#Bundesregierung

Oktopussikratie: Ich glaub, mich tritt ein Tintenfisch!

von , 8.7.10

Deutschland bringt sie hervor, die jungen Stars, die die Weltpresse feiert, für die uns alle Länder rund um den Globus beneiden. Erst Lena, dann unsere junge, multikulturelle Fußball-Nationalmannschaft. Doch all das war erst der Vorgeschmack für den neusten aller Medienstars: Paul, das Tentakel-Orakel, der Fußball-Prophet, das schwimmende Phänomen. Unseren Krake, der alle WM-Spiele der deutschen Mannschaft richtig getippt hat.

Ein Wahrsager, der zum Helden – neuerdings in Spanien, kann sich aber schnell ändern – für die einen wird, zum gehassten Speisewunsch zum Mittagessen für die anderen – seit gestern Abend Deutschland, zuvor schon Argentinien, England und die ganzen anderen halt. Paul ist überall. Paul ist bei der Bild – gerüchteweise zunächst exklusiv nach mit eigener Tinte unterschriebenem Vertrag –, Paul ist bei Facebook, Paul ist im Fernsehen.

Und wie es sich seit neuestem für unsere Instant-Medien-Helden des Jahres 2010 gehört, dauert es nicht lang, dann rufen bereits höhere Weihen. Und seien wir ehrlich: Paul ist der erste der genannten Stars, für den wirklich eine Reihe von Jobs in Frage käme. Von daher: Schluss mit dem Facebook-Profil, auf Xing muss das Viech!

Als erstes könnte sich Forsa bei ihm melden. Wer Fußballspiele ohne Hilfe der italienischen Wettmafia richtig vorhersehen kann, der wird es auch schaffen, den Ausgang von Landtags- und Bundestagswahlen richtig vorherzusagen. Näher dran sein als unsere Meinungsforschungsinstitute dürfte generell zunehmend leichter geworden sein. Und außerdem, hey, wir reden hier von Paul, dem super-dupa-mega-über-Orakel. Wofür überhaupt noch wählen? Sparen wir uns den Aufwand und die Kosten! Paul bestimmt die Regierung. Die Oktopussikratie wird eingeführt. Und wieder würden uns alle beneiden.

Wobei: Warum mit halben Sachen begnügen? Machen wir Paul doch am besten selbst zum Kanzler. Er würde die nächste Bankenkrise rechtzeitig vorhersehen, er wüsste schon jetzt, was das Volk morgen will, während die derzeitige Regierung den Anschein macht, nicht einmal heute zu wissen, was sie selbst gestern wollte. Paul wäre anders: Paul könnte seinen gesamten G8-Kollegen gleichzeitig die Hand schütteln und hätte immer noch einen Arm frei, um zum Wohle des deutschen Volkes zu arbeiten.

Ja, wir sind großartig! Wir sind Deutschland! Wir sind Paul! Einfach nur Paul. Nicht ausgeschieden, sondern Paul, nicht haushoch verschuldet, sondern Paul, nicht nachrichtenrelevant, sondern Paul.

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