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Erfolg für Piraten und Petition: Internetsperren ausgebremst

von , 16.10.09

Die ersten Meldungen zum Kompromiss bei den Koalitionsverhandlungen in Sachen Internetsperren waren mehrdeutig. Die Deutsche Presseagentur (dpa) meldete, “dass das Bundeskriminalamt (BKA) zunächst versuchen soll, die auffälligen Seiten zu löschen statt zu sperren.” Nach einem Jahr solle die Situation neu bewertet werden.

Das Bundeskriminalamt “soll zunächst versuchen“? Das klingt fast schon obzön vage:

  • Was geschieht, wenn die Löschversuche scheitern – innerhalb und nach der Jahresfrist?
  • Wird innerhalb der Jahresfrist nach vergeblichen Löschversuchen trotzdem gesperrt?

Markus Beckedahl ist wenig beeindruckt: “Das klingt eher wie eine Aufschiebung.” Blogger Lemabu fragt skeptisch, ob sich das BKA innerhalb der Frist “tatsächlich um erfolgreiche Löschungen bemühen” werde?

Die Einigung in der Koalitionsrunde ist tatsächlich etwas eindeutiger, als es die dpa-Meldung zunächst nahe legt. Wie sich bei der Konkurrenzagentur AFP nachlesen lässt, haben sich Union und FDP auf eine vollständige Aussetzung der Internetsperren für ein Jahr geeinigt. Innerhalb dieser Frist werde nur gelöscht nicht gesperrt.

Die eigentlich ab Samstag geplanten Internetsperren wird es damit vorerst nicht geben. Spiegel Online titelt opulent: FDP stoppt Internetsperren.

Ist die Interpretation eines “Stoppsder Sperren durch die FDP gerechtfertigt? Oder gilt es nicht im Gegenzug  zu betonen, dass sich die Union mit der Aussetzung nur Zeit erkauft hat – um die Sperren später doch noch einzuführen?

Aus der inneren Logik von Koalitionsgerüsten ist dies tatsächlich ein Erfolg für die FDP. Die Partei hat eine Aussetzung der Sperren bewirkt, die nur mit ihrer Zustimmung zurückgenommen werden kann. Über die Zukunft der Sperren und den Erfolg der Löschungbestrebungen entscheidet nicht das BKA, sondern die Koalition. Ohne Zustimmung der FDP kann es somit in dieser Legislaturperiode keine Internetsperren geben. Solange sind logischweise auch die Providerverträge hinfällig.

Die FDP hat sich folglich eine Veto-Option für die Einführung der Internetsperren gesichert, während die Union akzeptieren musste, dass es offenbar vorerst eine gangbare Alternative zu den angeblich unverzichtbaren Sperrinfrastrukturen gibt. “Plötzlich geht es ohne“, freut sich Udo Vetter. Aus der Dynamik der Abläufe folgt zusätzlich: Was einmal ausgesetzt ist, ist von derselben Regierung so schnell nicht wieder in Gang zu bekommen.

Die FDP ist augenscheinlich sehr zufrieden mit diesem Verhandlungsergebnis. Die Rechtspolitik bietet der Partei eine dringend benötigte Verbreiterung des Profils, um auch zukünftig annähernd hohe Wahlergebnisse wie zuletzt erzielen zu können. Ganz bewußt hatte sie daher vor der Wahl auch eine Rücknahme der Sperren versprochen.

Für die Union hat das Gesetzesvorhaben seine Schuldigkeit als Wahlkampfinstrument bereits getan. Sie weiß um die handwerklichen Mängel des hastig eingebrachten Zugangserschwerungs-Gesetzes – wahrscheinlich wäre es ohnehin irgendwann vom Verfassungsgericht kassiert worden, da der Bund hier überhaupt nicht zuständig ist.

Politisch ist dies aber nicht so sehr ein Erfolg der FDP als vielmehr der 850.000 Menschen, die bei der letzten Bundestagswahl Piratenpartei gewählt haben und der über 134.000 Unterzeichner der Petition gegen die Internetsperren. Es ist der Erfolg der politischen Bewegung der letzten Monate, dieses Thema ins Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt haben.

Internetpolitik ist nicht mehr ein Feld, dass einige Zehntausend bewegt – sondern sehr, sehr viel mehr. Das haben FDP und Union begriffen. Auch zur Eindämmung der Piratenpartei von oben haben sie heute beschlossen, das Thema Internetsperren aus der Konfrontationslinie zu nehmen.

Wichtig an Koalitionsverträgen ist übrigens nicht nur, was dort drin steht – sondern auch, was dort nicht zu finden ist. So wie es aussieht, wird dort nichts Konkretes zum Thema Urheberrecht und Internet fixiert sein. Dabei stand die Forderung nach Olivenne-Sperren in einer frühen Version des CDU-Wahlkampfprogramms  und Innenminister Wolfgang Schäuble betonte erst vor wenigen Tagen: “Kultur wie Marktwirtschaft gehen nicht ohne den Schutz geistigen Eigentums”.

An diesem Punkt werden sich Wolfgang Schäuble und Guido Westerwelle sehr schnell einig sein. Die ganz knifflige  und auch konkret viel bedeutendere Frage für die nächsten vier Koalitionsjahre wird daher lautet: Was macht Schwarz-Gelb in Sachen Urheberrecht/Internet?

Dazu wird  aus gutem Grund wohl nichts Konkretetes im Koalitionsvertrag zu finden sein.

Die Aussetzung der Internetsperren ist gegen solch ein zentrales Thema fast schon hübsche Symbolpolitik.

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