von Robin Meyer-Lucht, 24.11.09
Sehr geehrte Damen und Herren,
als Mitglieder des ZDF-Verwaltungsrates stehen Sie vor einer wichtigen Entscheidung. Nach dem geltenden ZDF-Staatsvertrag fällt es in Ihren Aufgabenbereich, gemeinsam mit dem Intendanten den Chefredakteur zu berufen. Der Intendant hat eine Weiterbeschäftigung von Nikolaus Brender vorgeschlagen. Herr Ministerpräsident Roland Koch hat demgegenüber angedeutet, dass dieser Vorschlag in Ihrem Gremium keine Unterstützung finden wird. Demnach sei Nikolaus Brender für einen Quotenrückgang im Nachrichtensegment des ZDF verantwortlich.
Wir sind der Auffassung, dass dies nicht als Grundlage für Ihre Entscheidung geeignet ist.
In Ihrer heutigen Sitzung werden Sie nicht nur über die berufliche Zukunft von Nikolaus Brender entscheiden. Ihr Beschluss wird auch eine der Grundfesten des freien Rundfunks in Deutschland berühren – nämlich das Prinzip der Staatsferne. Denn eine Entscheidung über den Posten des Chefredakteurs ist nicht nur eine bloße Personalentscheidung: Sie hat zwangsläufig auch mittelbare Auswirkungen auf das Programm.
Ergreift ein staatlicher Vertreter im Verwaltungsrat die Initiative, sich dem Personalvorschlag des Intendanten entgegenzustellen, ist eine Beeinträchtigung der Unabhängigkeit des Rundfunks zu befürchten. Zumindest ist in einem solchen Fall eine besondere Begründung erforderlich, um eine politisch motivierte oder willkürliche staatliche Einflussnahme auszuschließen.
Die vorgebrachte Begründung ist jedoch nicht tragfähig. Wir sind der Auffassung, dass die inhaltliche Bewertung der bisherigen Arbeit des Chefredakteurs nicht dem Verwaltungsrat obliegen kann. Denn er ist – im Gegensatz zum Fernsehrat – nicht als pluralistisch besetztes Gremium konzipiert. Daraus folgt, dass es ausschließlich Aufgabe des Fernsehrates ist, die inhaltliche Gestaltung des Programms durch den Chefredakteur zu bewerten. Andernfalls würde dem Verwaltungsrat ein Einfluss auf inhaltliche Fragen zuteil, der nach der Kompetenzverteilung des ZDF-Staatsvertrages nicht vorgesehen ist und verfassungsrechtlich nicht zulässig wäre.
In diesem Fall hat der Fernsehrat jedoch keinen Grund zur Beanstandung an der Arbeit von Nikolaus Brender gesehen. Wir halten es daher für unzulässig, wenn Sie sich dieser Einschätzung entgegenstellen würden.
Unser Anliegen ist es nicht, für Herrn Brender Partei zu ergreifen. Wir appellieren vielmehr an Sie, die Kompetenzverteilungen des ZDF-Staatsvertrages zu achten und die Unabhängigkeit des Rundfunks zu bewahren.
Als Verfasser:
Adrian Schneider, telemedicus.info, Münster
Thomas Mike Peters, telemedicus.info, Münster
Dr. Robin Meyer-Lucht, carta.info, Berlin
Markus Beckedahl, netzpolitik.org, Berlin
Als Unterzeichner (in alphabetischer Reihenfolge):
Anja Assion, telemedicus.info, Leipzig
Prof. Dr. Rainer Erd, Hochschule Darmstadt
Thorsten Feldmann LL.M., JBB Rechtsanwälte, Berlin
Dr. Tobias Gostomzyk, Rechtsanwalt, Hannover
Thomas Gramespacher, Rechtsanwalt, Bonn
Prof. Dr. Lars Harden, Fachhochschule Osnabrück
Daniel Heymann LL.M., Rechtsanwalt, Leipzig
Prof. Dr. Thomas Hoeren, Universität Münster
Jan Kottmann LL.M., Rechtsanwalt, Berlin
Prof. Dr. Hans J. Kleinsteuber, Universität Hamburg
Dr. Till Kreutzer, Rechtsanwalt, Hamburg
Henning Krieg LL.M., Rechtsanwalt, Frankfurt am Main
Prof. Dr. Karl-Heinz Ladeur, Universität Hamburg
Prof. Dr. Volker Lilienthal, Universität Hamburg
Simon Möller, telemedicus.info, Leipzig
Christiane Müller, telemedicus.info, Münster
Prof. Dr. Irene Neverla, Universität Hamburg
Steffen Pruggmayer, Rechtsanwalt, Leipzig
Prof. Dr. Peter Raue, Rechtsanwalt, Berlin
Thomas Schwenke, Rechtsanwalt, Berlin
Thomas Stadler, Rechtsanwalt, Freising
Prof. Dr. Jürgen Taeger, Universität Oldenburg
Klaudia Wick, Journalistin, Berlin
Der Brief wurde zugleich auch von Telemedicus und Netzpolitik veröffentlicht. Er kann hier mitgezeichnet werden.