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Hartz-IV-Entschärfungen: Gut gemeint, das Falsche erreicht

von , 15.10.09

Die neue Regierungskoalition hat sich darauf verständigt, Langzeitarbeitslosen das Leben ein bisschen leichter zu machen. Hartz-IV-Empfänger dürfen mehr dazu verdienen, bevor ihnen ihr Anspruch gestrichen wird. Und sie dürfen künftig auch mehr von dem behalten, was sie fürs Alter gespart haben. Dafür loben sich jetzt die Herzjesumarxisten in der CDU und die Neoliberalen in der FDP.

Und doch handelt es sich hier um ein klassisches Beispiel dafür, wie man aus dem richtigen Reflex heraus das Falsche tun kann. Liberale und Konservative haben – wie alle anderen auch – festgestellt, dass es für Stütze-Empfänger nicht lohnend ist, zu arbeiten, schon gar nicht, nach einem Vollzeitjob Ausschau zu halten. Wer nur 100 Euro dazu verdienen darf, wird es sich genau überlegen, ob sich (legale) Arbeit lohnt. Und wer keine tolle Ausbildung hat und ohnehin wenig verdient: Wird er mühselig für den Ruhestand sparen, wenn er damit rechnen muss, das kleine Vermögen vorzeitig wieder auflösen zu müssen? Also ist es doch nur logisch hinzugehen und die Freibeträge zu erhöhen.

Aber was passiert jetzt? Schnell werden die Koalitionäre merken, dass sich auch an den neuen Freigrenzen ein Stau bildet. Es wird sich herausstellen, dass 750 Euro Ansparfreibetrag pro Lebensjahr zwar ausreichen, um sich zu Hartz-IV-Zeiten einen größeren Wunsch zu erfüllen, aber kaum, um ein Alter oberhalb der Grundrente zu bestreiten. Zügig wird sich zudem zeigen, dass auch 200 oder 250 Euro an erlaubtem Zuverdienst niemanden so beeindrucken, dass er schnell nach einer Vollzeitbeschäftigung sucht. Im Gegenteil, attraktiver gemacht wird nur der Einkommensmix aus Hartz und Zuverdienst – für weitere Kreise von Geringverdienern.

So werden am Ende wieder alle Grund zur Klage finden. Weil nämlich zwangsläufig die Zahl der Aufstocker steigt, die zu ihrem Verdienst Hartz IV beantragen können. Weil Vollzeitarbeitsverhältnisse in diesem Bereich noch schneller zugunsten von Minijobs verschwinden werden als bisher. Und weil es nicht mehr Hartz-IV-Beziehern gelingen wird, sich aus ihrer Abhängigkeit zu befreien.

Eine entschiedene Regelung, die Vollzeitarbeit auch im Geringverdienerbereich attraktiv macht, haben sich die neuen Koalitionäre schon zu Beginn ihrer gemeinsamen Regierungszeit nicht zugetraut. Das nämlich hätte bedeutet, die Freigrenzen deutlich anzuheben und einen echten Kombilohn zu schaffen – und dafür die Minijobs abzuschaffen.

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