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Liebe Blogger, wer publizieren will, der muss auch den Druck aushalten

von , 5.4.12

Blogger sollen sich nicht so anstellen, sagt der Kollege David Ziegelmayer in einem Beitrag für die LTO sinngemäß und meint, dass Blogger keine Narrenfreiheit hätten und dass derjenige, der publizieren will, den Abmahndruck, der auf ihm lastet, schlicht ertragen muss. Blogger müssen laut Ziegelmayer, wie Presseunternehmen auch, mit dem Druck berechtigter und unberechtigter äußerungsrechtlicher Ansprüche leben lernen.

Ziegelmayer erläutert seine Thesen am Beispiel des Forenbetreibers Mike Frison, der für sich das sog. Laienprivileg in Anspuch nimmt und diesbezüglich auch Verfassungsbeschwerde erhoben hat. Die Verfassungsbeschwerde von Frison mag unzulässig sein, die generelle Frage, ob ein Blogger wie ein Presseunternehmen haftet oder nicht, bleibt dennoch relevant.

Es geht m.E. aber hier nicht nur um die Frage nach dem Laienprivileg, sondern gerade auch darum, wie man die sog. Verbreiterhaftung fasst und definiert. BGH und Bundesverfassungsgericht differenzieren in ihrer Rechtsprechung zwischen der Verbreiterhaftung einerseits und dem Zueigenmachen fremder Meinungen und Tatsachen andererseits. Wenn die Presse fremden Äußerungen – selbst z.B. im Rahmen eines Interviews – nur verbreitet, dann führt das nicht per se zu einer Haftung. Nach der Rechtsprechung des BVerfG und des BGH muss das Presseorgan vielmehr zusätzlich Sorgfaltspflichten verletzt haben, wobei die Anforderungen insoweit nicht überspannt werden dürfen, um den vom Grundgesetz geschützten freien Kommunikationsprozess nicht einzuschnüren. Die Auferlegung uneingeschränkter Sorgfaltspflichten lehnt das BVerfG expressis verbis ab. In einer neueren Entscheidung des BVerfG heißt es wörtlich:

Dabei ist die Presse in weiterem Umfang als Private gehalten, Nachrichten und Behauptungen vor ihrer Weitergabe auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen (vgl.BVerfGE 12, 113 <130>; 85, 1 <22>; BVerfG, Beschluss vom 26. August 2003 – 1 BvR 2243/02NJW 2004, S. 589 <590>). Daraus folgt indes nicht, dass der Presse solche Sorgfaltspflichten uneingeschränkt abverlangt werden dürfen. Vielmehr sind die Fachgerichte gehalten, auch bei der Bemessung der Sorgfaltspflichten, die der Presse bei Verbreitung einer fremden Äußerung abzuverlangen sind, die Wahrheitspflicht nicht zu überspannen, um den von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten freien Kommunikationsprozess nicht einzuschnüren (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. August 2003 – 1 BvR 2243/02NJW 2004, S. 589).

Sowohl das Bundesverfassungsgericht als auch der BGH haben damit in sehr eindeutiger Art und Weise zum Ausdruck gebracht, dass auch in den Fällen einer (intellektuellen) Verbreitung fremder Meinungen und Tatsachen gerade keine uneingeschränkte Haftung des Verbreitenden besteht. Zudem hat das Verfassungsgericht deutlich gemacht, dass die Haftung Privater weniger weit reicht als die der Presse.

Die spannende Frage ist also zunächst die, ob ein Blogger als Privater betrachtet werden muss oder doch als Presseorgan. Dann müsste er konsequenterweise aber auch sämtliche Presseprivilegien genießen, die das Recht vorsieht. Ich tendiere dazu, zumindest den nicht kommerziellen Bloggern und Forenbetreibern nicht dieselben Sorgfaltspflichten aufzuerlegen wie der Presse.

Selbst für die Presse gilt aber nach der Rechtsprechung des BVerfG und des BGH, dass die Fachgerichte gehalten sind, bei der Bemessung der Sorgfaltspflichten, die bei der Verbreitung einer fremden Äußerung auferlegt werden, die Anforderungen an die Wahrheitspflicht nicht zu überspannen.

Die Instanzgerichte – speziell die in Hamburg und Köln – sind allerdings nicht annähernd so meinungsfreundlich wie es die Rechtsprechung aus Karlsruhe vorgibt. Das führt immer wieder dazu, dass Gerichte zur Unterlassung von Verhaltensweisen verurteilen, die manchmal mehr, manchmal weniger eindeutig zulässig sind.

In zwei Punkten möchte ich dem Beitrag Ziegelmayers außerdem widersprechen. Die Abgabe einer einfachen – also nicht strafbewehrten – Unterlassungserklärung beseitigt auch bei Forenbetreibern zumindest nach Ansicht einiger Gerichte die sog. Wiederholungsgefahr gerade nicht. Solange man keine strafbewehrte Unterlassungserkläung abgegeben hat, besteht also weiterhin die Gefahr einer einstweiligen Verfügung oder Unterlassungsklage.

Und auch die Ansicht, das Löschen bestimmter Einträge würde nur den Stolz kosten, vermag ich nicht zu teilen. Sobald unter den Bloggern eine allgemeine Stimmung dergestalt herrscht, dass man aus Angst vor erheblichen Kosten im Zweifel löscht, verschwinden auf diesem Weg eine ganze Menge an zulässigen Inhalten aus dem Netz. Und dieses Ergebnis führt dazu, dass der von Art. 5 GG geschützte Kommunikationsprozess eingeschnürt wird und damit genau zu den “Chilling Effects”, die nach der Rechtsprechung des BVerfG und des BGH zu vermeiden sind.

Crossposting von Internet Law

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