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KommPol 2014 · Medienpolitische Herausforderungen in Deutschland

von , 4.2.14

1997 hat die Bundesrepublik mit dem Mediendienstestaatsvertrag und dem Informations- und Kommunikationsdienstegesetz begonnen, einen Regulierungsrahmen für die neuen digitalen Medien zu schaffen.

Diese ersten Gesetze standen noch klar in einer Tradition von Medienpolitik, in der zwischen „Medien“ unter der Regulierungshoheit der 16 Bundesländer und „Telekommunikation“ als Bundesdomäne differenziert wurde, und deren Grundprinzipien mehr oder weniger direkt aus der Presse-, Rundfunk- und Telekommunikationsgesetzgebung abgeleitet waren. Die Geschichte dieser Gesetze hat allerdings gezeigt, dass dieser Zugang nicht tragfähig war: Nach verschiedenen Anpassungen wurden sie 2007 außer Kraft gesetzt.

Seit ihrer Einführung waren ihr Regelungsbereich und die Zuständigkeiten von Bund und Ländern umstritten. Auch mehrmalige Änderungen konnten diese Probleme nicht befriedigend lösen. Spätestens seit Beginn der 2000er-Jahre zeigte sich schließlich auch, dass die fortschreitende Digitalisierung die nationale und internationale Kommunikationspolitik vor eine Fülle von Herausforderungen stellte, die nicht einfach mit zwei einfachen Gesetzen auf Bundes- und Länderebene zu bewältigen waren: Themen wie Internetkriminalität, Daten- und Jugendschutz oder Urheber- und Leistungsschutzrecht gingen über deren Regelungsbereiche weit hinaus.

Schließlich erreichten diese Themen in Deutschland spätestens seit den Diskussionen über Filesharing, Vorratsdatenspeicherung und Zugangserschwerungsgesetz eine breite Öffentlichkeit, und im vergangenen Jahr haben die Enthüllungen Edward Snowdens über die grenzenlose Überwachung der globalen digitalen Kommunikation durch die Geheimdienste der USA und ihnen befreundeter Staaten die negativen Seiten weltumspannender digitaler Kommunikation endgültig weit oben auf die politische Agenda gehoben.

 

Medienpolitik ist auch Netzpolitik

Parallel zu diesen Entwicklungen meldeten sich in den letzten Jahren unter anderem mit der Piratenpartei und themenspezifischen Lobbyverbänden wie BITKOM, der Digitalen Gesellschaft oder D64 neue Akteure zu Wort, die seither die öffentliche Auseinandersetzung und die politische Verhandlung dieser Herausforderungen begleiten und zunehmend auch mitgestalten. Unter dem Stichwort Netzpolitik hat sich in diesem Zusammenhang ein eigenständiger Politikbereich heraus­gebildet, in dem solche Diskussionen gebündelt werden.

Ein wichtiger Faktor war dabei die Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ des Deutschen Bundestages. Die dort verhandel­ten Problemstellungen verwiesen häufig auf grundlegende Fragen gesellschaftlicher Verhältnisse, die weit über einzelne politische Regulierungsvorhaben hinausgehen; etwa die Grenzziehungen zwischen Privatsphäre und Öffentlichkeit, die Möglichkeiten nationaler Regulierungspolitik in Zeiten globaler Kommunikation, das Verhältnis von Informationsfreiheit, Datenschutz und staatlicher Überwachung, oder den Konflikt zwischen gesellschaftlichen und ökonomischen Interessen, beispielsweise in Sachen Netzneutralität.

Der Deutsche Bundestag hat beschlossen, die Arbeit der Enquete-Kommission in einem ständigen Bundestagsausschuss „Internet und Digitale Agenda“ fortzusetzen.

Damit sind allerdings erst einmal nur Problemfelder benannt und auch nicht mehr als der politische Wille artikuliert, deren Bearbeitung in Zukunft mehr Aufmerksamkeit und Ressourcen zu widmen. Konkrete Lösungen sind bislang nicht implementiert. Denn die Politik steht vor der Herausforderung, ganz grundsätzlich zu klären, welche rechtlichen, ökonomischen und kulturellen Normen für den Umgang von Bürgern und Organisationen mit der Netzwerktechnologie und digitalen Daten gelten sollen.

 

Konvergenz und Regulierung

Dabei spielt mit Blick auf die fort­schreitende Entwicklung und Konvergenz der Medientechnik auch die Regulierung der technischen Infrastruktur selbst eine bedeutsame Rolle (Standardisierung, Zensurmechanismen etc.). Schließlich darf neben allen Problemen auch nicht die Diskussion darüber vergessen werden, wie sich die neuen technischen Möglichkeiten zur Unterstützung und Verbesserung demokratischer Prozesse und Institutionen einsetzen lassen, bzw. inwiefern sie dazu überhaupt eingesetzt werden sollten (E-Democracy, Open Government, Online-Voting etc.).

Um die Problemfelder und den gesellschaftlichen Umgang damit zu diskutieren, haben mehrere Fachgruppen der wissenschaftlichen Fachgesellschaften „Deutsche Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft“ (DGPUK) , „Deutsche Vereinigung für Politische Wissenschaft“ (DVPW) und „Schweizer Gesellschaft für Kommunikations- und Medienwissenschaft“ (SGKM) gemeinsam mit dem Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft vom 6. – 10. Februar in Berlin zu der Tagung KommPol 2014 eingeladen.

Unter dem Titel „Kommunikationspolitik und Medienregulierung für die digitale Gesellschaft“ werden in Vorträgen und Diskussionen die vielfältigen Herausforderungen des digitalen Medienwandels analysiert. Die aktuellen Entwicklungen im Bereich der Kommunikationspolitik und Medienregulierung sollen dabei mit empirischen und theoretischen Analysen konfrontiert werden, um den gesellschaftlichen Diskurs über die genannten Problemfelder um kommunikations- und politikwissenschaftliche Perspektiven zu bereichern. Herausgehoben sind drei wesentliche Komplexe:

 

1. Grundsätzliche Herausforderungen der Digitalisierung

Hier werden nicht politische Programme oder konkrete Regulierungen besprochen, sondern theoretische und begriffliche Probleme: Mit welchen Ausprägungen der Digitalisierung muss sich die heutige Kommunikationspolitik auseinandersetzen? Welche Aspekte des technischen Fortschritts, der Konvergenz der Medien und des Wandels der Mediennutzung setzen die bisherigen Regulierungsprinzipien unter Druck?

Inwiefern verändern sich die sozialen, politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen? Und inwieweit sind die Nutzerinnen und Nutzer davon betroffen?

 

2. Problemfelder der Kommunikations- und Medienpolitik in der digitalen Gesellschaft

In diesem Bereich werden die kommunikationspolitischen Konsequenzen der Digitalisierung thematisiert. Hier stellen sich Fragen zu der inhaltlichen, prozeduralen und strukturellen Dimension des politischen Umgangs mit ihren Herausforderungen: Wie lassen sich die Regeln der Vielfaltssicherung unter den veränderten Rahmenbedingungen neu fassen?

Welche Rolle spielen dabei die bisherigen Begründungsmuster für Aufsicht, Organisation und Finanzierung von Presse und Rundfunk? Sind sie auf Online-Medien übertrag­bar? Wie kann angemessen auf zukünftige Innovationen reagiert werden?

Welche alten und neuen Akteure, Interessen, Positionen, Argumente stehen sich in den entsprechenden Debatten und Gesetzgebungsprozessen gegenüber? Mit welchen Konzentrationsprozessen sieht sich die Kommunikationspolitik im digitalen Zeitalter konfrontiert, und wie sollte darauf reagiert werden?

 

3. Gesellschaftlicher Diskurs über Kommunikations- und Medienpolitik

In demokratischen Gesellschaften ist nicht zuletzt die öffentliche Debatte über politische Themen von Bedeutung für den politischen Prozess. Deshalb wird auch die öffentliche Ausei­nandersetzung um die kommunikationspolitischen Antworten auf den digitalen Medienwandel in den Blick genommen: Wie wird über die Herausforderungen der Digitalisierung und die entsprechenden medienpolitischen Gesetzesinitiativen berichtet und diskutiert?

Welche Sprecher treten auf, welche Argumente bringen sie vor? Wie wird die öffentliche Diskussion gerahmt und wie lässt sich dies erklären? Wie wird der Medienwandel durch die Bürgerinnen und Bürger wahrgenommen? Und welche Legitimität gestehen sie alten und neuen Akteuren sowie ihren Positionen zu?
 

Im Vorlauf der Tagung werden morgen und übermorgen zwei für Carta aufbereitete Texte als Schlaglichter vorab veröffentlicht: Corinne Schweizer mit „Wenn Zeitungen über Öffentlich-Rechtliche schreiben“ sowie Thomas N. Friemel und Mareike Dötsch zu „Spiegeln Onlinekommentare die öffentliche Meinung wider?“

Abstracts zu den einzelnen Vorträgen finden Sie im Tagungsprogramm.

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