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OpenACTA: Erklärung von Wellington

von , 12.4.10

Bei einer Konferenz zu ACTA im neuseeländischen Wellington haben die Teilnehmer eine Petition ausgearbeitet, die die beteiligten Staaten auffordert, ACTA so zu beschränken, dass es den ursprünglichen Zielen entspricht. BürgerInnen der beteiligten Staaten, also auch Deutsche, können die Petition bis zum 13. April unterzeichnen (Dienstag!). Es ist also Eile geboten. Hier ist die deutsche Übersetzung, die der AK-Daten angefertigt hat.

Erklärung von Wellington anlässlich der PublicACTA Konferenz

10. April 2010

Präambel

Die Teilnehmer der OpenACTA Konferenz vom 10.April 2010 übermitteln diese Erklärung von Wellington an die verhandlungsführenden Parteien des Anti-Counterfeiting Trade Agreements (ACTA / Anti-Piraterie-Abkommen) mit der Bitte, diese in ihre Überlegungen während der Wellington-Runde der Verhandlungen einzubeziehen. In Übereinstimmung mit der Resolution des europäischen Parlamentes vom 10.März 2010 zu Transparenz und zum Stand der Verhandlungen des ACTA-Abkommens (Entschließung P7_TA(2010)0058 ) soll ACTA auf ein Abkommen bezüglich der Durchführung von Anti-Pirateriemaßnahmen (kommerzielle Produktion illegaler physischer Güter in großem Maßstab) beschränkt werden.

Der erste Teil der Erklärung beschäftigt sich mit allgemeinen Gründen und Prinzipien. Der zweite Teil der Erklärung beschäftigt sich mit einigen spezifischen Punkten, die in der Wellington-Runde zur Verhandlung anstehen.

Teil I: Allgemeine Gründe und Prinzipien

Das Internet bewahren

Wir stellen fest, dass das Internet Kreativität und Innovation ermöglicht, den Austausch von Wissen, das zivilgesellschaftliche Engagement und die demokratische Entwicklung fördert und einen Motor wirtschaftlicher Chancen und Entwicklungen darstellt. Dies ist das Ergebnis bestimmter Merkmale des Internets, seiner offenen Protokolle, seiner Schöpfungskraft, dem Umstand, dass jeder sich mit dem Internet verbinden, neue Anwendungen und neue Nutzungsmöglichkeiten diskriminierungsfrei entwickeln kann. ACTA muss diese Grundsätze bewahren.

Rahmen für Verhandlungen

Wir weisen darauf hin, dass die WIPO – Weltorganisation für geistiges Eigentum – über öffentliche Verfahren zu Fragen des Urheber-, Warenzeichen- und Patentrechtes verfügt. Dies schließt transparente Richtlinien für die Verhandlung multilateraler Abkommen ebenso ein wie einen Ausschuss, der sich der Durchsetzung widmet. Wir bekräftigen, dass die WIPO den zu bevorzugende Rahmen für die Verhandlung nachhaltiger Bestimmungen bezüglich dieser Angelegenheiten darstellt.

Ziele von ACTA

Wir weisen darauf hin, dass es Zweck des Urheberrechtes ist, schöpferische Leistungen und deren Verbreitung zum Wohle der Allgemeinheit zu fördern und den Urhebern eine dementsprechende Kontrolle über ihr Werk zu verschaffen. ACTA geht davon aus, diese Zielsetzung wäre gefährdet und weitere Schutzmechanismen wären nötig. Wir fordern eine klare Aussage, welches genaue Problem ACTA lösen soll und unabhängige Anhaltspunkte, die diese bekräftigen.

Verfahren

Das Verfahren mit dem ACTA verhandelt wird muss geändert werden:

Transparenz

Wir sind der Überzeugung, dass Rechenschaftspflicht und öffentliche Kontrolle wichtige Elemente einer freien Gesellschaft sind. Wir fordern daher vollständige Transparenz und öffentliche Kontrolle der ACTA-Verhandlungen, insbesondere auch die Veröffentlichung des Verhandlungsstandes (Textfassung) nach jeder Verhandlungsrunde. Die Regierungen der verhandlungsführenden Staaten waren nicht bereit auf konkrete Bedenken der Öffentlichkeit zu reagieren. Eine Kontrolle durch die Öffentlichkeit wird mit dazu beitragen, dass das Abkommen keine unbeabsichtigten Konsequenzen beinhaltet und zu größtmöglichen positiven Effekten führt.

Analyse der Auswirkungen

Wir sind der Überzeugung, dass die Regierungen ACTA ohne ein unabhängiges Gutachten bezüglich der Auswirkungen auf wirtschaftliche, soziale, ökologische und kulturelle Situation in den jeweiligen Ländern nicht unterzeichnen sollten. Dergestalte Gutachten sollten rechtzeitig vor Unterzeichnung veröffentlicht werden um die Kontrolle durch die Öffentlichkeit und die Erwägung der Nachhaltigkeit zu gewährleisten.

Teilhabe

Wir fordern eine breitere Teilhabe bezüglich der Verhandlungspunkte von ACTA, als auch ihrer Reichweite. Verhandlungen und Konsultationen müssen die vollständige Beteiligung und sachverständige Mitwirkung bei Bewertung und Entwicklung von Entwürfen sicherstellen. Alle Regierungen müssen eingeladen werden sich den Verhandlungen anzuschließen. Beiträge aller beteiligten Felder, wie z.B. Erziehung, Ausbildung, Gesundheit, Kunst, Kultur, Informationstechnologie, Nichtregierungsorganisationen und Verbraucherverbänden sind anzufordern.

Regionale Flexibilität

Wir bekräftigen die Wichtigkeit lokaler Flexibilität und den Bedarf die hoheitlichen Rechte eines jeden Staates Urheber-, Warenzeichen- und Patentrechte und -gesetze so anzupassen, dass die Präferenzen und Konzeptionen bezüglich Gemeingütern der jeweils regionalen Kultur und Mentalität entsprechen.

Teil II: Spezifische Punkte der Wellington-Runde

Sofern die Verhandlungen sich weiterhin mit Urheber-, Warenzeichen- und Patentangelegenheiten im weiteren Sinne beschäftigten, fordern wir die Verhandlungsteilnehmer auf, Folgendes zu berücksichtigen:

Ausnahmen und Beschränkungen

Wir sind der festen Überzeugung, dass ACTA Ausnahmen und Beschränkungen, wie z.B. Fair Use und faires Verhalten [im Sinne des Gebrauches im Commonwealth of Nations] benennen muss, um die Ausgewogenheit der Interessen, die für Urheberrecht grundlegend ist, zu gewährleisten.

Technologische Schutz-Maßnahmen

Wir nehmen zur Kenntnis, dass ACTA, neben anderen Feldern, ein Abkommen zur Durchsetzung von Urheberrechtsinteressen darstellt. Technologische Schutzmaßnahmen betreffen Zugang und Steuerung und sollten daher außerhalb des Anwendungsbereiches des Abkommens verbleiben, da das vorhandene Urheberrecht völlig ausreicht um Verletzungen zu ahnden. Technologische Schutzmaßnahmen sollen nicht geschützt werden, das Urheberrecht wohl. Für den Fall, dass ACTA den rechtlichen Schutz technologischer Schutzmaßnahmen vorsieht, darf dieser Schutz nicht weiter als Artikel 11 des WIPO Internet-Abkommens gehen. Technologische Schutzmaßnahmen sollen die Rechte der Nutzer urheberrechtlich geschütztes Material zu verwenden nicht weiter verletzen oder beschränken, als dies ohne technologische Schutzmaßnahmen erlaubt wäre.

Rechtsstaatliche Verfahren bewahren

Wir erklären, dass ACTA inländische rechtsstaatliche Verfahren weder verdrängen noch ersetzen darf. Die einer Urheberrechtsverletzung Beschuldigten müssen in vollem Umfang von Verbraucherschutzrechten und Absicherungen Gebrauch machen können und Zugang zu einem rechtsstaatlichen Verfahren haben.

Privatsphäre

Wir weisen auf die große Bedeutung des Schutzes der Privatsphäre hin. Dieser umfasst Angaben zum Nutzer, persönliche Identifikationsmaßnahmen, IP-Adressen und vergleichbare Informationen. Das Abkommen darf die Weitergabe an Dritte weder verlangen noch erlauben, ohne dass dies in einem ordentlichen Gerichtsverfahren und unter Aufsicht der Gerichtsbarkeit angeordnet wurde. Es darf bestehende Datenschutz- oder Privatsphären-Regelungen weder beschränken noch schmälern, noch darf es Überwachungsmaßnahmen einführen.

Provider

Wir weisen darauf hin, dass ACTA berücksichtigen muss, dass Zugangsanbieter, ISP, Hoster und Suchmaschinen essentiell dafür sind, dass die Nutzer die Vorteile des Internets nutzen können. Diese Funktion muss geschützt und gefördert werden.

Provider, die den Inhalt in ihren Systemen und Netzwerken nicht selbst bereitstellen oder steuern, müssen in den Genuss sogenannter „safe harbours“ kommen, die nicht auf Durchsetzungsverpflichtungen beruhen, die Urheberrechtsverletzungen Dritter zur Basis haben. ACTA darf keine sekundären Haftungsrechte [Dritthaftung] begründen.

Zugang zum Internet

Wir stellen fest, dass der Zugang zum Internet in zunehmendem Maße für die gesellschaftliche Teilhabe notwendig ist. Zugangssperren, Aussetzung von Nutzerkonten oder Nutzungsbeschränkungen haben unverhältnismäßig negative Konsequenzen für die Bürgerrechte. ACTA kann weder verlangen noch erlauben, dass dies eine akzeptable Sanktion für Urheber- oder Warenzeichenrechtsverletzungen darstellt.

Schadenshöhe

Wir erklären, dass die Schadenshöhen

  • ausschießlich von fachkundigen Stellen der Jurisdiktion (wie z.B. Gerichten) innerhalb einer jeden souveränen Nation festgestellt werden dürfen,
  • der Absicht und dem tatsächlichen und reellen Schaden angemessen sein müssen,
  • nicht innerhalb eines pauschalierten Schadenshöhen-System umgesetzt werden dürfen.

Strafbarkeit

Wir erklären, dass ACTA an die Strafbarkeit hohe Schranken knüpfen muss. ACTA soll nicht zum Bestreben führen, persönlichen Gebrauch und privates Handeln so umzudefinieren, dass die Definition gewerblichen Ausmaßes anzuwenden wäre.

ACTA muss das Ziel angemessener Bestimmungen hinsichtlich des Problems der unmittelbaren und vorsätzlichen gewerblichen Verletzung in großem Umfang mit Gewinnerzielungsabsicht beachten und behandeln.

Geschehen zu Wellington, Neuseeland, am 10. April 2010.

Civic Suites, Stadthalle Wellington

Weitere Informationen bezüglich dieser Erklärung sind über die PublicACTA Website erhältlich: publicacta.org

Deutsche Übersetzung: AK DATEN E.V. euue|ak / CCPL DE 3.0 BY-NC-SA

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