#Jens Seipenbusch

Jens Seipenbusch zur Krise der Piraten: „Mehr Proporz bringt mehr Zufriedenheit“

von , 18.3.14

Bis zur Europawahl Ende Mai sind es gerade noch zwei Monate. Aber die Führung der Piratenpartei kommt nicht aus der Krise.

 

Carta: Drei Vorstandsmitglieder der Piratenpartei sind gerade zurückgetreten. Findet der Richtungskampf jetzt auch im Vorstand statt?

Jens Seipenbusch: Ein gesunder Wettstreit politischer Lager ist nicht der Grund für diese Eskalation. Es sind hier wohl eher in den letzten Wochen Grenzen überschritten worden, die fundamental wichtig für die Piratenpartei sind. Dass der Vorstand sich insgesamt nicht zu klaren Worten gegen Demokratie-Relativierung und politisch motivierte Gewaltanwendung durchringen konnte, ist nicht nur für die drei Zurückgetretenen unerträglich gewesen – wie man am Austritt von Udo Vetter sieht.

Carta: Bei den Kommunalwahlen in Bayern haben die Piraten – mit wenigen Ausnahmen – sehr bescheidene Ergebnisse erzielt. In zwei Monaten sind Europawahlen. Folgt dann das nächste Desaster?

Seipenbusch: Sehr wahrscheinlich, ja. Mein Vorschlag zur institutionen-kritischen, aber grundsätzlich positiven Ausrichtung des Europawahlkampfes hat leider keine Berücksichtigung gefunden und mit der jetzt geplanten unkritisch positiven Kampagne wird man m.E. den von Finanz- und EU-Krise aufgebrachten Wähler nicht erreichen. Ich kann nicht erkennen, dass man aus der vergangenen Bundestagswahl die richtigen Lehren gezogen hat oder nach ihnen handelt, was ich außerordentlich bedaure, aber nicht ändern konnte.

Carta: Stimmt die Behauptung, dass die Piratenpartei von Linksradikalen unterwandert wurde?

Seipenbusch: Sie haben sich zumindest im Landesverband Berlin wohl sehr breit gemacht, wenn man die Entwicklung so anschaut. Die Schwäche der Partei hat es dieser Minderheit aber auch sehr leicht gemacht. In den vergangenen Jahren sind uns viele wichtige Piraten still und leise abhanden gekommen. Wir haben hier versäumt, diese Mitglieder zu schützen und eine Parteikultur zu etablieren, die von Ausgleich und positiver Rückkopplung gekennzeichnet ist.

Carta: Wo liegen Ihrer Meinung nach die Ursachen für das jetzige Chaos?

Seipenbusch: Chaos ist es nicht. Die Partei befindet sich aber in einem noch zu überwindenden Zustand der Schwäche. Die Ursachen liegen zum einen in der faktischen Stagnation der Parteientwicklung seit etwa drei Jahren, zum anderen im mangelhaften formalen Aufbau der Partei, der möglichst ohne Verfahren auskommen will, aber damit Willkür und ähnlichem Vorschub leistet. Die Landtagsfraktionen könnten aus meiner Sicht ebenfalls mehr zur Weiterentwicklung beitragen, auch wenn das Kraft von der Tagespolitik abzieht.

Carta: Was sollte unternommen werden, um die Partei zu retten? Kann es noch einen Neustart geben?

Seipenbusch: Ich verwende nicht gerne das mir bulimisch erscheinende Wort Neustart. Aus dem jetzigen Zustand heraus kann es einen erneuten Aufbau geben, allerdings müssten wir dann mehr Zwischenwände einziehen, um das etappenweise Erreichte nicht immer wieder sofort einzureißen. Um eine leichte Institutionalisierung politischer Flügel kommen wir aus meiner Sicht nicht herum. Auch wenn’s etabliert klingt: Mehr Proporz bringt intern mehr Zufriedenheit. Naivität ist einer unserer größten Feinde. Geleistete Arbeit muss von und in den Gremien höher honoriert werden als heiße Luft.

_________________________________________________________

Interview: Wolfgang Michal

Zustimmung, Kritik oder Anmerkungen? Kommentare und Diskussionen zu den Beiträgen auf CARTA finden sich auf Twitter und auf Facebook.