#Energiepolitik

Nachhaltig investieren? Nicht in der Krise!

von , 25.2.09


Die Gestaltung von Konjunkturprogrammen zur Bekämpfung der weltweiten Wirtschaft- und Finanzkrise prägen die politischen Diskurse in diesen Tagen wie kaum ein anderes Thema. Auch in Brüssel werden Maßnahmen diskutiert, mit denen ein gesamteuropäisches Programm und eine bessere Koordination der nationalen Projekte gewährleistet werden kann. Die EU-Kommission hatte hierzu im November 2008 einen Plan vorgelegt, der in erster Linie auf eine Steuerung der nationalen Hilfspakete abzielte. Ein eigenes Investitionsprogramm wurde angekündigt, allerdings nur in seinen Grundzügen veröffentlicht. Die Staats- und Regierungschefs hatten dies auf ihrem Gipfel im Dezember noch ausdrücklich begrüßt.

Ende Januar wurden nun die Details des „EU Recovery Plan“ sowie die Finanzierungsmethode für das vergleichsweise kleine Paket im Umfang von 5 Milliarden Euro veröffentlicht. Die Kommission möchte nicht abgerufene Mittel aus dem EU-Haushalt des Jahres 2008 umwidmen und einen Anteil von 3,5 Milliarden Euro für Investitionen im Bereich der Energieinfrastruktur verwenden, anstatt die gesamte Summe, wie bisher üblich, in die nationalen Haushalte zurückfließen zu lassen. 1,75 Milliarden Euro sollen in Strom- und Gasverbindungsleitungen investiert werden, 1,25 Milliarden Euro stehen für die Entwicklung von Kohlenstoffabscheidung und -speicherung in Kraftwerken und Industrieanlagen bereit und 500 Millionen Euro könnten für die Weiterentwicklung der Offshore-Windanlagen vor den Küsten Europas ausgegeben werden.

Nun bahnte sich ein Schauspiel an, das wieder einmal vor Augen führt, wie weit Anspruch und Wirklichkeit in Europas Hauptstädten voneinander entfernt liegen. Kurz nach Veröffentlichung der Einzelheiten des Programms begannen die Regierungen zunächst einzelne Finanzierungsprojekte zu kritisieren, um schließlich die rechtliche Möglichkeit der Umwidmung der Mittel aus anderen Budgetposten in das Investitionsprogramm grundsätzlich in Frage zu stellen. Sicherlich ist es unbestritten notwendig, die juristischen Fragezeichen hinter der Umdeklarierung von Finanzmitteln auszuräumen. Nichtsdestotrotz muss mit Blick auf den Ablauf der Ereignisse hinterfragt werden, ob es nicht vielmehr der mangelnde politische Wille als rechtliche Bedenken sind, die das Projekt nun aushebeln wollen.

Aus deutschen Ministerien wurde verlautbar, man solle das Geld nicht in langfristige Maßnahmen investieren, die keine Lösung für die aktuelle Wirtschaftskrise darstellen. „Geografisch und sektoriell unausgewogen“ lautete der Kommentar aus Österreich. Italienische Diplomaten sorgten sich um die später möglicherweise ausbleibenden Mittel für die Landwirtschaft. Frankreich beklagte, man bekomme möglicherweise weniger zurück, als man vorher in den Haushalt gesteckt habe. Allesamt Argumente, die aus den komplizierten EU-Budgetverhandlungen bereits landläufig bekannt sind. Deutschlands neuer Energieminister von Guttenberg fasste auf der Ministerratssitzung am 19. Februar schließlich zusammen, dass allgemein „Skepsis“ gegenüber dem Programm spürbar sei.

Genau an diesem Punkt muss nun jedoch die Frage erlaubt sein, ob das energie- und klimapolitische Programm Europas langfristig eher den Charakter einer Publicity-Kampagne entwickelt oder am Ende doch in eine Umstrukturierung der europäischen Energiemärkte münden wird?

Der Gasstreit zwischen der Ukraine und Russland hatte Europa zu Beginn des Jahres vor Augen geführt, dass eklatante Infrastrukturlücken dafür verantwortlich waren, dass Ausgleichslieferungen, abseits des politischen Willens, rein physikalisch derzeit nicht zu gewährleisten sind. Der verursachte volkswirtschaftliche Schaden ging dabei in die Milliarden. Ein gutes Argument also, um in die maroden Gasnetze zu investieren.

Ähnlich verhält es sich mit dem Klimaschutz. Sollte die Förderung erneuerbarer Energien ernst gemeint sein und hofft man, dass im Jahr 2020 Kohle weiterhin über Abscheidung und Verpressung des CO2 nutzbar ist, so bedarf dies einerseits massiver Investitionen in Technologieförderung, andererseits aber auch in den Ausbau der Stromnetze. Durch die Verschiebung der Erzeugungsinfrastruktur (Wind im Norden, Sonne im Süden, statt Atom und Kohle punktuell verteilt) muss sich die Transportinfrastuktur fundamental verändern. Soll mit dem erzeugten Strom effizienter umgegangen werden, so muss in neue und bessere Netze investiert werden, um ein intelligenteres Management zu entwickeln und die hohen Verluste beim Transport zu minimieren. Beide Seiten, die Sicherheitsdimension bei Strom und Gas ebenso wie der Klimaschutz, erfordern in den kommenden Jahren grundlegende Netzumgestaltungen und -verbesserungen. Dass diese nicht mehr rein national vollzogen werden kann, erschließt sich aus der Entwicklung eines europäischen Marktes für Strom und Gas und der zugegebenermaßen langsam verlaufenden Netzintegration der Mitgliedstaaten.

Nun bieten sich für dieses Problem genau zwei Lösungsalternativen: Entweder die Politik verpflichtet die Energieversorger zu diesen Investitionen, indem Netzentwicklungspläne von Regulierungsbehörden abgenommen werden und die Rechtsbindung dieser Pläne ersichtlich wird, oder die Regierungen nehmen die Verantwortung selbst in die Hand und investieren. Dies würde mit der Aussicht auf langfristig sinkende Kosten durch effizienteres Netzmanagement und die Schaffung neuer Arbeitsplätze einhergehen. Da insbesondere Deutschland und Frankreich die Verhandlungen zu einer stärkeren Verpflichtung der Energieversorger im Rahmen des Dritten Binnenmarktpakets für den Strom- und Gasmarkt blockieren, scheint derzeit ein eigenes finanzielles Engagement in diesem Sektor unumgänglich. Bleibt es aus, werden die energie- und klimapolitischen Ziele der Europäischen Union für das Jahr 2020 kaum zu erreichen sein.

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