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NDR-Rundfunkrat will Tagesschau.de im Drei-Stufen-Test durchwinken

von , 11.2.10

Nach Informationen von Carta will der NDR-Rundfunkrat Tagesschau.de im derzeit laufenden Drei-Stufen-Test genau so genehmigen, wie von den Intendanten der ARD gewünscht. Dies geht aus einem Papier des NDR-Rundfunkrates hervor, das Carta vorliegt. Demnach soll Tagesschau.de den Test ohne Einschränkungen bestehen. Tagesschau.de soll als “nichtsendungsbezogenes Telemedium” genehmigt werden, womit zahlreiche Einschränkungen des Rundfunkstaatsvertags nicht gelten sollen.

Zukünftig soll nach Vorstellung des NDR-Rundfunkrates unter anderem gelten:

  • Tagesschau.de ist ein eigenständiges Angebot, das ohne Verweis auf konkrete Sendungsbegleitung im Internet alles anbieten darf.
  • Tageschau.de ist ein in seiner Gesamtheit “multimediales Angebot”. Es muss daher nicht darauf geachtet werden, ob einzelne Angebotsteile ihren Schwerpunkt in Texten setzen und damit als “presseähnliche Angebote” laut Staatsvertrag eigentlich nicht zulässig sind.
  • Die staatsvertragliche Sieben-Tage-Verweildauer für Sendungsinhalte wird weitgehend aufgehoben: Tagesschau-Beiträge können für ein Jahr im Netz stehen und aus aktuellem Anlass jederzeit wieder eingestellt werden. Das Archiv der 20-Uhr-Tagesschau steht unbegrenzt im Netz.
  • Der Jahresetat von Tagesschau.de steigt innerhalb von vier Jahren um 50 Prozent von 4,1 auf 6,1 Millionen Euro.
  • Tagesschau.de kann ohne weitere Prüfung neue Elemente zu seinem Angebot hinzufügen. Eine Grenze für einen weiteren Ausbau der Website wird nicht benannt.
  • Die Angebote von Tagesschau.de können ohne weitere Prüfung auf allen technischen Verbreitungswegen zugänglich gemacht werden.
  • Tagesschau.de bietet dem Gutachten zufolge einen qualitativen publizistischen Beitrag, der sich von allen andern Online-Angeboten unterscheidet. Ein gesonderter Nachweis dieser Feststellung durch den Rundfunkrat ist nicht erforderlich.

Bei dem Papier des NDR-Rundfunkrates handelt es sich um eine “Mitentscheidungsvorlage” für die anderen ARD-Rundfunkräte, die bei Gemeinschaftsangeboten mitentscheiden müssen. Die Drei-Stufen-Tests müssen bis Ende August abgeschlossen werden.

Ein Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte & Touche im Auftrag des Rundfunkrates kommt zu dem Ergebnis, dass bei einer hypothetischen Einstellung von Tagesschau.de die Werbeeinnahmen der kommerziellen Online-Nachrichtenanbieter lediglich um 3,9 Prozent steigen würden. Der Rundfunkrat betont, er habe “keinen einzigen konkreten Hinweis auf tatsächliche Beeinträchtigung” von Wettbewerbern finden können.

Der 12. Rundfunkstaatsvertrag erweist sich nun in den Verfahren offenbar als sehr interpretationsfähige Grundlage. Die Rundfunkräte folgen dabei mit wenigen Ausnahmen den Rechtsaufassungen der Intendanten. Damit wird der im Gesetz fixierte Kompromiss in der Umsetzung durch die hausinterne Aufsicht nun deutlich zugunsten der Anstalten verschoben.

Der NRW-Medienminister Andreas Krautscheid hat den Drei-Stufen-Test (den er jetzt selbst für das ZDF durchführt) einmal als Lackmustest für öffentlich-rechtliche Glaubwürdigkeit bezeichnet. Im Kern geht es bei diesem Verfahren auch darum, ob es den Rundfunkgremien gelingt, eine strenge Subventionsaufsicht über die eigenen Online-Angebote auszuüben. Mit der Vorlage des NDR-Rundfunkrats sind die Zweifel, ob einer internen Aufsicht dieser Kraftakt gelingen kann, größer geworden.

Voraussichtlich am 2. März um 17 Uhr veranstaltet Carta in Berlin eine Diskussion zum Tagesschau.de Drei-Stufen-Test mit Dagmar Gräfin Kerssenbrock (NDR Rundfunkrat), Wolfgang Blau (Zeit Online) und Christoph Keese (Axel Springer Verlag). Mehr dazu in Kürze.

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