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Investigativer Journalismus – Presseschau V

von , 31.10.09

Günter Wallraff, Übervater der verdeckten Recherche in Deutschland, war in den letzten Wochen in allen Medien. Als Schwarzer verkleidet tingelte der Mann, der mit Büchern wie “Der Aufmacher” oder “Ganz unten” bekannt wurde, durch die Landen. Über die dabei von Wallraff gemachten Erlebnisse berichtete wieder das ZEITMagazin, aber auch die Netzeitung und sueddeutsche.de, wo eine interessante Tonspur von der Frankfurter Buchmesse zu hören ist. Die Kritik an Wallraffs neuester Sozialreportage war Thema bei Spiegel Online und auf tagesschau.de. Der WDR und die Rheinische Post führten Interviews mit Wallraff; die Welt und Focus Online stellten den dazugehörigen Film und das Buch, das Wallraff herausbrachte, vor.

Ausgerechnet in seinem Artikel über Wallraffs Aktion in der Süddeutschen Zeitung verwendet der bekannte Investigativjournalist Hans Leyendecker, der auch hier in der “SZ” über Wallraff schrieb, den Begriff “Farbiger”. Warum dieser Begriff von gestern ist, erklärt der Verein Der braune mob e. V., ein Verein, der von schwarzen Menschen gegründet wurde, “die in den deutschen Medien und/oder Öffentlichkeit tätig sind” und erreichen will, dass die Darstellung schwarzer Menschen in deutschen Medien fair und ohne Diskriminierung erfolgt. Warum Wallraffs Idee, sich wie ein Sternsinger anzumalen keine neue ist, erfährt man bei Spiegel Online. Der US-amerikanische Schriftsteller John Howard Griffin verkleidete sich nämlich bereits 1959 als Schwarzer und berichtete darüber.

stern.de vermeldet, die Telekom trickse bei der Aufklärung ihrer neuen Datenaffäre. So soll die Kriminalpolizei mehrfach bei der Telekom nachgehakt haben, bis die Konzernsicherheit Anfang Juni endlich Angaben zu einem Vertrag mit einer umstrittenen Firma machte.

“Hat die Bayern LB zu viel für die österreichische Bank Hypo Group Alpe Adria bezahlt?”, fragt die “Süddeutsche” in einem ihrer beiden Berichte (I, II) im Zusammenhang mit dem Fall BayernLB und staatsanwaltlichen Ermittlungen. Die SZ berichtet auch, wie der frühere ZDF-Chefredakteur Klaus Bresser in die Schnüffelakten der Telekom geraten ist. Der SZ lag ein “streng vertraulich” eingestufter Untersuchungsbericht der Düsseldorfer Kanzlei Hengeler Müller zu Anschuldigungen im Fall Siemens/Pierer vor. In der SZ ist daneben Thema, wie ein Gutachten den Ex-Porschechef Wiedeking vom Verdacht illegaler Börsenspekulationen entlasten soll.

Ein schwedischer Reporter hat durch eine ungewöhnliche Recherche schon Stunden früher als andere gewusst, wer diesjähriger Gewinner des Friedensnobelpreises wird. Er studierte schlicht die Gästeliste der Nobelgala, schreibt die tageszeitung.

Das NDR-Medienmagazin ZAPP erhält 2010 möglicherweise doch keinen Sendeplatz in der ARD, weiß Abendblatt-Kolumnist Kai-Hinrich Renner.

Die Bedeutung und Rolle der Recherche im journalistischen Alltag untersucht JournalistikJournal.

Mit der Präsentationsform der Presenter-Reportage bei den Politmagazinen im Öffentlich-Rechtlichen hat sich die Berliner Zeitung beschäftigt.

Wie sich Abmahnungen von Anwälten auf den investigativen Journalismus im Internet auswirken, lässt sich bei zeit.de nachlesen. “Sind deutsche Journalisten zu brav? Fehlt die investigative Bissigkeit?” fragt sich der Deutschlandfunk.

Joachim Huber, Medienredakteur beim Tagesspiegel, schaute sich die vom WDR nicht gesendete Folge mit dem “Die Partei”-Vorsitzenden und Ex-Titanic-Chef Martin Sonneborn, die nach viel öffentlicher Diskussion doch gesendet wurde, als einer der ersten an.

Der Medienjournalist Stefan Niggemeier erhält für “seine hervorragend recherchierten Analysen und klugen Einwürfe zum Medienschaffen in Deutschland” den Hans Bausch Mediapreis 2009 des Südwestrundfunks (SWR), wie sich bei der Netzeitung und beim SWR nachlesen lässt.

Das Bundesverkehrsministerium muss einem politischen Redakteur eines Wochenmagazins nach dem Informationsfreiheitsgesetz keine Auskünfte über Flugbewegungen mutmaßlicher CIA-Gefangenenflüge geben, teilte das Bundesverwaltungsgericht am Freitag (30. 10.) mit.

Der italienische Geheimdienst soll nach einem Zeitungsbericht Taliban-Kommandeure bestochen haben, um nicht angegriffen zu werden, schreibt die Basler Zeitung.

Recherchen des RBB-Magazins Kontraste haben dazu geführt, dass das Wiederanfahren des Kernkraftwerks Biblis gestoppt wurde.

Der Influenza-Koordinator am staatlichen Robert-Koch-Institut berät eine von der Pharmaindustrie finanzierte Vereinigung, so der Spiegel.

Mit Doppelverdienern in deutschen Parlamenten hat sich das SWR-Politmagazin Report Mainz beschäftigt.

Dem ZDF-Politmagazin Frontal21 liegt ein internes Papier der EU-Kommission vor, das den von den Anteilseignern der HSH Nordbank festgelegten Aktienwert des Geldhauses für deutlich zu hoch halten soll.

Für Furore sorgte ein Ende September ein unter anderem von Spiegel Online bekannt gemachtes Strategiepapier, das präzise beschreibt, wie die öffentliche Debatte im Bundestagswahlkampf zugunsten der Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken beeinflusst werden kann. Spiegel Online zufolge steht auf dem Deckblatt des Strategiepapiers, dass es von der Berliner Lobbyagentur PRGS „für die E.on Kernkraft GmbH“ erstellt worden sei. E.on selbst behauptet das Papier nie in Auftrag gegeben zu haben.

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