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Kommerzielle Blogs und Qualität? Wie soll das gehen? Eine Erwiderung

von , 29.10.09

Vermutlich führt die Bezeichnung „kommerzielle Blogs“ ein wenig in die Irre. Denn eigentlich geht es um Blogs, die ihren ganz normalen Herstellungsaufwand (Internetkosten, Bürokosten, Autorenhonorare) irgendwie finanzieren müssen, um Qualität bieten zu können. Von Gewinnen, die in neue Investitionen fließen könnten, ist da noch gar nicht die Rede.

Matthias Schwenk orientiert sich in seiner Kritik der „kommerziellen Blogs“ an der Meistgelesen-Liste des Blogbeobachters blogoscoop. Wer diese Liste betrachtet, kann nur den Kopf schütteln. Dort ist unter den 100 meistgelesenen „Blogs“ ein ziemliches Durcheinander versammelt: Schnäppchen-Portale (myDealZ, Schnäppchenfuchs), Very-Special-Interest-Blogs (MotorradNewsBlog, Dirks Computerecke, Blogberry), Fachblogs (Design-Tagebuch, netzwertig), ideologische Blogs (Deutschlandpolitik, FaktenFiktionen), pubertäre Juxseiten (chilloutzone, deine-mutter.de), Computerspielseiten (HomebrewWelt), sinnfreie Gemischtwarenläden (tutsi) – und dazwischen wenige Blogs, die einem journalistischen Anspruch folgen (Bildblog, Niggemeier, Carta).

All die Genannten nun über einen kommerziellen Leisten zu schlagen – das bringt nichts. Man müsste viel stärker differenzieren. So trifft die Eigenschaft “kommerziell” wohl nur auf wenige Blogs zu. Aber selbst das Wort “Blog” wird angesichts einer solchen Kraut-und-Rüben-Liste undefinierbar. Was hat der Schnäppchenfuchs mit Stefan Niggemeiers Medienblog zu tun? Was haben Blogberry und Bildblog gemeinsam?

Für das Häuflein der journalistisch motivierten Blogs nun eine Mindestzahl von einer Million (!) Page Impressions pro Monat vorzugeben (damit sie Werbung in nennenswertem Umfang akquirieren können), ist illusorisch. Eine solche Zahl ist im Netz – angesichts der immer noch gut besetzten deutschen Presselandschaft – kaum zu erreichen. Was auch Gründe hat, die nicht hausgemacht sind.

So erschwert die pauschale Verketzerung von Blogs in Journalisten- und Verlegerkreisen den journalistisch motivierten Blogs unnötig das Leben. Da kommt wenig Konstruktives. Da werden keine Brücken gebaut. Da gibt es keine ernsthafte Auseinandersetzung. Und Neugier sowieso nicht. Die blasierte Ablehnung vieler „Profis“ befördert stattdessen – auf der anderen Seite der Barrikade – eine ebenso schwer erträgliche Pauschal-Verhöhnung „der Journalisten“ durch Blogger und ihre aktivsten Kommentatoren. US-Kollegen haben es da tausend Mal leichter. Amerikanische Print-Journalisten sind flexibler und reagieren weniger dünkelhaft. Zudem gibt es eine ganze Reihe weitsichtiger Investoren, die – wie die HuffPost-Gründerin Arianna Huffington – über Unternehmungsgeist, Liberalität und langen Atem verfügen. Barrikaden zwischen Print und Blogs gibt es kaum.

So lange das Bloggen aber hierzulande als ‚unwerte’ Betätigung gilt, so lange das Genre Weblog in den Leitmedien verunglimpft und als drittklassig verhöhnt wird, können „unanständige“ Blogs keine „anständigen“ Werbeeinnahmen erzielen.

Wir drehen uns im Kreis. Aufgrund chronischer Unterfinanzierung können deutsche Blogger nur eingeschränkt arbeiten (was ihnen dann von den Festangestellten hämisch vorgeworfen wird). Die aktivsten Blog-Leser verharren in einer Anti-Medien-Haltung, was die Kluft weiter vertieft und die Leserschaft auf eingeschworene Gemeinden reduziert. Da Beiträge außerhalb eines engen Themenspektrums kaum Beachtung finden, konzentriert man sich auf das immer Gleiche. Die Blog-Falle schnappt zu. Man schmort im eigenen Saft. Gezielte Abwertung von außen und trotzige Gemeindebildung im Innern nehmen den Blogs die Luft zum Atmen. Wer möchte da inserieren?

Aus dem dreifachen Dilemma – Gezielte Abwertung, tendenzielle Selbstbezogenheit und Geldmangel – können sich die journalistischen Blogs nur Millimeter um Millimeter herausarbeiten, schwere Rückfälle inklusive. Aber laut Camus (und Jan Tißler) muss man sich Sisyphos ja als glücklichen Menschen vorstellen.

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