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Open Data in Deutschland: Ein langer Weg zur Freiheit für Behördendaten

von , 25.10.10

„Informationen sollten frei sein!“, an deutschen Behörden ist diese Forderung bislang weitgehend abgeprallt. Daten sind dort nach wie vor so etwas wie der geheime Schatz. In Deutschland gibt es Einsichtnahme nur auf Anfrage und noch nicht einmal alle Bundesländer haben das dazu erforderliche Informationsfreiheitsgesetz verabschiedet.

Die Open-Data-Bewegung will diesen Zustand ändern und fordert Freiheit auch für Behördendaten. Was der Staat einmal im Auftrag der Bürger gesammelt hat, sollen diese auch frei nutzen dürfen und zwar kostenlos, lautet die Hauptforderung.

Es wird auch Zeit, dass sich etwas tut, denn bislang hat sich die Politik gegenüber den Segnungen des Internets relativ immun gezeigt. Ein wenig Vernetzung mit dem Bürger hier, eine Prise Onlinewahlkampf da, garniert mit einer Facebookgruppe und ein paar Videos auf Youtube – mehr spielt sich nicht ab.

Da wo es spannend wird, nämlich bei der Frage, wie Entscheidungen zustande kommen, funktioniert Politik heute noch genau so wie vor 10, 20 oder 100 Jahren.

Informationsasymmetrie besteht weiter

Vieles was online geschieht, hat lediglich Alibifunktion oder ist – anders ausgedrückt – Beschäftigungstherapie für den Wähler. Bislang konnte auch das Netz die Informationsasymmetrie zwischen Mandatsträgern, Parteivolk, Lobbyisten auf der einen und der Öffentlichkeit auf der anderen Seite nicht beseitigen.

ePolitik: Aus dem Labor von Blinkenlichten.

Die politische Kommunikation blieb bis heute im Vakuum der geschlossenen Systeme des Politikbetriebes. Aus gutem Grund: Denn Information teilen, bedeutet Macht teilen. Und wer möchte schon, einmal in ein Amt gewählt, diese Macht gleich wieder mit dem Wähler teilen?

Hinzu kommt: Das Wesen der Politik ist der Tauschhandel der Interessen. Wenn diese Interessen nicht mehr innerhalb des Politik-Systems gebündelt werden können, wird dieser Tausch erschwert. Der Deal: Tausche längere Atomlaufzeiten gegen mehr Ökoförderung funktioniert nicht mehr, wenn sich der Bürger vorher in einer Onlinepetition massenhaft gegen längere Laufzeiten ausgesprochen hat.

Der Grundlage für die Teilnahme an der Onlinepetition wäre aber die transparente Information über das Vorhaben, womit wir wieder beim Thema sind. Open Data hat das Potential, die Politik zu verändern, wie keine Idee zuvor. Auf dem britischen Open-Data-Portal heißt es: „Transparency is at the heart of this Government“. Und das ist genau die Losung, die einem solchen Projekt vorangestellt werden muss.

Politik geht mit offenen Daten in Vorleistung

Die Politik geht mit offenen Daten in Vorleistung. Indem sie dem Bürger das Angebot zu einer umfassenden Transparenz macht, nimmt sie ihn gleichzeitig in die Pflicht. Offene Daten verlangen den viel zitierten mündigen und aktiven Bürger, der diese Chance erkennt und annimmt.

Offene Daten können die Qualität der Politik auf mehrfache Weise steigern, weil sie zum einen neue Sichtweisen auf Datenbestände schafft – besonders auch durch die Möglichkeiten der Visualisierung. Zum anderen werden Intelligenz und Kreativität all derer einbezogen, die sich mit den Daten beschäftigen, sie aufbereiten und zugänglich machen. Der Staat verliert seine Interpretationshoheit.

Die Anwendungen, die dabei entstehen, reichen von nützlichen Serviceangeboten im Bereich der Verkehrsdaten bis hin zur Visualisierung von Haushaltsdaten. Hinzu kommen neue Beteiligungsmöglichkeiten für den Bürger, wie beim Projekt Frankfurt Gestalten, eines der ersten in Deutschland.

Großbritannien und die USA sind dabei, in vielen Bereichen eine Kultur der Offenheit zu schaffen – nicht in allen, wie zum Beispiel der Widerstand gegen die Veröffentlichung der Militärdokumente auf WikiLeaks zeigt. Das größte Potential zur Einflussnahme auf die Politik liegt dabei in der Veröffentlichung von entscheidungsrelevanten Datenbeständen.

Erste Ansätze in Deutschland

Und auch bei uns gibt es erste Ansätze. Der Verein Open Data Network wurde 2009 in Berlin „von über 20 Vertretern von Parteien, Netzwerken und Unternehmen gegründet, um die Themen Open Data, Open Access, Open Government, Transparenz und Partizipation koordiniert auf die politische Agenda zu bringen“, und ist eine gute Anlaufstelle für weitere Informationen und aktuelle Projekt.

Und wie geht es weiter? Großbritannien hat rund zehn Jahre Vorsprung. Ein harter Kern von Aktivsten hat dort den Weg für Open Data bereitet und dann die Chance genutzt als die politischen Bedingungen günstig waren. Bis zum Aufbau von data.gov.uk ging dann alles sehr schnell, weil mit Gordon Brown der Regierungschef selbst zu den Unterstützern zählte – beraten von Tim Berners Lee, dem Erfinder des WWW höchstselbst.

In Deutschland befinden wir uns noch auf Stufe 1: Der Ausbildung einer aktiven Szene, die sich für Open Data stark macht und die versucht, Politiker für die Idee zu gewinnen und erste Projekte ins Netz stellt. Immerhin: Einge (twitternde) Abgeordnete wie Thomas Jarzombek (CDU) finden schon gefallen an Open Data.

Die Bundesregierung bleibt jedoch zaghaft: Das Regierungsprogramm “Vernetzte und Transparente Verwaltung” erwähnt das Thema Open Data zwar, formuliert aber keine konkreten politischen Ziele, beispielsweise den Aufbau eines Daten-Portals nach dem Vorbild der USA oder Großbritanniens. Die Idee, einen Marktplatz für den Handel mit Geodaten aufzubauen, widerspricht sogar der Idee von Open Data. Es bleibt also noch ein langer Weg zur Freiheit für die Behördendaten.

Crosspost.

Heute wurde im Labor des Elektrischen Reporters ein Dummy für die Reihe “ePolitik” veröffentlicht, in dem Julius Endert für das ZDF die Open-Data-Bewegung allgemeinverständlich aufbereitet hat:

(Creative Commons BY-NC-SA)

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