von Dirk Elsner, 28.2.14
Die Bitcoin-Börse Mt Gox hat sich selbst zerlegt und damit das gerade gewachsene Vertrauen in die Kryptowährung erschüttert (eine laufend aktualisierte Chronologie der Ereignisse gibt es hier bei egghat). Wie stark der Vertrauensverlust ist, muss sich noch zeigen. Was mich wundert ist, dass die Erklärungen des japanischen Handelsplatzes kaum angezweifelt werden und damit die Legende verbreitet wird, Mt Gox sei Opfer eines Hacker-Angriffs geworden. Die Intransparenz der Informationspolitik lässt auch andere Schlüsse zu.
Mt Gox hat seit Monaten, wenn nicht sogar seit Bestehen, die auf dieser Börse handelnden Kunden zu Muppets gemacht. Immer wieder wurden die Handelsteilnehmer beschwichtigt, dass man versuche, die technischen Probleme in den Griff zu bekommen. Vielleicht hat der Handelsplatz auch einfach immer mehr der bei ihr hinterlegten Kundenmittel für die “eigene Liquiditätsversorgung” verwendet.
Gestern Morgen, so schrieb das Wall Street Journal
“war die Webseite plötzlich verschwunden. Das wurde als neue Stufe in der Bitcoin-Krise gesehen, die am Image der virtuellen Währung nagt. Online verbreiteten sich am Dienstag Dokumente, die belegen sollen, dass fast 750.000 Bitcoin von der Börse gestohlen worden seien. Das würde rund sechs Prozent aller Bitcoins entsprechen und einem Wert von etwa 365 Millionen US-Dollar, auch wenn dieser aufgrund der Preisschwankungen schwer zu beziffern ist.”
Ich habe nicht verstanden, wie Mt Gox den Handel auf der Plattform organisiert hat und ob man Kundengelder (Bitcoins und jeweilige Landeswährungen) sauber von eigenen Geldern getrennt hat, wie das gut organisierte Börsen machen. Ich glaube, man hat das in Japan nicht gemacht. Und man hat nicht einmal die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung beachtet, sonst hätten die angeblich doppelt abgehobenen Bitcoins sofort auffallen müssen. Dazu macht man eine einfache Kontoabstimmung: Einzahlungen – Auszahlungen ergeben nämlich den Bestand: Und wenn dieser rechnerische Bestand nicht mit der Bestandssumme auf allen Kundenkonten übereinstimmt, dann ist etwas faul.
Andere Bitcoin-Handelsplattformen versuchen ihre Anleger in einer gemeinsamen Erklärung nun zu beruhigen und distanzierten sich vom japanischen Handelsplatz. „Die tragische Verletzung des Vertrauens der Nutzer von Mt. Gox ist auf die Handlungen eines Unternehmens zurückzuführen“, zitiert das Handelsblatt aus einer gemeinsamen Erklärung von Coinbase, Kraken, BitStamp, Circle und BTC China. Dies habe aber nichts mit der Widerstandsfähigkeit oder dem Wert der Währung zu tun. „Wie bei jeder neuen Industrie gibt es schwarze Schafe, die aussortiert werden, und das ist es, was wir heute sehen.“
Das ist nicht nur dünn, das ist gar nichts und taugt nicht dazu, das Vertrauen in die anderen Handelsplätze zu erhöhen. Sie müssen jetzt dringend darstellen, wie sie die „Widerstandsfähigkeit“ erhöhen wollen. Dazu müssen sie veröffentlichen, wie sie operativ den Handel organisieren und vor allem, wie sie Kundenmittel von eigenen Mitteln (auch juristisch) trennen.
Der deutsche Bitcoin-Handelsplatz Bitcoin.de (betrieben von der ostwestfälischen Bitcoin Deutschland AG) versucht immerhin durch einen Verweis auf die doppelte Buchführung zu versichern, dass ein “Fehler” wie bei Mt Gox dort nicht ausgenutzt werden kann. Außerdem will sie das Vorhandensein der Bitcoin-Kundeneinlagen von einer unabhängigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft bestätigen lassen. Das geht in die richtige Richtung. Ich habe aber gestern Abend keine Information darüber gefunden, ob die Kundeneinlagen insolvenzsicher getrennt von der eigenen Buchhaltung sind*.
Ich hatte in meiner Analyse der Preisspannen der Bitcoin-Märkte vor einigen Wochen auf das Kreditrisiko, also das Ausfallrisiko der Handelsplätze, hingewiesen:
“Wichtig ist noch zu wissen, dass im Vergleich zu den Börsen und Handelsplätzen der klassischen Finanzwelt die Bitcoin-Börsen keiner Regulierung unterliegen. … Die Handelsplätze sind nicht reguliert und unterliegen keiner Einlagensicherung. Daher haben diejenigen, die über die Marktplätze handeln und dort ihre Guthaben hinterlegen (und damit faktisch Mt. Gox entweder Bitcoin oder ihre eigene Währung leihen) immer auch ein Kreditrisiko für ihre Bitcoins bzw. ihre eigene Währung. Das Geld wird nämlich auf eine Bitcoin-Adresse des Marktplatzes überwiesen. Mir ist hier leider nicht bekannt, ob es hier bereits Treuhänderlösungen gibt, die die Kundenguthaben schützen durch Trennung von eigenen Guthaben. Im Klartext bedeutet dies, geht der Betreiber eines Handelsplatzes in die Insolvenz, dann ist der Zugriff auf die Guthaben nicht möglich.”
Die Bitcoin-Avantgarde war immer stolz auf die Unabhängigkeit von staatlichen Institutionen. Jetzt wird genau danach gerufen. Und noch stolzer war man darauf, sich vom Establishment der Finanzwelt zu unterscheiden. Nun könnte dies vielleicht die Rettung des ambitionierten Experiments sein. Während des Mt Gox Desasters kündigte nach Information der New York Times eine New Yorker Firma an, mit großen Banken einen professionellen Handelsplatz für die virtuelle Währung aufziehen zu wollen. Hinter dieser Börse verbirgt sich Secondmarket, die ältere Leser dieses Blogs noch kennen durch den außerbörslichen Handel von Facebook und Twitter-Anteilen. Allerdings garantiert die Zusammenarbeit mit Finanzprofis nicht zwingend, dass Kundengelder unangetastet bleiben. Ich erinnere nur an den Fall MF Global. Hier waren 1,6 Mrd. US-Dollar Kundengelder ”verschwunden”. Die Bank hatte Kundengelder für eigene Spekulationen eingesetzt.
Unterdessen versucht Mt Gox seine Kunden auch in den letzten Zuckungen zu Muppets zu machen. Auf seiner Webseite teilte die “Börse” in einem dünnen Statement mit, dass “angesichts aktueller Berichte und möglicher Auswirkungen auf den Betrieb von Mt. Gox und den Markt”, die Entscheidung getroffen wurde, vorerst sämtliche Transaktionen einzustellen. Dies sei notwendig, um “die Seite und unsere Nutzer zu schützen.” Die Situation werde genau beobachtet und das Unternehmen werde “entsprechend reagieren.”
Das Mt Gox-Desaster ändert übrigens nichts an meiner Faszination des Bitcoin-Konzepts, bestätigt aber erneut meine Ansicht, warum ich Bitcoin nicht dem kommerziellen Handel empfehlen würde.
* Man beachte aber die Hinweise im Impressum der Bitcoin Deutschland AG. Dort steht:
“Die Bitcoin Deutschland AG ist im Rahmen der Vermittlung von Bitcoins zum Kauf oder Verkauf (Anlage- und Abschlussvermittlung gem § 1 Abs. 1a Satz 2 Ziff 1 und 2 KWG) als „vertraglich gebundener Vermittler“ der FIDOR BANK AG, München (fortan: „FIDOR“) im Sinne des § 2 Abs. 10 des Kreditwesengesetzes (KWG) tätig. Die FIDOR Bank AG übernimmt die Haftung für diese Vermittlungstätigkeit und hat die Bitcoin Deutschland AG dafür im Register der vertraglich gebundenen Vermittler bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) unter der Nummer 80117952 eingetragen.
Die FIDOR Bank AG haftet ausdrücklich nicht für Aktivitäten, Angebote, Dienstleistungen und sonstige Produkte außerhalb der Anlagen- und Abschlussvermittlung von Bitcoins.”
Für eine Übersetzung und Würdigung dieser Formulierung war es mir aber gestern Abend zu spät.
Mehr zu Bitcoin gibt hier im Blog auf der Seite Bitcoin und Co.
Crosspost von Blick Log