#COP15

Jenseits von Kopenhagen

von , 15.11.09

Es war bereits seit Monaten absehbar, doch erst seit Ende Oktober bröckelt die Front der unerschütterlichen Optimisten. Nachdem der Chef des Sekretaritats der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (VN), Yvo de Boer, in mehreren Statements bekannt hatte, dass er den Abschluss eines völkerrechtlich verbindlichen Klimaabkommens in Kopenhagen angesichts der kurzen Restverhandlungsdauer für unrealistisch halte, sprangen auch viele europäische Klimapolitiker erleichtert auf den Zug auf. Endlich durfte laut gesagt werden, was ohnehin schon jeder wusste. Kopenhagen wird – gemessen den über Jahre hinweg gehegten und von der EU auch aktiv genährten Erwartungen – kein Erfolg werden. Mehr als ein political agreement kann in Kopenhagen nicht erreicht werden – wenn überhaupt.

Diese – wenn auch späte – Rückkehr des Realismus in die Klimadebatte ist sehr zu begrüßen. Doch es zeigt sich zugleich, dass die von europäischen Klimapolitikern und -diplomaten in den letzten Monaten geradezu mantra-artig vorgetrage Formel “Es gibt keinen Plan B” tatsächlich zu stimmen scheint.

Bewegung auf internationaler Ebene wird es zwar in der Tat erst dann geben, wenn die US-Adminstration eine pro-aktive Haltung einnimmt, da sich China und Indien vorher kaum zu Zugeständnissen bereit erklären dürften. Nach den negativen Erfahrungen bei der Aushandlung und Ratifizierung des Kyoto-Protokolls unter Präsident Clinton wird dies jedoch erst dann der Fall sein, wenn der us-amerikanische Kongress ein Klimagesetz verabschiedet hat – und damit vermutlich erst in der ersten Jahreshälfte 2010. Bislang ist weder absehbar, wie ambitioniert ein solches Gesetz und die daraus abgeleitete Verhandlungsposition tatsächlich ausfallen wird.  Zudem ist offen, unter welchen Bedingungen die spätere Ratifizierung eines völkerrechtlich verbindlichen Klimavertrags im US-Senat realistisch wäre – denn dafür werden 67 (von 100) Stimmen benötigt. Die (klimapolitisch keineswegs einheitlich auftretenden) Demokraten verfügen derzeit über 60 Stimmen, nach den Senatsteilwahlen im November 2010 dürfte ihre Zahl wohl noch geringer ausfallen.

Es wäre angesichts der bisherigen Erfahrungen kurzsichtig, sich in der internationalen Klimapolitik ausschließlich auf den Prozess im Rahmen der Vereinten Nationen zu verlassen. Selbst wenn es gelänge, ein ambitioniertes internationales Abkommen zu vereinbaren, eine erfolgreiche Ratifikation und Implementierung wäre damit noch keineswegs garantiert. Die Einigung auf ein ambitioniert klingendes Abkommen ist kein Ziel an sich, sondern nur ein mögliches Mittel auf dem Weg zur Dekarbonisierung der globalen Ökonomie.  Wirkliche Fortschritte im globalen Klimaschutz werden sich nur erzielen lassen, wenn es den Europäern gelingt, den Beweis anzutreten, dass das Erreichen ehrgeiziger klimapolitischer Ziele nicht nur realistisch, sondern auch wirtschaftlich erfolgversprechend ist. Deshalb müssen die EU und dabei insbesondere Vorreiter wie Deutschland nicht nur konsequent an der Umsetzung der für 2020 bereits getroffenen klimapolitischen Beschlüsse arbeiten und schon bald eine klare Weichenstellung für den wesentlich anspruchsvolleren Reduktionspfad bis 2050 vornehmen. Sie müssen auch deutlich herausstellen, welche positiven Effekte dies auf angrenzenden Feldern wie der Versorgungssicherheit oder bei der Entwicklung von Zukunftstechnologien nach sich zieht. Nur dann werden die USA, China und Indien tatsächlich nachziehen wollen – ganz gleich, ob mit oder ohne internationales Klimaabkommen.

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