von Christian Humborg, 14.7.09
Seit den letzten Wochen geistern die Namen verschiedener Fernsehgrößen durch die Gazetten, die durch Nebentätigkeiten ordentliche Summen verdient haben sollen. In diesem Blog war die Debatte mitinitiiert worden.
Wer Journalisten mit anderen Berufsgruppen vergleichen will, sollte sie lieber mit Beamten als mit Abgeordneten vergleichen, zumindest diejenigen, die bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten beschäftigt sind. Denn diese seien als sogenannte „Amtsträger“ anzusehen, da ihr Arbeitgeber zu den „sonstigen Stellen der öffentlichen Verwaltung“ zählen würde, urteilte das Landgericht Frankfurt am Main in der Causa Emig – allerdings ist das Urteil in Revision. Andere Amtsträger sind z.B. Professoren, bei denen es auch immer wieder Debatten um Nebentätigkeiten gibt. Richter sind laut Grundgesetz eine eigene Berufsgruppe mit ihren eigenen Nebentätigkeiten-Skandälchen.
Bundesverfassungsgericht für Transparenz
Ein Vergleich mit den Abgeordneten bietet sich jedoch an, weil bei keiner anderen Berufsgruppe so intensiv über Regelungen und Veröffentlichungspflichten diskutiert wurde. Am Ende stand ein Gesetz, gegen das gleich geklagt wurde. Vor zwei Jahren, am 4. Juli 2007, entschied das Bundesverfassungsgericht, dass die Form der Veröffentlichung der Nebeneinkünfte der Bundestagsabgeordnete mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Auf der Website des Bundestages wird seitdem bei jedem Abgeordneten pro Beschäftigung oder Auftrag angegeben, in welche der drei Stufen (Stufe 1: 1.000 – 3.500 Euro; Stufe 2: 3.500 – 7.000 Euro; Stufe 3: über 7.000 Euro) er fällt.
Das Volk hat Anspruch zu wissen…
In juristischer Sprache wird im Verfassungsgerichtsurteil ausgeführt, warum die Angabe der Nebeneinkünfte der Abgeordneten wichtig sei: „Interessenverflechtungen und wirtschaftliche Abhängigkeiten der Abgeordneten sind für die Öffentlichkeit offensichtlich von erheblichem Interesse […] Das Volk hat Anspruch darauf zu wissen, von wem – und in welcher Größenordnung – seine Vertreter Geld oder geldwerte Leistungen entgegennehmen“ (Randnummer 274).
Bei Journalisten gibt es die Gefahr einer wirtschaftlichen Abhängigkeit oder zumindest eines Glaubwürdigkeitsverlustes, wenn öffentlich-rechtlich beschäftigte Journalisten ihre öffentliche Reputation einsetzen, um privatwirtschaftliche Einnahmen zu erzielen. Hinzu kann ein Gewöhnungseffekt kommen, wenn kommerzialisierte Persönlichkeiten dauerhaft durch Nebentätigkeiten Einnahmen generieren. Laut §10, Rundfunkstaatsvertrag gelten für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, dass „Berichterstattung und Informationssendungen unabhängig und sachlich sein“ müssen.
Im Abspann die Nebentätigkeiten
Der Dienstherr der öffentlich-rechtlich beschäftigten Journalisten ist dafür verantwortlich, dass relevante Interessenkonflikte erst gar nicht entstehen. Dazu hat der festangestellte Journalist die Pflicht, seine Nebentätigkeiten genehmigen zu lassen. Offensichtlich war man hier über Jahre viel zu lax. Fingerspitzengefühl haben die Verantwortlichen meines Erachtens dabei nicht bewiesen.
Eine schöne Ergänzung zur Genehmigung wäre, bei der Abmoderation der Tagesthemen liefe unten ein Band mit dem Text: Der Moderator hat in den letzten zwölf Monaten von folgenden Unternehmen und Organisationen Nebeneinkünfte von mehr als 1.000 Euro erhalten: …
Unabhängigkeit als Marktvorteil?
Für privat beschäftigte Journalisten gelten die Überlegungen wohl kaum. Hier wird voll auf den Wettbewerb vertraut, der dem Medienkonsumenten unterstellt, „Unabhängigkeit“ als ein Kriterium der Zeitungs- bzw. Senderwahl zu würdigen. Der RTL-Nachrichtenchef macht für sich geltend, nicht gegen Geld auf Veranstaltungen von Wirtschaftsunternehmen aufzutreten. Das würde Pluspunkte auf das Unabhängigkeitskonto von RTL einzahlen.
Das Outsourcing der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in Produktionsfirmen oder in freie Beschäftigungsverhältnisse führt natürlich dazu, dass diese nicht mehr den selben Regelungen zur Genehmigung von Nebentätigkeiten unterliegen, wie es die Moderatorin des Magazins ZAPP beschreibt, das weitere Fakten zu diesem Thema ans Licht gebracht hat. Aber wäre man hier nicht in der Lage, über die Produktions- oder Moderationsverträge Abhilfe zu schaffen? Sicherlich, wenn der Wille da wäre.
Nebeneinnahmen von Landtagsabgeordneten weiter intransparent
Was öffentlich-rechtlich beschäftigte Journalisten, die weiterhin im Nebenberuf als Präsentieronkels und –tanten ein Zubrot erlangen wollen, beruhigen kann: Die Abgeordneten in den 16 Bundesländern scheren sich recht wenig um die schwache Transparenz, die immerhin auf Bundesebene erreicht wurde. In keinem einzigen Bundesland werden bisher die Einkünfte der Abgeordneten, die sie zusätzlich zu den Diäten erhalten, veröffentlicht wie es der Bundestag tut. Und dabei ist die Bundestagsregelung kaum mehr als eine Minimallösung.