichen an, mit denen sie zuvor befasst gewesen waren: Gerhard Schröder wurde Aufsichtsratsvorsitzender des Ostsee-Pipeline-Konsortiums unter russischer Führung; Otto Wiesheu verhandelte vermutlich seinen Arbeitsvertrag mit der Deutschen Bahn parallel mit dem Kapitel Verkehrspolitik des Koalitionsvertrags als bayerischer Verkehrsminister aus.

Im Deutschen wird dieses Phänomen nach dem englischen Original revolving doors als Drehtüreffekt bezeichnet: Der Anschein entsteht, dass es einen Zusammenhang zwischen im Amt getroffenen Entscheidungen und einer nach dem Ausscheiden aufgenommenen Erwerbstätigkeit geben könnte. Die Franzosen haben sogar ein eigenes Wort dafür. Pantouflage beschreibt den Wechsel zwischen Politik, Verwaltung und Wirtschaft und die enge Verbundenheit von politischen, administrativen und wirtschaftlichen Eliten. Wir haben kein eigenes Wort, aber wir haben auch nicht die ENA.

Bei der Bewertung des Drehtüreffektes gilt es drei Gruppen zu unterscheiden:

  1. Minister und Parlamentarische Staatssekretäre, wo es keine Regeln gibt.
  2. Beamtete Staatssekretäre und Beamte, wo es Regeln gibt.
  3. Abgeordnete, wo es wiederum keine Regeln gibt.

Am frappierendsten ist, dass die Gruppen 1 und 2 in Deutschland unterschiedlich behandelt werden.

Für 47 Personen im Amt, die 16 Ministerinnen und Minister und die 31 Parlamentarischen Staatssekretäre, von Aigner, Altmaier bis Zypries, gibt es keine Regeln bei einem Wechsel. Mal sehen, wer von diesen nach der Wahl die Drehtür durchschritten hat – ohne sich vor irgendjemandem rechtfertigen zu müssen, selbst, wenn man dem neuen Arbeitgeber gerade noch was Gutes getan hätte. Die übliche und vernünftige Forderung ist die nach einer Karenzzeit, auch Abkühlperiode genannt (nach dem englischen cooling off), wenn es einen Zusammenhang zwischen der bisherigen und der beabsichtigten Tätigkeit gibt. Zwei Jahre, drei Jahre oder fünf Jahre stehen im Raum.

Für die Beamten und damit auch die beamteten Staatssekretäre gibt es eine Fünfjahresregelung, innerhalb derer der Wechsel untersagt werden kann, wenn „dienstliche Interessen beeinträchtigt“ werden. Hier stellt sich die Frage, wie konsequent der bisherige Dienstherr prüft und entscheidet. Zu den Wechselfällen gehören Caio Koch-Weser, der seit dem 2006 bei der Deutschen Bank schafft und der ehemalige Staatssekretär von Randow, der zum 1.1.2009 bei Air Berlin anheuerte. Die Zustimmung zum Wechsel durch die Ministerien provoziert Fragen nach der Ernsthaftigkeit der Prüfung. Vielleicht wäre eine neutralere Prüfinstanz ratsam oder ein unabhängiges Gremium, das eine öffentliche Empfehlung ausspricht. Schon 2007 stellte die „Groups of States against Corruption“ in einem Bericht (PDF hier) fest, dass Deutschland die Empfehlungen des Europarates zur Korruptionsprävention zum Wechsel von Beamten in die Wirtschaft nur teilweise umgesetzt hat.

Frei im Unterschreiben von Arbeitsverträgen sind die Abgeordneten. Da es gewählte Volksvertreter sind, ist eine behördliche Genehmigung kein vernünftiger Vorschlag. Beispiele sind hier Ditmar Staffelt, der Anfang des Jahres sein Mandat niederlegte, um einen Lobbyisten-Job beim Rüstungskonzern EADS anzutreten, oder Rainer Wend, der im Frühjahr sein Mandat niederlegte, um in den Zentralbereich „Politik und Nachhaltigkeit“ der Post zu wechseln. Hier frage ich mich eher, welchen Wert für sie das Vertrauen der Bürger hat, die sie gewählt haben. Das Schlimme ist: diese Wähler können sie persönlich dafür nicht einmal abstrafen, da sie ja nicht mehr antreten, höchstens ihre Partei.

Auf europäischer Ebene hatte damals die Causa Bangemann zu einer sehr mäßigen Regelung geführt. In Deutschland hat sich seither nichts getan. Die Grünen hatten am Anfang der Legislaturperiode vorsichtig daran erinnert, dass das Thema nach wie vor ungelöst sei (Antrag als PDF). So wird es weiter Vermutungen über Koppelgeschäfte geben, die die Politikerkaste in Misskredit bringen.

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