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Himmel und Hölle: Facebook greift nach den Sternen

von , 22.4.10

Dieser Schritt musste eines Tages kommen und Facebook hat ihn gewagt. Denn das Internet ist schon lange nicht mehr nur ein einfaches Netzwerk von Servern und Datenleitungen, das (einzelne) Botschaften eines Senders zum Empfänger transportiert wie eine Art digitale Briefpost. Nein, das Internet ist zu einem sich unablässig ausdehnenden Datenuniversum geworden, dass jeden unserer Schritte darin zu protokollieren und in beliebigen Kontexten neu darzustellen vermag.

Den vorläufigen Kulminationspunkt dazu liefert uns Facebook. Ab jetzt treffen wir unsere Freunde nicht mehr nur direkt auf Facebook, sondern praktisch überall im Netz. Wir rufen eine Seite auf und sehen, dass jemand aus unserem Freundeskreis schon dort war und einen bestimmten Inhalt gut fand. Umgekehrt gilt das natürlich auch: Was wir auf einer Seite “liken”, können später unsere Freunde sehen, wenn sie dort vorbeischauen.

Die Technik dazu fällt in den neuen Bereich der Social Plugins, mit denen im Grunde genommen Daten aus Facebook in die Weiten des Internets hinausgetragen werden und dort wiederum vielfache Anbindungen bzw. Bezüge zurück zum Social Network herstellen. So reizvoll das Konzept ist, so wirkungsarm könnte es bleiben. Denn auf den viel besuchten Seiten trifft man so immer wieder die gleichen Freunde, während man auf den sehr selten aufgerufenen Seiten, die man etwa über eine Suchmaschine gefunden hat, vermutlich auch kein bekanntes Gesicht aus dem Facebook-Katalog treffen wird.

Facebook aber wäre nicht Facebook, würde es nur etwas Neues für seine User bereithalten. Mark Zuckerberg denkt natürlich auch an das Geld und den künftigen Aktienkurs seines Unternehmens. Das Open Graph Protocol ist das Instrument dafür, weil es Daten über das Verhalten der Facebook-User an Dritte weitergibt. Wenn wir also auf einer Seite im Web etwas mittels des Facebook-Buttons “liken”, wandert diese Information nicht nur in unseren Freundeskreis auf Facebook, sondern verbleibt unbegrenzte Zeit (!) mit Angaben zur Person bei der Seite, auf der wir die Aktion durchgeführt haben.

Mehr noch: Seitenbetreiber werden künftig die Möglichkeit haben, uns nach solchen Vorgängen kontextrelevante Informationen (sprich: Werbung) in unseren Livestream auf Facebook einblenden zu können. Das wird ohne Zweifel die Datenschützer und auch unsere Verbraucherministerin, Ilse Aigner, noch beschäftigen.

Ein weiterer, sehr bemerkenswerter Punkt der Keynote von Mark Zuckerberg war der Begriff “Search“. Für das Suchen im Internet ist ja eigentlich Google zuständig, doch bei Facebook sieht man das jetzt offenbar anders. Denn nach den jüngsten Änderungen bei den Privacy-Einstellungen sind bekanntlich viele Daten auf Facebook nicht mehr privat, sondern öffentlich sichtbar und damit auch suchbar. Entwickler sollen dies für die Entwicklung von Applikationen nutzen können, aber im Hintergrund zeichnet sich etwas ganz Anderes ab: Eine Suchmaschine, die anders als Google nicht auf der Verlinkung von Webseiten untereinander (PageRank) aufbaut, sondern auf sozialen Kriterien von Bewertungen und Empfehlungen.

Noch dürfte diese Facebook-Suchmaschine nicht viel mehr als eine Vision sein, aber sie könnte Realität werden und damit vielleicht zu einer mächtigen Konkurrenz für Google. Entscheidend dafür aber wird sein, wie weit es Facebook gelingen wird, sein neues Konzept von “Social” als Standard im Internet durchzusetzen.

Das Unternehmen wagt damit viel. So faszinierend nämlich das Konzept des ubiquitären Meta-Netzwerkes ist und so technisch brillant seine Umsetzung sein mag, so heftig werden die Gegenreaktionen ausfallen. Mark Zuckerberg war sichtlich nervös und angespannt während seiner Präsentation, wissend, dass sein Griff nach den Sternen nicht überall gern gesehen wird.

Auf alle Fälle verdient er Respekt, denn er denkt in großen Dimensionen und zeigt uns ein Stück Zukunft. Freilich muss nun sein Konzept genauer geprüft und diskutiert werden. Dabei könnte sich auch herausstellen, dass der Nutzen für die User gar nicht so hoch ist. Denken wir nur an Amazon: Was würden wir dort kaufen, wenn wir nur auf die Empfehlungen unserer Freunde zurückgreifen könnten? Auf Amazon gibt es keinen Social Graph, weil er für die Kunden dort keinen großen Sinn macht. So gesehen könnte Mark Zuckerberg die Wirkung des allgegenwärtigen “like” und “share” überschätzen. Tatsächlich wird sich das aber erst in der Praxis zeigen.

Sicher ist schon jetzt, dass Facebook mit den Ankündigungen der diesjährigen f8-Konferenz Geschichte geschrieben und das Internet verändert hat – und das ganz ohne das Vokabular, das bei Steve Jobs allgegenwärtig ist. Mark Zuckerberg macht das ohne Worte wie “magical” oder “revolutionary” verwenden zu müssen.

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