von Mercedes Bunz, 20.11.08
Das ist natürlich seltsam. Jeder halbwegs aufgeweckte Internet-Surfer weiß, dass die großen Chancen des Internet darin bestehen, dass die Produktionskosten dort niedrig sind, die Reichweite potentiell immens, kurz, dass man von einem Ende aus die Welt erobern kann, wie es Napster, Google oder hierzulande StudiVZ vorgemacht haben. Wirtschaftlich. Und das ist nur das eine.
Nur die Bundesregierung weiß das alles bislang noch nicht. Deshalb kein Wunder: Im Internet wurde das Event vorher kaum zur Kenntnis genommen, niemand freute sich in Blogs darauf und schnatterte aufgeregt durch die Gegend. Es bildete sich auch kein wild diskutierendes Forum. Im Internet: Stille.
Dafür hat das Wirtschaftsministerium in einigen Tageszeitungen eine Informationsbroschüre beilegen lassen – das sagt ja eigentlich schon alles. Dort findet man ellenlange Grußworte vornehmlich alter Männer, voll gepackt mit langweiligen Zahlen, die man alle schon vorher ergooglen konnte. In der Broschüre und vor Ort besprach man ungefähr folgendes: Das Internet bedeutet Arbeitsplätze, Breitband soll ausgebaut werden, bei jungen Leuten sind heute – Überraschung – E-skills gefragt. Na, um die müssen sich die alten Männer wohl bei jungen Leuten keine Sorgen machen, aber man schließt eben leicht von sich auf andere, kennt man ja.
Man kann nur hoffen, dass international keiner das Programm in die Finger bekommt und auf diese Weise schnallt, wie wenig man in Deutschland in Sachen digitaler Technologie tatsächlich gepeilt hat. Tatsächlich ist die Bundesregierung einem klassischen medialen Problem aufgesessen: Immer sucht man erstmal das alte Medium im Neuen, das wusste schon Marshall McLuhan. Und jetzt denkt man im Wirtschaftsministerium, das Internet wäre ein Auto. Und wenn man sich um die Großkonzerne kümmert, würde man das Internet fördern. Die IT-Großkonzerne ihrerseits haben natürlich nicht im Sinn, diesen Eindruck zu korrigieren – und so geben sich die Schlipse gegenseitig zufrieden die Hand, allerhöchstens gestört von dem roten Irokesenschnitt von Sascha Lobo.
Dabei könnte die Politik hier in der Tat mal etwas gestalten. Denn das Internet ist keine Freihandelszone. Es ist ein öffentlicher Raum, in dem wir zwar auch einkaufen, vor allem aber kommunizieren wir in ihm, halten Freundschaften, diskutieren miteinander. Und nicht nur das, dort informieren wir uns über Aktuelles, über Politisches, über Alles, was wir wissen wollen. Das Internet ist eine der ersten Anlaufstellen für den fragenden Bundesbürger geworden, es ist eines der wichtigsten Medien zur Verwaltung unseres Wissens. Die Gründung der digitalen Bibliothek Europeana, an der Deutschland sich mit mageren 1 Prozent Archivmaterial beteiligt hat, trägt dem Rechnung, paradoxer Weise am selben Tag.
42 Millionen Menschen nutzen in Deutschland das Internet. Und nein, kaufen dort nicht alle nur ein. Das Internet ist zum Teil unseres Lebens geworden, im Internet sammeln wir viel von dem, was wir heute wissen. Wenn Angela Merkel sagt, dass jeder in drei bis vier Jahren einen Breitbandanschluss haben könnte, und hinzufügt, dass wäre ein tolles Signal in einer Zeit, in der es viel Skepsis gibt, klingt das wie Hohn. Nein, tut das nicht: Das Netz ist zu wichtig und zu politisch, um es allein dem Bundeswirtschaftsministerium zu überlassen. Das Internet, liebe Bundesregierung, ist ein öffentlicher Raum und kein Auto. Umso mehr solltet ihr eure Politik überdenken. Denn mit den Autos hat das, ehrlich gesagt, auch nicht so wirklich gut geklappt.