#Corona-Krise

»Hände waschen« – wie eine Covid-19-Botschaft zum Zynismus verkommt.

Wir dürfen in unserer Solidarität und der Sorge um unsere Mitmenschen diejenigen nicht vergessen, die unter prekären Bedingungen weit weg von ihrer Heimat ausharren müssen. Die Arbeit des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen ist gerade auch in diesen Zeiten so wichtig.

von , 8.4.20

Das Mantra der Virologen ist weltweit das gleiche: Immer intensiv und lange genug die Hände waschen, Abstand halten. Wasser und Seife sind der beste Schutz gegen Corona, so hören wir es jeden Tag. Sich entsprechend schützen kann aber nur, wer Abstand halten kann, wer ausreichend Wasser und Seife hat. So gehört auch das zur bitteren Corona-Wahrheit: die erschütternden Bilder von überfüllten und unmenschlichen Bedingungen in den Flüchtlingslagern, nicht nur in Griechenland. Sie begleiten uns seit vielen Monaten und nicht erst seit dem Ausbruch der COVID-19 Pandemie.

Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) und der Hohe Flüchtlingskommissar, Filippo Grandi, haben die Europäische Union immer wieder aufgefordert, Griechenland mit dieser enormen Herausforderung nicht alleine zu lassen. Die extreme Überfüllung, die völlig unzureichende sanitäre Situation und die fehlende medizinische Versorgung lassen ein weiteres Abwarten nicht mehr zu. Bereits Anfang März hatte man sich im Berliner Koalitionsausschuss geeinigt, sich angemessen an einer »Koalition der Willigen« zu beteiligen, die 1000 bis 1500 Kindern und besonders verletzlichen Menschen Schutz zu bieten sollte. Neben Deutschland und Luxemburg hatten sich Frankreich, Irland, Portugal, Finnland, Kroatien und Litauen dazu bereiterklärt. Das Versprechen ist jetzt auch schon wieder einen Monat alt und Luxemburg hat am vergangenen Wochenende mit der Aufnahme von 12 unbegleiteten Minderjährigen gezeigt, dass man es nur umsetzen muss. Jetzt folgt Deutschland mit 50 Kindern und kündigt an, dass weitere folgen sollen. Die Flüchtlingskatastrophe und die Corona-Pandemie treffen zusammen und jeder weiß, dass jetzt gerade eintritt, wovor seit langem gewarnt wurde: das Virus breitet sich aus.

Zwei griechische Flüchtlingslager auf dem Festland sind bereits unter Quarantäne gestellt. Es ist voraussichtlich nur eine Frage der Zeit ist, bis das Virus auch die Flüchtlingslager auf den Inseln erreicht. In Moria, dem größten Flüchtlingscamp auf der griechischen Insel Lesbos, leben rund 20.000 Menschen auf engstem Raum. Ohne direktes Handeln droht auch dort die schnelle Ausbreitung. Menschen, die aufgrund der extrem schlechten Unterbringungssituation schon geschwächt sind, werden mit voller Wucht in diese Katastrophe geraten. Und dieses Risiko gilt nicht nur für die Flüchtlinge, sondern auch die Bewohner*innen der betroffenen Inseln. So muss zeitgleich Griechenland auch dabei unterstützt werden, die Aufnahme von Flüchtlingen in den Camps wieder an den tatsächlichen Möglichkeiten für eine menschenwürdige Unterbringung zu orientieren. Alle schutzsuchenden Menschen, die diese Aufnahmemöglichkeiten überfordern, müssten zunächst auf das Festland gebracht werden. Nur wenn diese Schritte auch umgesetzt werden, kann das drohende Risiko einer möglichen Katastrophe auf den griechischen Inseln reduziert werden.

Die tödlichste Grenze Europas ist bislang das Mittelmeer. Fast 18.000 Menschen starben dort in den letzten fünf Jahren im Mittelmeer oder gelten als verschollen. Filippo Grandi appellierte deshalb zurecht an die Regierungen dieser Welt endlich zu handeln, denn solange es keine legalen Alternativen gibt, werden Flüchtlinge sich weiterhin in die Hände von Schlepper*innen begeben und ihr Leben riskieren. Der UNHCR-Vertreter, Frank Remus, hat erneute Anstrengungen der Europäischen Union zur Rettung von Migranten aus dem Mittelmeer gefordert. Es brauche deshalb eine neue EU-Mission, die auch die Rettung von Flüchtenden vorsehe. 

Aber es ist ja nicht allein die Situation auf den griechischen Inseln, die jetzt eine internationale Antwort erfordert. Es geht auch um die Menschen, die es aktuell – trotz katastrophaler Bedingungen – nicht mehr in die Nachrichten schaffen: Menschen auf der Flucht aus Myanmar, im Jemen, in Syrien oder Venezuela.

Über 70 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht und sie gehören in der aktuellen Situation ganz sicher zu den verwundbarsten und gefährdetsten Gruppen. Sie mussten vor Krieg und Gewalt fliehen und ihre Heimat verlassen. Oft haben sie unvorstellbar lange Fußmärsche, mit wenig oder nichts zu essen hinter sich, ehe sie in Sicherheit sind. So geschwächt sind sie natürlich viel schneller anfällig für jede Krankheit. Und wenn sie in Sicherheit sind, dann sind es oft überfüllte Lager mit notdürftigen und kalten Unterkünften oder unzureichenden Sanitäranlagen, in denen sie Zuflucht finden.

Wir dürfen in unserer Solidarität und der Sorge um unsere Mitmenschen diejenigen nicht vergessen, die unter prekären Bedingungen weit weg von ihrer Heimat ausharren müssen. Die Arbeit des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen ist gerade auch in diesen Zeiten so wichtig: der UNHCR kümmert sich die lückenlose Versorgung mit sauberem Wasser, Seife, Sanitäranlagen, verstärkt Maßnahmen zur Abfallentsorgung und unterstützt die Ausbildung von Personal zur Sicherstellung der Infektionskontrolle. Die Antwort auf eine globale Pandemie kann nur eine globale sein – die Ausbreitung des Virus muss in allen Ländern eingedämmt werden und alle Risikogruppen haben ein Recht darauf, angemessen geschützt und behandelt zu werden.

Weitere Informationen zur UNO-Flüchtlingshilfe, dem deutschen Partner des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) hier.


©UNHCR/Achilleas Zavallis
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