von Michael Spreng, 2.3.13
Er ist ein schwieriger Kandidat, seine Kampagne gilt als gescheitert, keiner will mehr eine Flasche Pinot Grigio für fünf Euro auf seinen Sieg bei der Bundestagswahl wetten. An diesem Punkt war Peer Steinbrück angekommen, bevor er die “Clowns” in Italien entdeckte.
Clowns könnten jetzt eine Wendepunkt für seine Kampagne werden, zumindest ein Strohhalm, an dem er versuchen könnte, aus dem tiefen Tal herauszuklettern. Frei nach dem alten Sponti-Motto: Ich habe keine Chance, also nutze ich sie.
Denn in Sachen Clowns hat er ausgesprochen, was eine große Mehrheit der Deutschen über Berlusconi und Co. denkt. Genauso sagte er die Mehrheitsmeinung, als er den deutschen Clown Stefan Raab als Moderator für das Kanzlerduell ablehnte.
Klartext-Peer im Einklang mit der Mehrheit, undiplomatisch zwar, aber was zählt das schon im deutschen Duell. Da wird nicht nur in den Kaviar-Etagen gekämpft, die Steinbrück mit seinen Vorträgen über Gebühr bedient hat, sondern auch in den Leberkäs- und Currywurst-Etagen. Und an Stammtischen.
Und dort kommt undiplomatischer Klartext an. Eine Zeit lang war dieser hinter seinen Nebeneinkünften und seinen instinktlosen Äußerungen übers Kanzlergehalt verschwunden, jetzt aber könnten die Clowns den Blick wieder freigeben auf die Stärke Steinbrücks. Einer, der sagt, was er denkt, und denkt, was er sagt – das hatte ihn populär gemacht, bevor er mit seinen Nebeneinkünften den Start als Kanzlerkandidat verstolperte.
Die CDU/CSU scheint langsam kapiert zu haben, dass ihre Angriffe gegen Steinbrück wegen der Clowns zum Eigentor werden könnten. Sie werden schon weniger und verhaltener. Berlusconi, den Mann ohne Anstand und Moral, zu verteidigen, wenn auch nur indirekt, das ist nicht populär. Wenn die CDU in Kampagnenkategorien denkt, dann muss sie jetzt ihre aufgeregten Außenpolitiker zurückpfeifen. Und die SPD auch.
In Wahlkämpfen ist es wichtiger, die Stärken zu stärken, als sich zu lange mit den Schwächen aufzuhalten.
“Klartext gegen Nebelwand” – das könnte das Motto für Steinbrücks Aufhol-Kampagne gegen Angela Merkel sein. Ergänzt mit seinen Kernkompetenzen Finanz- und Wirtschaft, die bei einer sich wieder verschärfenden Euro-Krise an Bedeutung gewinnen. Der Deutliche gegen die Nebulöse, der Ungestüme gegen die Übervorsichtige, der Treiber gegen die Getriebene, der Stürmer gegen die Verteidigerin.
Der Versuch der SPD, ihn zum Sozial-Guru umzuschminken, ist ohnehin schon gescheitert. Ein Steinbrück wird keine Mutter Teresa mehr. Natürlich muss er die klassischen SPD-Themen bedienen, aber sie sind nicht sein Markenkern.
Steinbrücks Markenkern ist Klartext. Ihn aufzupolieren, ist zwar mit hohen Risiken verbunden, eine schwierige Gratwanderung zwischen Absturz und Gipfelanstieg, aber es ist seine letzte Chance, nicht jetzt schon das Handtuch werfen zu müssen.
Crosspost von Sprengsatz