#Ali Ahmad Said Asbar

Heribert Prantls zweierlei Maß

von , 4.9.15

Um die Verleihung des Erich-Maria-Remarque-Friedenspreises an Ali Ahmad Said Asbar, der unter dem Künsternamen Adonis publiziert, ist ein Streit ausgebrochen. Während Jury-Mitglied Heribert Prantl die Entscheidung nachdrücklich rechtfertigt, hat Navid Kermani mit Hinweis auf Adonis politische Kommentare abgelehnt, die Laudatio zu halten. In verschiedenen Interviews hatte Adonis eine klare Kritik am Vorgehen Baschar al-Assads verweigert. Im Interview mit der Deutschen Welle klingt das 2011 dann so:

Khaula Saleh: „In Ihrem ‚Offenen Brief an Baschar Al Assad‘ bezeichnen Sie Assad als den gewählten Präsidenten. Dabei ist er in Wirklichkeit nicht gewählt. Sein Vater kam durch einen Militärputsch an die Macht und Bashar hat ihn beerbt, ohne Konsultation des Volkes. Jeder weiß, dass Abstimmungen oder Wahlen im syrischen Parlament keinerlei Bedeutung haben – und dass es dort keine Meinungsfreiheit gibt. Die Opposition hat Ihren Ausdruck ‚gewählter Präsident’ deshalb kritisiert. Was haben Sie damit bezweckt?“

Adonis: „Gibt es denn in der gesamten arabischen Welt überhaupt ein Parlament, das in freier Wahl gewählt wurde? In Syrien hat es immerhin Wahlen gegeben – und es wurde ein Parlament gebildet. Das Parlament ist gewählt, und dieses gewählte Parlament hat diesen Präsidenten gewählt. Ja, vielleicht waren diese Wahlen gefälscht. Vielleicht können wir sagen: Dieser Mann ist gewählt – aber die Wahl ist gefälscht. Aber warum sollen wir uns mit Worten aufhalten?!

​​Bashar Al-Assad ist nicht wie sein Vater durch einen Militärputsch an die Macht gekommen. Vielmehr wurde er – wenn auch formell – durch ein Parlament gewählt, welches – wenngleich ebenfalls nur formell – vom Volk gewählt wurde. In diesem Sinn habe ich ihn als einen ‚gewählten Präsidenten’ bezeichnet, denn er ist kein Militär. Bashar Al-Assad ist nicht durch einen Militärputsch an die Macht gekommen.“

Klingt so die „Aufklärung“, für die Adonis nach Meinung von Prantl eintritt und den Preis zu Recht erhalten werde? „Gewählt“, weil nicht durch einen Putsch an die Macht gekommen? Wer „Prantl“ und „Rechtsstaat“ bei Google eingibt, erhält eine Vielzahl beeindruckender Texte, in denen der Kommentator nicht immer überraschend, aber immer entschieden für den deutschen Rechtsstaat eintritt. Gelten diese Maßstäbe nicht jenseits des Mittelmeers, weil dort eine andere Wirklichkeit herrscht? Sind sie nicht universell? Heribert Prantl ist ein hocherfahrener politischer Kopf, Leiter des Ressorts Innenpolitik und Mitglied der Chefredaktion der Süddeutschen Zeitung, von der bislang zumindest im Web kein Kommentar zu lesen war.

Mit dem Erich-Maria-Remarque-Friedenspreis werden nach eigener Auskunft „Autorinnen und Autoren ausgezeichnet, die sich mit den Themen ‚Innerer und äußerer Friede’ auseinander setzen, sowie Persönlichkeiten, deren publizistisches Engagement für Frieden, Humanität und die Freiheit des Menschen beispielhaft ist.“ Die beeindruckende Liste der bisherigen Preisträger von Lew Kopelew über Uri Avneri bis Henning Mankell zeigt, dass es sich nicht um einen Lyrik-Preis oder eine Prosa-Medaille handelt, sondern dass Künstler für ihr politisches Engagement ausgezeichnet wurden. Die Stadt Osnabrück, die den Preis verleiht, erläutert nun beschwichtigend, mit der Auszeichnung für Adonis sei „beabsichtigt gewesen, intensiv über die Problematik in Syrien ins Gespräch zu kommen, über Lösungsmöglichkeiten zu diskutieren“. Zweifellos ließe sich ein Kommentar von Heribert Prantl finden, in dem er darlegt, dass ernsthafte Lösungen nur erreicht werden können, wenn man die Dinge bei ihrem richtigen Namen nennt und nicht Wahrheit und Lüge vermengt. Recht hätte er damit, der Prantl. Gilt für syrische Verhältnisse ein anderes Maß?

 

PS: Es könnte aber auch banaler sein. Im anschwellenden Preis- und Jury-Betrieb hat die Jury ein bisschen geschlampt und nicht genau hingeschaut. Nun traut sie sich nicht, den Fehler zu korrigieren.

 

 


 

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