#Badiou

Krise bitte … geschüttelt, nicht gerührt

von , 26.11.08

Alain Badiou hat ganz zurecht darauf hingewiesen, dass uns die Krise und ihre Bewältigung wie ein Film vorgeführt wird.

So wie man sie uns präsentiert, ähnelt die globale Finanzkrise einem dieser schlechten stereotypen Filme, der von der Erfolgsfabrik ausgeheckt wurde, die man heute das “Kino” nennt. …der Katastrophenfilm samt seinem kitschigen Ausgang (Sarkozy küsst Merkel und alle Welt weint vor Glück)…

Frank Schirrmacher hat einer Empfehlung von Thomas Friedman folgend einige neue Bilder aus der Kinokiste geholt, um die Dramatik der Situation zu veranschaulichen.

Wir sind an der Stelle, als Roy Scheider zum ersten Mal den Weißen Hai sieht und zurück in den Hafen fährt und dem Skipper mit schreckengeweiteten Augen sagt: ,Sie werden ein größeres Boot brauchen.’

Ein Bild von eben jenem Friedman, der vor ein paar Jahren die auch durch noch so häufige Wiederholung nicht zu verbessernde These aufgestellt hat, die Welt sei flach. Wer einmal falsch liegt, haut auch gern ein zweites Mal daneben. So wie die Welt der Globalisierung von einem recht deutlichen Gefälle gekennzeichnet war, geradezu schroff bergig und mitnichten flach, so ist auch diese Krise weder etwas, das Schauspieler verursacht haben, noch etwas, das mit Schauspielerei zu kurieren wäre.

In der Achse des Guten gibt Alan Posener Entwarnung, indem er an andere Prophezeihungen der zu Propheten gewandelten Feuilletonisten erinnert.

Natürlich tritt nie ein, was der Prophet verkündet: …Nanoroboter haben die Welt nicht in grauen Schleim verwandelt, weder haben die Frauen die Bundesrepublik noch die Alten die Welt übernommen.

Doch Frank Schirrmacher hat durchaus recht, wenn er darauf hinweist, dass wir erst am Anfang dieser Krise stecken. Allerdings sitzt er mit der Frage im Titel der Logik der Kinos und seiner Helden auf.

Kommt der Wechsel von Bush zu Obama zu spät?

Als ob das am Ausmaß der Krise und an ihrer Bewältigung etwas ändern würde. Es ist ein wenig traurig zu verfolgen, wie das deutsche Feuilleton sich in Anbetracht der Finanzkrise in ebenso alarmistischen wie ahnunglosen Aufrufen verausgabt, während sie zugleich vor allem in der englischsprachigen Bloggerszene kritisch und kompetent kommentiert wird. Mit Timothy Geithner wird der Chef des Wallstreet-Flügels der FED zum Finanzminister. Nicht ganz so schlecht wie der Goldmann-Sachs-Mann Paulson, aber eben doch Business as usual. Yves Smith kommentiert:

We have been less than enthusiastic about the choice of Timothy Geithner to be the next Treasury Secretary. Granted, the idea that we will have someone who is intelligent, knows a thing or two about the markets, and is not from Goldman Sachs makes him a big improvement over the Bush incumbents.

Die Änderungen werden wohl aus einer anderen Richtung kommen. Es mag noch eine Weile dauern, aber dann wird man begreifen, wie teuer uns Kinogehern wider Willen dieser Film zu stehen kommen wird. Die so genannte Rettung des Finanzsystems gilt nicht zuletzt der Rettung der großen Vermögen und dem faulen Geschäftsmodell der Banken, das sie nährt. Friedman glaubt schon zu wissen, was uns blüht:

For the next few years we’re all going to be working harder for less money and fewer government services — if we’re lucky.

Im Gegensatz zu Schirrmacher und Friedman macht Badiou auf den Interessengegensatz aufmerksam. Aber für seine Lösung fällt ihm nichts anderes als der Rückgriff in eine andere Klamottenkiste ein:

Sicherlich, das Wort “Kommunismus”, das lange diese Kraft bezeichnet hat, ist erniedrigt und verkauft worden. Aber heute dient sein Verschwinden nur den Verfechtern der Ordnung, den fiebrigen Akteuren des Katastrophenfilms. Wir werden es in seiner neuen Klarheit wieder auferstehen lassen.

Tatsächlich mag es noch eine Weile dauern, bis die Konsequenzen der Krise in ihrer Klarheit im alltäglichen Leben angekommen sind. Mit steigenden Arbeitslosenzahlen, versiegenden Aufträgen, Bankrotten und was alles zu einer richtigen Rezession dazu gehört. Denn ob die Milliarden, mit denen Regierungen plötzlich so freigiebig um sich werfen – sie hätten sie niemals in die Sozialsysteme, die Gesundheistversorgung oder die Bildung gesteckt – ob diese Milliarden den Abschwung überhaupt aufhalten können, ist noch nicht ausgemacht. Es könnte durchaus sein, dass sie gerade dazu genügen, den Tod des Systems seinen Profiteuren zu versüßen und etwas zu verlängern, das am Ende ohnehin scheitern muss. Mit dem kleinen Unterschied, dass der Staat und sein Geld dann diesem Zusammenbruch nicht entkommen werden. Was wiederum ganz im Sinn von Badiou wäre.

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