#ESM

Merkels Schicksalssommer

von , 2.8.12

Wenn die Zeichen nicht trügen, strebt die Eurokrise ihrem existenziellen, schicksalhaften Höhepunkt entgegen. In den nächsten Wochen und Monaten geht es um Alles oder Nichts, die Zeit der zaudernden kleinen Schritte ist vorbei.

Schicksalhaft nicht nur für die Südlander Europas, sondern für ganz Europa, auch für Deutschland, auch für Angela Merkel. Wird der Euro mit einer gigantischen Anstrengung, mit der “Bazooka” gerettet, oder zerfällt die Eurozone und damit auch die EU?

Gegen die “Bazooka”, die Banklizenz für den ESM und die Chance unbegrenzter Geldschöpfung bei der EZB, gibt es gute und gewichtige Argumente. Eine demokratisch nicht legitimierte Institution erhielte das Recht, die Risiken und die Haftung Deutschlands unbegrenzt zu vergrößern. Die Inflationsgefahr würde steigen. Und die Sparanstrengungen in den Krisenländern würden möglicherweise gestoppt. Warum noch sparen, wenn der ESM unbegrenzt Staatsanleihen aufkauft?

Das ist die eine Seite der Medaille. Die andere ist, dass alle bisherigen Rettungschirme und Einzelschritte nichts gebracht haben. Griechenland steht unmittelbar vor der Staatspleite, Spanien kann sich schon bald nicht mehr auf den Kapitalmärkten finanzieren. Dasselbe droht Italien. Und dafür gibt es nach den bisherigen Abmachungen kein dauerhaft wirksames Gegenmittel.

Der Eurozone und damit ganz Europa droht in den nächsten Wochen und Monaten der Zerfall. Dagegen helfen weder Fiskalpakt noch Bankenunion. Die Spekulanten geben erst auf, wenn sie wissen, dass sie keine Chancen mehr haben. Dass sie weniger Geld haben als die anderen. Und das wäre beim Einsatz der “Bazooka”.

Man möchte nicht in der Haut von Angela Merkel stecken, sich zwischen diesem Skylla und Charybdis, zwischen Pest und Cholera entscheiden zu müssen. Wird sie zur Totengräberin (oder Sterbehelferin) Europas, indem sie die “Bazooka”-Pläne verhindert, oder zur Kanzlerin, die Deutschlands Stabilität geopfert hat und zur Totengräberin ihrer Regierungskoalition?

Ein Mittelweg scheint nicht in Sicht. Die Zeit des Durchwurstelns ist vorbei. Stimmt sie den Plänen von Hollande, Monti, Rajoy und Juncker zu, dann verliert sie im Bundestag die Mehrheit, ihre schwarz-gelbe Regierung wäre am Ende. Zudem drohten neue Verfassungsklagen. Noch ist nicht einmal der ESM-Vertrag ratifiziert.

Jeder Kanzler stand während seiner Amtszeit vor einer politisch-existenziellen Herausforderung. Helmut Schmidt mit dem Nato-Doppelbeschluss, Helmut Kohl mit der Wiedervereinigung, Gerhard Schröder mit der Agenda 2010. Merkels Herausforderung ist die Euro-Krise. Sie steht an der entscheidenden Weggabelung ihrer Amtszeit. Dieser Sommer und Herbst entscheiden auch über Merkels Kanzlerschaft.
 
Crosspost von Sprengsatz
 

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