#Internet

Koalitionsvertrag und Internet: Weniger als erhofft, mehr als erwartet

von , 24.10.09

Nun ist der Koalitionsvertrag also fertig. Die wichtigsten Punkte zum Thema Informations- und Mediengesellschaft aus meiner Sicht (work in progress):

  • Die Koalition bekennt sich in der Präambel zum Vertragsabschnitt Informations- und Mediengesellschaft zum Internet als dem “freiheitlichsten und effizientesten Informations- und Kommunikationsforum der Welt“. Das ist ein nicht zu unterschätzender Etappensieg für das Netz und seine politisch-gesellschaftliche Wertschätzung (im Gegensatz zu hier oder der Printlastigkeit der letzten Regierung). Die herausgehobene Stellung des Internets im Vertragstext und seine insgesamt positive Konnotation sind erfreulich.
    Die Koalition zeigt sich gewillt, das Netz vor allem innovations- und technologiefreundlich zu betrachten. Hinzu kommt – bei einer bürgerlichen Regierung nicht überraschend – zentral der Aspekt des wirtschaftlichen Potenzials des Netzes.
  • Es ist daher ebenso konsequent wie unausweichlich, dass im Koaltionsvertrag auch der Satz steht:  “Das Internet darf kein urheberrechtsfreier Raum sein.”  Die Koalitionäre bekennen sich zum Urheberrecht vor allem auch als Funktion des Investitionsschutzes. Es wäre blauäugig und realitätsfremd zu glauben, dass eine andere Regierung diesen Schwerpunkt nicht gesetzt hätte. Ein besserer Schutz des Urheberrechts stand auch im Deutschlandplan von Frank-Walter Steinmeier als ein Kernpunkt zur Förderung der Kreativindustrie.
    Dabei bekennt sich diese Koalition zu einem Urheberrechtsschutz nur unter Vorbehalt der “Wahrung des Datenschutzes“. Sie hebt damit deutlich den Abwägungscharakter und den Wert konkurrierender Rechtsgüter hervor.
  • Zur Forcierung des Urheberrechtsschutzes schließt die Koalition Olivenne-Sperren ausdrücklich aus (obwohl sie in einem Entwurf des CDU-Regierungsprogramms standen). Tatsächlich wären diese Sperren weder politisch noch verfassungsrechtlich durchsetzbar. Stattdessen setzt die neue Koalition beim Urheberrecht auf mehr “Selbstregulierung unter Beteiligung von Rechteinhabern und Internetserviceprovidern”. Was das konkret bedeuten wird, ist klar: Provider sollen illegalen Filesharern in Zukunft freiwillig eine Mahnung zukommen lassen – und im Wiederholungsfall dann die Nutzer-IP-Adressen an die Rechteinhaber weitergeben. So soll ein neues Massenverwarnsystem aufgebaut werden.
    Das wird für heftige Debatten sorgen. Die Provider werden nicht geneigt sein, in die Integrität des Kommunkationsprozesses ihrer Nutzer und in das Prinzip einer inhaltsneutralen Bereitstellung des Internetzugangs einzugreifen. Auch die Nutzer werden sich dagegen wehren, dass die Provider zu Download-Hilfssheriffs umfunktioniert werden sollen.
    Der Konzept der neuen Koalition liegt auf einer Linie mit vielen Vorstellungen innerhalb der zunehmend urheberrechtsaggressiven Rechteindustrie. Die Konstruktion bleibt aber deutlich hinter den Forderungen von Hardlinern zurück.
  • Ein Punkt, der meines Wissens überhaupt noch nicht erörtert wurde, sind die laut Koalitionsvertrag geplanten Veränderung des Haftungsrechts im Telemediengesetz. Die FDP hat bereits in der letzten Legislaturperiode gefordert, die Providerhaftung zu klären und zu entschärfen: Zugangs- und Inhalteanbieter sollen zukünftig deutlich weniger für Inhalte Dritter haften. Dies betrifft Suchmaschinen, aber auch Links und Foren auf Blogs. Hier soll das Prinzip “Notice and take down” gestärkt werden. Demnach würde etwa ein Blogbetreiber stets erst dann für einen beleidigenden Nutzerkommentar haften, nachdem er aufmerksam gemacht wurde – und dennoch nicht eingeschritten ist. Das wird einige ruhiger schlafen lassen. Ein guter und netzadäquater Schritt.
    Wie allerdings der gestärkte Haftungsausschluss für Provider mit der oben geforderten verstärkten Zusammenarbeit von Providern und Rechteinhabern zusammenpassen soll, ist mir schleierhaft.
  • Auch die Netzneutralität hat einen relativ prominenten Platz in dem Vertrag erhalten. Die neue Regierung bekennt sich ausdrücklich zum Ziel der Netzneutralität und der “neutralen Datenübermittlung im Internet”. Dass die Koalition dabei zunächst einmal auf Wettbewerb statt auf Regulierung setzt, ist richtig. Man kann nicht stets möglichst wenig Eingriffe ins Internet und gleichzeitig hier für Provider eine Vorbeugungsregulierung fordern. Es ist daher vor allem zu begrüßen, dass sich die Regierung grundsätzlich zum Ziel der Netzneutralität und seiner Wahrung bekennt.
  • Die Internetsperren werden bekanntlich erstmal für ein Jahr ausgesetzt. Da in das Gesetz ohnehin eine Überprüfungspflicht nach zwei Jahren eingebaut wurde (in Artikel 3 des ZugErschwG), sind die Sperren damit für diese Legislaturperiode von der FDP praktisch ausgebremst worden. Dennoch hätte man sich hier eine deutlich klarere Abkehr von den Internetsperren  gewünscht.
  • Laut Koalitionsvertrag sollen die Presseverlage ein Leistungsschutzrecht bekommen, wie Carta bereits berichtete. Darüber ist schon viel geschrieben worden. Man fragt sich: Müssen demnächst auch Kioske und Cafés  für das Zurschaustellen von Zeitungen in eine Verwertungsgesellschaft der Zeitungsverlage einzahlen? Und wann wird es ein Leistungsschutzrecht für wissenschaftliche Publikationen mit entsprechenden Zitiertantiemen geben?
  • Bei der Pressefusionskontrolle stellt der Koalitionsvertrag die “Prüfung” einer Lockerung unter Vielfaltsaspekten in Aussicht. Eine solche Prüfklausel ist eine eher unverbindliche Erklärung. Ähnliches stand auch schon im letzten Koalitionsvertrag. Wahrscheinlich wird diese Regierung die Kraft für eine kleine Reform für Kleinverlage finden.
    Eine Formulierung gegen weitere Werbeverbote, die in einer Entwurfsversion noch enthalten war, fehlt nun interessanterweise im Koalitionsvertrag.
  • Die Koalition wird eine Stiftung Datenschutz gründen, die “Produkte und Dienstleistungen auf Datenschutzfreundlichkeit” prüfen soll. Die Einrichtung einer solchen Stiftung mag etwas altbacken und zentralistisch klingen, aber sie kann ein richtiger Schritt hin zu mehr Datenschutz sein. Die Stiftung kann zur Stärkung des Verbraucher-Datenschutzes hierzulande beitragen. Es hängt ganz davon ab, mit welchem Selbstverständnis, welchen Kompetenzen und welcher Ausstattung diese Institution ans Werk gehen wird.

Fazit:

Dem Koalitionsvertrag gelingt in Sachen Medien- und Informationsgesellschaft nicht der große Wurf. Man hätte sich mehr Programmatik, mehr Zukunftvision und einen ambitionierteren Aufbruch erhofft.

Zugleich bietet der Vertrag jedoch deutlich mehr, als ich erwartet hätte: Er bekennt sich bemerkenswert eindeutig zum Internet als dem “freiheitlichsten und effizientesten” Informationsforum. Das klingt fast schon wie aus einer der in letzter Zeit verbreiteten Erklärungen übernommen. Die neue Koalition bekennt sich zudem zum Urherberrechtsschutz nur unter Vorbehalt des Datenschutzes, sie will die Haftungsregeln für Provider (und damit auch für Blogs) verbessern, sie bekennt sich zum Ziel der Netzneutralität, sie will den Verbraucher-Datenschutz durch eine Stiftung stärken, sie hat die Internetsperren ausgebremst.

Dies ist mehr als man nach dem substanzarmen Wahlkampf der beteiligten Parteien erwarten konnte. Es ist durchaus ein kleiner Aufbruch und eine Stärkung des Internets. Eine Regierung von Internetausdruckern ist dies nicht mehr, auch wenn dies so schön ins Gut-Böse-Schema passen würde.

Mit Spannung sehe ich den Debatten um das Leistungsschutzrecht für Presseverlage und die Zusammenarbeit zwischen Providern und Rechteinhabern beim Urheberrecht entgegen.

Hier die Dokumentation der zentralen Stellen des Koalitionsvertrags  (Fettungen nicht im Original):

Zeilen 4607-4793

Informations- und Mediengesellschaft

Das Internet ist das freiheitlichste und effizienteste Informations- und Kommunikationsforum der Welt und trägt maßgeblich zur Entwicklung einer globalen Gemeinschaft bei. Die Informationsgesellschaft bietet neue Entfaltungsmöglichkeiten für jeden Einzelnen ebenso wie neue Chancen für die demokratische Weiterentwicklung unseres Gemeinwesens sowie für die wirtschaftliche Betätigung. Neue Medien gehören längst zum Alltag einer stetig wachsenden Zahl von Menschen. Deutschland ist längst in der Informationsgesellschaft angekommen.

Damit die Menschen an den neuen Chancen für Meinungs- und Informationsfreiheit, Kommunikationsfreiheit sowie am wirtschaftlichen Leben im Internet teilhaben und die Chancen der Informationsgesellschaft nutzen können, müssen wir die Weichen stellen, um eine digitale Spaltung der Gesellschaft zu verhindern. Allen Menschen Zugang zu neuen Medien zu erleichtern, ist uns dabei ein zentrales Anliegen, sowohl im Hinblick auf die Verfügbarkeit als auch auf Barrierefreiheit und Medienkompetenz.

Wir werden die Anstrengungen fortsetzen, die Breitbandversorgung in Deutschland sowohl in der Fläche als auch in der Leistungsfähigkeit zu steigern. Die Nutzung freiwerdender Frequenzen des Fernsehrundfunks soll dazu beitragen, kurzfristig Versorgungslücken in der Fläche zu schließen. Der Staat wird soweit als möglich, Angebote auch in elektronischer Form bereitstellen. Ausschreibungen der Behörden sollen elektronisch bekannt gemacht werden.

Wir werden unsere Politik auch daran ausrichten, die gesellschaftliche Veränderung durch Internet und neue Medien positiv zu begleiten und die Lebenswirklichkeit der Mehrheit der Menschen in Deutschland zu berücksichtigen. Dabei werden wir Innovations- und Standortpolitik, Verwaltungsmodernisierung, Teilhabe von Bürgerinnen und Bürgern und zivilgesellschaftlichen Interessengruppen sowie Datenschutz und Netzsicherheit in unserer Politik verbinden.

Wir vertrauen darauf, dass der bestehende Wettbewerb die neutrale Datenübermittlung im Internet und anderen neuen Medien (Netzneutralität) sicherstellt, werden die Entwicklung aber sorgfältig beobachten und nötigenfalls mit dem Ziel der Wahrung der Netzneutralität gegensteuern.

Wir bekräftigen, dass Recht und Gesetz im Internet schon heute und in Zukunft ebenso gelten wie überall sonst. Daher werden wir für mehr Datenschutz sowie durch eine Stärkung der IT-Kompetenz und entsprechend ausgebildetes Personal bei den Sicherheitsbehörden für eine Verbesserung der Anwendung des geltenden Rechts zur Verfolgung von Kriminalität im Internet sorgen.

Wir werden dabei insbesondere unser Augenmerk auf Aufklärung legen. Die Sensibilität für den Schutz der eigenen Daten muss gestärkt, der Selbstdatenschutz erleichtert werden, um Datenmissbrauch vorzubeugen. Wir werden deshalb prüfen, wie durch die Anpassung des Datenschutzrechts der Schutz personenbezogener Daten im Internet verbessert werden kann, erwarten dabei aber auch von jedem Einzelnen einen verantwortungsvollen Umgang mit seinen persönlichen Daten im Internet.

Betrug und Identitätsdiebstahl im Internet müssen konsequent verfolgt werden und
zugleich müssen Möglichkeiten der sicheren Kommunikation mehr in den Mittelpunkt gerückt werden. Kinder und Jugendliche werden wir durch konsequente Durchsetzung des geltenden Jugendschutzrechts vor ungeeigneten Inhalten schützen.

Wir werden gemeinsam mit den Ländern Möglichkeiten der verbesserten Strafverfolgung in Kommunikationsnetzen wie z. B. Internetstreifen durch die Polizei, Schwerpunktstaatsanwaltschaften für Kriminalität im Internet oder erleichterte elektronische Kontaktaufnahme mit der Polizei anstreben. Gleichermaßen werden wir uns auf internationaler Ebene für Lösungen stark machen, um Kinderpornographie sowie Kriminalität allgemein im Internet besser bekämpfen zu können.

In der Informationsgesellschaft liegen große Chancen auch für die öffentliche Verwaltung. Wir werden daher E-Government weiter fördern und dazu wo und soweit notwendig, rechtliche Regelungen anpassen (E-Government-Gesetz). Besonderes Augenmerk werden wir dabei auf die Schaffung der Voraussetzungen für sichere Kommunikation zwischen Bürgerinnen und Bürgen sowie Unternehmen mit der Verwaltung legen.

Die in der EU-Dienstleistungsrichtlinie vorgesehenen elektronischen Kommunikationsmöglichkeiten mit Behörden sehen wir als große Chance für einen Modernisierungsschub in der Verwaltung an. Wir werden so schnell als möglich die Voraussetzungen im Verwaltungsverfahrensrecht schaffen, um rechtsverbindliche
elektronische Kommunikation im Verwaltungsverfahren zu gewährleisten.

Dabei setzen wir mit Blick auf eine verbesserte Akzeptanz bei den Bürgerinnen und Bürgern auf die anwenderfreundliche Weiterentwicklung am Markt entwickelter sicherer elektronischer Kommunikation und Identifikation in neuen Medien. Dabei kann der freiwillige Identitätsnachweis mit dem elektronischen Personalausweis eine Möglichkeit darstellen.

Wir werden ein De-Mail-Gesetz verabschieden und dabei die Erfahrungen aus dem Pilotprojekt und die Stellungnahmen der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder berücksichtigen. Hierdurch wollen wir den Unternehmen die Möglichkeit geben, Geschäftsprozesse elektronisch abzuwickeln.

Bei eGovernment-Projekten sind Datenschutz und Datensparsamkeit wichtige Bestandteile jedes Vorhabens.

Die Informationstechnik des Bundes bedarf der Konzentration, Standardisierung und Effizienzsteigerung sowie Bündelung vorhandener Ressourcen. Wir werden hierzu den Beauftragten der Bundesregierung für Informationstechnik stärken. Wir prüfen, wie die IT des Bundes sich zukünftig an offenen Standards orientieren und dabei auch Open-Source-Lösungen berücksichtigen kann.

Wir werden uns für eine Stärkung der IT-Sicherheit im öffentlichen und nicht öffentlichen Bereich einsetzen, um vor allem kritische IT-Systeme vor Angriffen zu schützen. Hierzu wollen wir insbesondere durch Aufklärung und Sensibilisierung der Öffentlichkeit die Menschen zu mehr Selbstschutz und die Nutzung sicherer IT-Produkte anzuregen. Da Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik werden wir mit dieser Zielrichtung stärken.

Die Risiken der Digitalisierung, die es ermöglicht, quasi auf Knopfdruck Daten zusammenzuführen und durch die Auswertung digitaler Spuren umfassende Persönlichkeitsprofile zu bilden, dürfen nicht durch staatliches Handeln verstärkt werden.
Wir werden daher das vom Bundesverfassungsgericht formulierte Recht auf die Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme bei der gesetzlichen Ausgestaltung der IT beachten. Wir lehnen eine generelle Überwachung des Internetdatenverkehrs ab.

Eine vertrauenswürdige, leistungsfähige und sichere Informations- und Kommunikationstechnik ist für unser Hochtechnologieland und den Wirtschaftsstandort
Deutschland unverzichtbar. Wir werden die IT gegen innere und äußere Gefahren schützen, um die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und administrative Handlungsfähigkeit zu erhalten.

Daher werden wir ein besonderes Augenmerk auf die Abwehr von IT-Angriffen richten und hierfür Kompetenzen in der Bundesverwaltung beim Beauftragten der Bundesregierung für Informationstechnik bündeln. Zu seiner Unterstützung werden wir das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik als zentrale Cyber-Sicherheitsbehörde weiter ausbauen, um insbesondere auch die Abwehr von IT-Angriffen koordinieren zu können.

Dabei werden wir auch eng mit der Internet- und Kommunikationswirtschaft zusammenarbeiten. Wir werden die Haftung von System- und Diensteanbietern für die IT-Sicherheit ihrer Angebote anpassen, um einer unbilligen Abwälzung von IT-Risiken auf die Endanwender vorzubeugen.

Der energieeffiziente Einsatz von IT ist ein wichtiger Beitrag zur Bekämpfung des Klimawandels. Wir werden daher bei allen IT-Vorhaben des Bundes verantwortungsbewusst mit den natürlichen Ressourcen umgehen und den durch den
Betrieb verursachten Energieverbrauch in der Bundesverwaltung reduzieren. Wir wollen die enormen Chancen der Informations- und Kommunikationstechnologie für Wirtschaft und Gesellschaft nutzen. Dazu werden wir die IKT-Forschung stärken. Wir werden eine Strategie im Bereich der IKT und digitalen Medien entwerfen.

Wir werden die Regelungen zur Verantwortlichkeit im Telemediengesetz fortentwickeln. Es gilt auch zukünftig einen fairen Ausgleich der berechtigten Interessen der Diensteanbieter, der Rechteinhaber und der Verbraucher zu gewährleisten.

Die Fähigkeit zur Integration von IKT in Produkte und Prozesse ist für die deutsche Wirtschaft in allen Branchen von strategischer Bedeutung. Wir werden die Potentiale der IKT bei der Lösung der gesellschaftlichen Herausforderungen Gesundheit, Energieeffizienz / Klimaschutz, Sicherheit und Mobilität konsequent einsetzen. Wir werden das Internet der Zukunft und die Telemedien auf der Basis unseres Rechts- und Wertesystems weiter ausgestalten. Technische und rechtliche Aspekte werden so frühzeitig zusammengebracht, dass Informationsfreiheit und Schutz vor rechtswidrigen Inhalten gleichermaßen berücksichtigt werden.

Urheberrecht

Das Urheberrecht hat in der modernden Medien- und Informationsgesellschaft eine Schlüsselfunktion. Wir werden das Urheberrecht deshalb entschlossen weiterentwickeln, mit dem Ziel ein hohes Schutzniveau und eine wirksame Durchsetzbarkeit des Urheberrechts zu gewährleisten. Um dieses Ziel zu erreichen, werden wir zügig die Arbeit an einem Dritten Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft („Dritter Korb“) aufnehmen.

Das Internet darf kein urheberrechtsfreier Raum sein. Wir werden deshalb unter Wahrung des Datenschutzes bessere und wirksame Instrumente zur konsequenten Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen im Internet schaffen. Dabei wollen wir Möglichkeiten der Selbstregulierung unter Beteiligung von Rechteinhabern und Internetserviceprovidern fördern. Wir werden keine Initiativen für gesetzliche Internetsperren bei Urheberrechtsverletzungen ergreifen.

Verlage sollen im Online-Bereich nicht schlechter gestellt sein als andere Werkvermittler. Wir streben deshalb die Schaffung eines Leistungsschutzrechts für Presseverlage zur Verbesserung des Schutzes von Presseerzeugnissen im Internet an.

Das System der Rechtewahrnehmung durch Verwertungsgesellschaften mit effizienten und transparenten Strukturen hat sich bewährt. Wir wollen, dass die europaweite Lizenzierung durch Verwertungsgesellschaften in Bezug auf Online-Nutzungen erleichtert wird. Wir werden uns deshalb für die Schaffung eines europäischen Wahrnehmungsrechts einsetzen.

Der Schutz durch das Urheberrecht ist eine notwendige Voraussetzung für die Schaffung und für die Verwertung kreativer Leistungen. Wir wollen deshalb Maßnahmen unterstützen, die das gesellschaftliche Verständnis für die Bedeutung des Urheberrechts und den Respekt vor fremdem geistigem Eigentum fördern.

Wir setzen uns für die Schaffung eines europäischen Rechtsrahmens für die Verwertungsgesellschaften ein, der eine transparente und europaweite Lizenzierung gewährleistet und die kulturelle Vielfalt schützt.

Zeilen 4830-4900

Internetsperren

Die Bekämpfung von Kindesmissbrauch und Kinderpornographie ist für uns von herausragender Bedeutung. Kinderpornographische Angebote in Kommunikationsnetzen müssen mit aller Kraft bekämpft werden. Die dauerhafte wirksame Bekämpfung des Missbrauchs von Kindern ist politische Verantwortung und rechtsstaatliches Gebot zugleich.

Wir sind uns darüber einig, dass es notwendig ist, derartige kriminelle Angebote schnellstmöglich zu löschen statt diese zu sperren. Wir werden daher zunächst für ein Jahr kinderpornographische Inhalte auf der Grundlage des Zugangserschwerungsgesetzes nicht sperren. Stattdessen werden die Polizeibehörden in enger Zusammenarbeit mit den Selbstregulierungskräften der Internetwirtschaft wie der deutschen Internetbeschwerdestelle sowie dem Providernetzwerk INHOPE die Löschung kinderpornographischer Seiten betreiben.

Nach einem Jahr werden wir dies im Hinblick auf Erfolg und Wirksamkeit evaluieren und aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse ergebnisoffen eine Neubewertung vornehmen. Vor Abschluss der Neubewertung werden weder nach dem Zugangserschwerungsgesetz noch auf Grundlage der zwischen den Providern und BKA abgeschlossenen Verträgen über Internetsperren Sperrlisten des BKA geführt oder Providern übermittelt.

Dynamische Dienstleistungen

Die Medien- und Kommunikationsordnung muss gemeinsam mit den Ländern weiter an die veränderten technischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten angepasst werden. Wir unterstützen die Bemühungen der Länder, die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auf eine zukunftsfähige Grundlage zu stellen.

Im Interesse der Erhaltung der Meinungs- und Pressevielfalt sind das Medienkonzentrations- und das Pressekartellrecht zu überprüfen. Das Presse-Grosso bleibt ein unverzichtbarer Teil unserer Medienordnung.

Datenschutz

Ein moderner Datenschutz ist gerade in der heutigen Informationsgesellschaft von besonderer Bedeutung. Wir wollen ein hohes Datenschutzniveau. Die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit, der Datensicherheit und -sparsamkeit, der Zweckbindung und der Transparenz wollen wir im öffentlichen und privaten Bereich noch stärker zur Geltung bringen. Hierzu werden wir das Bundesdatenschutzgesetz unter Berücksichtigung der europäischen Rechtsentwicklung lesbarer und verständlicher machen sowie zukunftsfest und technikneutral ausgestalten. Die Einwilligung ist eine wesentliche Säule des informationellen Selbstbestimmungsrechts. Ziel der Reform muss daher auch sein, verbesserte Rahmenbedingungen für informierte und freie Einwilligungen zu schaffen. Dazu sollen Informationspflichten erweitert und der Freiwilligkeit der Einwilligung größere Bedeutung beigemessen werden.

Darüber hinaus werden wir eine Stiftung Datenschutz errichten, die den Auftrag hat, Produkte und Dienstleistungen auf Datenschutzfreundlichkeit zu prüfen, Bildung im Bereich des Datenschutzes zu stärken, den Selbstdatenschutz durch Aufklärung zu verbessern und ein Datenschutzaudit zu entwickeln. Wir sind überzeugt, dass mit dieser Lösung auch der Technologiestandort Deutschland gestärkt wird, wenn datenschutzfreundliche Technik aus Deutschland mit geprüfter Qualität weltweit vertrieben werden kann.

Wir werden beim Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit die personelle und sächliche Ausstattung verbessern. Die Unabhängigkeit der Datenschutzaufsicht steht für uns dabei im Mittelpunkt.

Auch der Einzelne trägt Verantwortung für seine persönlichen Daten. Wir wollen deshalb die Sensibilität und Selbstverantwortung der Bürgerinnen und Bürger für ihre eigenen Daten stärken.

Vorratsdatenspeicherung

Wir werden den Zugriff der Bundesbehörden auf die gespeicherten Vorratsdaten der Telekommunikationsunternehmen bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit der Vorratsdatenspeicherung aussetzen und bis dahin auf Zugriffe zur Abwehr einer konkreten Gefahr für Leib, Leben und Freiheit beschränken.

Zustimmung, Kritik oder Anmerkungen? Kommentare und Diskussionen zu den Beiträgen auf CARTA finden sich auf Twitter und auf Facebook.