#GEZ

Was uns Kurt Beck zum Thema Rundfunkgebühren eigentlich sagen wollte

von , 3.11.09

In der vergangenen Woche wurde beschlossen, dass das, was früher als Schleichwerbung hieß, zukünftig als “Produktplatzierung” legal sein soll. Das haben Sie nicht mitbekommen? Nunja, so ist das in der Medienpolitik.

Medienpolitik wird von den Ministerpräsidenten auf ihren Jahrestreffen gemacht. Vorher gibt es selten breite Diskussionen und nachher sollen 16 Länderparlamente die Vereinbarung durchwinken, ohne zuvor signifikant beteiligt gewesen zu sein. In diesem Jahr ging es um die Produktplazierungen. Im nächsten Jahr wird es um das zukünftige Modell der Rundfunkgebühr gehen.

Wie so ein Jahrestreffen der Ministerpräsidenten abläuft, konnte man dieses Jahr erstmals auch im offiziellen Twitter-Account mitverfolgen:

Herr Öttinger ist da, Herr Koch testet Segway..

war etwa über das Rahmenprogramm zu erfahren. Oder auch:

Auszug aus dem Menü des Mittagessens mit Bundespräsidenten: Flusskrebsschwänze,Rehrücken mit Pfefferkruste u. Lavendeljus, Aprikosensorbet

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Kurt Beck auf der Ministerpräsidentenkonferenz: "Gebührenpotenziale sind erschöpft" (Foto: Reiner Voss/ rlp.de)

Auch neben Twitter wurde in Sachen Online-Präsenz nicht gekleckert. Erstmals wurde das Treffen der Ministerpräsidenten auch von einem Journalismus simulierenden Staatsinternetvideoteam ohne Namen begleitet. Mögen Andere noch über staatsferne Medien schwadronieren, die Ministerpräsidenten haben offenbar längst die eigene Lizenz zur Journalismusantäuschung.

Auch Ministerpräsidenten machen inzwischen augenscheinlich selbst gern eigene Medien und nutzen damit möglicherweise weniger intensiv öffentlich-rechtliche Programme. Die damit zusammenhängenden Fragen des Strukturwandels und der Legitimation einer vollen Rundfunkgebührenpflicht für das Internet wollen sie jedoch lieber vermeiden.

Daher soll ein neues Gebührenmodell her: Die Haushaltsabgabe. Damit wäre die Gebührenpflicht nicht mehr an irgendeine Form der Mediennutzung gekoppelt, sondern an, nunja, die Mitgliedschaft in der Gesellschaft.

Kurt Beck hat im Anschluss an das diesjährige Treffen der Ministerpräsidenten einige bemerkenswerte Sätze zur Rundfunkgebühr gesagt, die man der Pressemitteilung entnehmen kann. Hier der kurze Versuch einer Übersetzung:

Beck: “Die Möglichkeiten der Anstalten, Gebührenpotenziale zu erschließen, sind erschöpft. Die wirtschaftliche Krise hat zu weiteren Ausfällen geführt, die Befreiungsquote steigt.”

Carta-Übersetzungsservice: >>> Das Businessmodell Rundfunkanstalt ist in der Wachstumskrise. Weder die Rundfunkgebür noch die Zahl der Gebührenzahler lassen sich noch signifikant steigern. Im Gegenteil: Den Anstalten drohen Einnahmerückgänge, weil sich die Zahl der solventen Zahler verringern könnte.

Beck: “Gleichzeitig sinkt die Akzeptanz der Gebühr. Die Konvergenz wird tatsächlich erlebbar, d.h. immer mehr Geräte können auch Rundfunk empfangen, obwohl sie hauptsächlich einem anderen Zweck dienen. Bleibt alles wie es ist, rechnen wir bis 2020 mit bis zu einer Milliarde Euro Mindereinnahmen.”

>>> Die Rundfunkgebühr hat ein Computer- und Smartphone-Problem. Die Bürger finden es immer weniger akzeptabel, die volle Gebühr für Geräte zu entrichten, die bekanntlich in der Hauptsache anderen Zwecken als der Nutzung von öffentlich-rechtlichen Angeboten dienen. Bliebe es aber bei der verminderten Rundfunkgebühr für Computer und Smartphones, würden im Zuge des um sich greifenden Verzichts auf klassische TV-Geräte immer weniger Leute die volle Gebühr zahlen. Das würde eine Millionen von Euro pro Jahr an Mindereinnahmen bedeuten.

Kurt Beck will ein neues Gebührenmodell finden, das dafür sorgt, die Einnahmen der Rundfunkanstalten stabil zu halten, auch wenn ihre Inhalte immer weniger genutzt werden. Doch man kann sich fragen: Hat die Gebühr ein Akzeptanzproblem oder das System?

Beck erklärte weiter, bei den nun vorgestellten Modellen für eine Reform der Rundfunkgebühr handele es sich um “reine Referenz­modelle”, um die finanziellen Auswirkungen der politischen Entscheidungen berechnen zu können. Dabei bräuchten “wir” noch Zeit.

Dieses “wir” klingt nach weiterer Rechen- und Abstimmungsarbeit in seiner Staatskanzlei – nicht nach dem demokratischen “wir”. Wichtig ist dem Medienpolitiker Kurt Beck vor allem die verfassungsgemäße Ausgestaltung der neuen Gebühr. Deshalb wurde auch Paul Kirchhof mit einem entsprechenden Gutachten beauftragt. An eine flankierende wissenschaftliche Untersuchung zur Gebührenakzeptanz sowie eine breite gesellschaftliche Debatte über das richtige Gebührenmodell denkt Beck ganz offensichtlich nicht.

Dabei kann man wohl kaum über eine Ausweitung der Gebührenpflicht reden, ohne auch über eine Reform des Funktionsauftrags der Öffentlich-Rechtlichen zu sprechen. Genau das aber planen die Ministerpräsidenten offensichtlich gerade.

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