von Wolfgang Michal, 27.10.13
Am 14. Juli sagte Angela Merkel im Sommerinterview der ARD: “Mir ist nicht bekannt, dass ich abgehört wurde.” Und fast im gleichen Atemzug richtete sie die Erwartung an die USA, dass man sich in Zukunft „auf deutschem Boden an deutsches Recht hält”.
Vier Wochen zuvor, am 16. Juni, hatte Innenminister Friedrich versichert: “Ich habe keinen Grund, daran zu zweifeln, dass sich die USA an Recht und Gesetz halten”.
In der Zwischenzeit muss etwas passiert sein. Denn ein kleines Detail in der #MerkelPhone-Affäre macht stutzig. Im Juli 2013 wurde das Handy der Kanzlerin überraschend ausgewechselt. Hatte sie ihre gefürchteten SMS bis dahin mit dem gängigen Nokia verschickt, tat sie es nun mit einem speziellen Blackberry. Irgendjemand muss ihr geraten haben, das Telefon zu wechseln. Die Welt mit ihren guten Verbindungen zu „Sicherheitskreisen“ weiß das „aus Sicherheitskreisen“:
„Der US-Geheimdienst NSA hat offenbar nur das alte Handy von Bundeskanzlerin Angela Merkel abgehört. Nach Informationen der ‚Welt’ aus Sicherheitskreisen konnten die Amerikaner lediglich das Nokia knacken, nicht aber das aktuelle Smartphone der Kanzlerin. Sie benutzt seit Juli 2013 (!!) eine abgewandelte Version des Blackberry Z10, für das die Düsseldorfer Firma Secusmart die Technik liefert…“
Das Nokia-Handy nutzte die Kanzlerin also laut Welt von Oktober 2009 bis Juli 2013 – wie Tausende andere Regierungsmitarbeiter auch. Die nutzten ihr Handy aber bis zum Ende der Legislaturperiode, bis Oktober 2013.
Daraus könnte man den Schluss ziehen, dass die für die Sicherheit Zuständigen bereits im Juli vom NSA-Spähangriff auf das #MerkelPhone wussten.
Vielleicht wollte man wegen des Wahlkampfs den großen Verbündeten nicht unnötig reizen. Niemand hätte voraussagen können, welche Rückwirkungen ein öffentlicher Protest in Washington gehabt hätte? (Es kann ja durchaus sein, dass die Kanzlerin aufgrund der abgefangenen Inhalte – wenn schon nicht erpressbar, so doch wenigstens blamierbar ist.)
Auslöser der öffentlichen Reaktion der Bundesregierung war nicht die Bundesregierung selbst, sondern eine Spiegel-Anfrage von letzter Woche. Sie enthielt wohl die entsprechenden Snowden-Unterlagen in Kopie. Die beiden WikiLeaks-erfahrenen Spiegel-Redakteure Holger Stark und Marcel Rosenbach arbeiteten diesmal mit der Snowden-Vertrauten Laura Poitras und dem Netzaktivisten Jacob Appelbaum zusammen. Glenn Greenwalds Lebensgefährte David Miranda war ebenfalls in Berlin gewesen. Die Hauptstadt-Journalisten hatten also Beweise vorliegen – und brachten damit die Regierung in Zugzwang.
„Nach einer Überprüfung durch den Bundesnachrichtendienst und das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik“, so der Spiegel, „hielt die Regierung den Verdacht offenbar für ausreichend plausibel, um die US-Regierung damit zu konfrontieren.“
Das ist eine nette Umschreibung dafür, dass die Bundesregierung die Sache nicht mehr länger vertuschen konnte. Bleibt die Frage: Warum – und mit welcher Begründung – das Kanzlerinnen-Handy im Juli plötzlich ausgewechselt wurde.
Siehe auch Frank Lübberding: Wer ist für das Handy der Bundeskanzlerin verantwortlich?