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Ja zur Katar-WM!

von , 28.3.14

Ein solches Turnier, so die Argumentation, könne nicht in einem Land stattfinden, in dem Arbeiter ausgebeutet werden und jedes Jahr Hunderte bei Unfällen auf Baustellen oder an Erschöpfung sterben.

Solche Reaktionen erlebe ich im Moment hautnah. Ich war im Februar in Katar, ich habe Menschen gesehen, die in erbärmlichen Unterkünften hausen, belogen werden und ihr Geld nicht bekommen. Ein zufälliges Treffen mit zwei jungen Männern hat mich besonders schockiert, dabei hatte das Abenteuer Katar für sie gerade erst begonnen. Ich traf sie am Flughafen in Doha, ich bin dorthin gefahren, um zu schauen, was mit den Hunderten Menschen geschieht, die Tag für Tag aus armen Ländern ins Emirat reisen.

Nijmal und Hari saßen schon neun Stunden in der Ankunftshalle, sie hatten kein Geld, kein Handy, keine Nummer, die sie hätten wählen können, um zu fragen, wann man sie abholt. Als sie mir stolz ihre Arbeitsverträge zeigten, traute ich meinen Augen nicht. Das waren keine Verträge, sondern wertlose Papiere, unter das die Männer ihre Unterschrift gesetzt hatten. Mir war klar, dass sie bald aus allen Wolken fallen würden. Dass sie die Kontrolle über ihr Leben schon verloren haben.

Ich dachte an das in Katar geltende Kafala-System: Nicht der Staat, sondern das jeweilige katarische Unternehmen registriert die ausländischen Arbeiter. Das ermöglicht es Arbeitgebern, Arbeitnehmer wie Leibeigene zu behandeln. Es ermöglicht moderne Sklaverei. Vielleicht werden auch Nijmal und Hari versklavt, man kann es im Vorfeld nicht sagen. Ihr Start in Katar jedenfalls könnte ernüchternder kaum sein.

Ich schrieb einen Report für die „Welt am Sonntag“ über Katar und erzählte Freunden, Bekannten und Kollegen von meinen Erlebnissen. Fast alle schüttelten den Kopf und fragten: Wann nimmt man diesem Schurken-Staat endlich die WM weg? Die Forderung klingt logisch.

Dabei ist es an der Zeit, die Perspektive zu wechseln – nicht zuletzt angesichts der Tatsache, dass innerhalb des Fußball-Weltverbands Fifa mittlerweile tatsächlich diskutiert wird, die WM wegen der Menschenrechtslage neu zu vergeben. Für die Hunderttausende Menschen, die auf den Baustellen des Landes arbeiten, wäre eine solche Entscheidung ein schwerer Schlag. Sie würde ihnen schaden, sie wäre kontraproduktiv.

Falls die Fifa-Ethikkommission den Kataris Bestechung bei der WM-Vergabe nachweist, muss neu über das Turnier abgestimmt werden. Dann gibt es keine Alternative. Den Arbeitern in Katar zuliebe, Menschen wie Nijmal und Hari, sollte ein solcher Entschluss aber gründlich überlegt sein.

Denn nur dank der WM steht Katar im Fokus, nur wegen dieses Events interessiert sich die Weltöffentlichkeit für das Schicksal der Billigarbeitskräfte im Emirat. Und anders als in Russland oder China, wo in der jüngeren Vergangenheit Olympische Spiele über die Bühne gingen, verhallen die Rufe nach der Achtung der Menschenrechte in Katar nicht ungehört.

Mehrere große Institutionen, darunter das WM-Organisationskomitee, haben in den vergangenen Monaten neue Arbeitsrichtlinien verabschiedet. Wer als Baufirma Aufträge von einer dieser Institutionen bekommen will, muss neuerdings international geltende Gesetze befolgen. Neue Unterkünfte für Bauarbeiter werden gebaut, ich habe sie gesehen. Sie sehen gut aus. Die Anzahl der Kontrolleure, die sicherstellen sollen, dass die Sicherheit auf den Baustellen gewährleistet ist, wurde verdreifacht. Ja, wir ändern uns, das ist es, was die Offiziellen in Gesprächen mit mir versprochen haben. Und das ist selbst der Eindruck vieler der schärfsten Kritiker.

In diesen Tagen haben die Kataris europäischen Politikern bei deren Besuchen in Doha sogar versprochen, auch das Kafala-System zu überdenken. Das käme einer Revolution gleich, und ich halte sie für bitter nötig. Der Staat muss die Kontrolle über seine Gastarbeiter haben, die Unternehmen werden ihrer Verantwortung nicht gerecht. Kontrolle allein reicht nicht.

Etliche Politiker, Menschenrechtler und Reporter wie ich reisen derzeit nach Katar, um Missstände anzuprangern, Forderungen zu stellen und zu überprüfen, ob Versprechen eingehalten werden. Und ohne WM? Wen würde Katar noch interessieren? Wer würde sich um die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen vor Ort kümmern? Würden ich und meine Kollegen die Zeit bekommen, in Doha zu recherchieren?

Die Fußball-Weltmeisterschaft ist eine große Chance für Katar. Ob das Emirat sie gänzlich nutzt, ist unklar. Anlass zur Hoffnung geben die jüngsten Entwicklungen in jedem Fall – und machen klar: Das Ja der Fifa zu Katar, wie auch immer zustande gekommen, tut vielen Menschen gut. Ich hoffe, auch Nijmal und Hari.
 

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