#Bundeswirtschaftsministerium

Musikindustrie: Bilanz eines Abstiegs

von , 12.5.09


Es war eine merkwürdig verdrukste Stimmung, die auf dem Branchenhearing Musikwirtschaft des Bundeswirtschaftsministeriums vor einer Woche herrschte: Das aufgeräumt-selbstbewusst-modernistische Ambiente des Berliner Radialsystems wollte so gar nicht zu einer Branche passen, die offensichtlich mit sich und ihrer Zukunft nicht im Reinen ist.

Im Rahmen ihrer Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft wollte das Bundeswirtschaftsministerium wissen, wie es ihr denn so geht, der Musikindustrie? Und wie ihr der Staat möglicherweise helfen könnte? Geladen waren die großen Vertreter der Branche, Dieter Gorny, Frank Briegmann oder Marek Lieberberg, aber auch die Vertreter kleinerer Labels und Vertriebe. Allen Teilnehmern gemeinsam war eine gewisse Survivor-Attitüde: Man kennt sich aus besseren Zeiten.

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Aufgeräumtes Ambiente: Innovationsversagen oder doch Systemkrise?

Die Musikindustrie beklagt das “digitale Problem”, aber sie kann zugleich selbst kaum fassen, dass sie es selbst nicht in den Griff bekommt. Man fühlt sich halb als Opfer einer technologischen Entwicklung, halb gibt man innerlich zu, wie verstockt man an den alten Geschäftsmodellen festhält. Die Kreativität dieser Kreativbranche reicht augenscheinlich bislang kaum aus, um sich mit dem Netz zu arrangieren. Ein bisschen fassungslos über sich selbst ist die Branche da schon: Eigenes Innovationsversagen?

Oder doch Systemkrise? “Ohne Schutz des geistigen Eigentums gibt es keine Kreativindustrie”, dröhnt Dieter Gorny in seiner Keynote. Er weiß selbst, dass dies viel zu verkürzt ist. Es braucht kein Geld, damit gute Musik entsteht, wie später ausgerechnet ein Rechtsanwalt die Branche erinnern muss. Es gibt kaum Forderungen an diesem Tag, hinter die sich alle stellen mögen. Nicht untypisch bei Branchenhearings. Doch hier ist es besonders spürbar.

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Dieter Gorny: Alle sind an diesem Tag für "mehr Urheberrecht"

Alle sind an diesem Tag für “mehr Urheberrecht”, aber alle spüren auch, dass sie sich ändern müssen. Nur wie beides passieren soll, das bleibt unklar. Dieter Gorny sagt später, es gehe um den Prozess: “Das Internet muss ein geschäftsfähiges Medium werden.” Doch wie kommt man dahin: Einige, selbst aus dem Independent-Bereich, liebäugeln mit Olivenne-Sperren. Andere sagen ganz deutlich, dass sie keine Lust auf Kriminalisierung haben.

Ausgerechnet die Musikindustrie: Ausgerechnet eine Branche, die über Jahrzehnte das Aufbegehren verkauft hat — sie hadert nun damit, nicht mehr zu technologischen Avantgarde zu gehören und den Staat anzurufen. Sie wäre so gerne die glanzvolle, postindustrielle Zukunftsindustrie. Doch an diesem Tag ist die Musikindustrie “Leitbranche für die Kreativindustrie” nur beim Thema Ratlosigkeit über die Digitalisierung.

Immerhin zieht das Hearing eine Bilanz über den Abstieg der Musikbranche in den vergangenen fünfzehn Jahren. Wolfgang Adlwarth von der Gesellschaft für Konsumforschung stellt einige Zahlen vor:

  • In den letzten dreizehn Jahren ging der Branchenumsatz um 40 Prozent zurück.
  • In der Gruppe der 20- bis 39-Jährigen hat sich der Tonträger-Umsatz in den letzten zehn Jahren mehr als halbiert.
  • Je jünger die Nutzer, desto höher der Anteil der Nutzer illegaler Download-Quellen.
  • Obwohl die Musik die gleiche Bedeutung und Nutzungshäufigkeit behalten hat, wird weniger gekauft.
  • Fast die Hälfte aller Tonträger wird heute von Personen über 50 Jahren gekauft.
  • Zwei Drittel der Einnahmen aus dem Musikmarkt stammen inzwischen aus Veranstaltungen.

Die Zahlen dokumentieren eindrucksvoll, wie sehr die Musikindustrie an ihren alten Medien und alten Geschäftsmodellen hängt. Die Online-Umsätze erreichen bis heute nur 8 Prozent des Branchenumsatzes.

Hier die Folien zu Wolfgang Adlwarths Vortrag auf dem Branchenhearing:

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