So wie aus dem Putsch die Chance für eine Rückkehr der Demokratie wird, bringt der Tesla-Deal die Chance, dass das Lithium aus Bolivien doch noch nach Deutschland kommt.
von Stefan Heidenreich, 14.11.19
Gestern kamen zwei Nachrichten über Tesla. Die eine war, dass Elon Musk bei Berlin eine Fabrik eröffnen will. Das war aber nicht die einzige gute Nachricht über das Unternehmen in letzter Zeit. Die andere kam aus Bolivien. Und die hatte mit zwei Rücktritten zu tun.
Die Geschichte beginnt damit, dass der amtierende Präsident von Bolivien, Evo Morales, die dortigen Wahlen am 20. Oktober gewonnen hatte. Dagegen kam es zu Protesten, aber nach allem was unabhängige Wahlbeobachter sagen, ging es mit rechten Dingen zu. Drei Wochen später wurde Morales zurückgetreten. Oder wie soll man das nennen, wenn zuerst das Militär sagt, er soll gehen, und er das dann auch tut? Manche Journalisten sprachen da lieber von einem Putsch. Einige Politiker der Linken wie Jeremy Corbyn und Bernie Sanders protestierten gegen den Vorgang. Von Konservativen oder Sozialdemokraten gab es bisher zu dem Fall so gut wie nichts zu hören. Die deutsche Regierung hatte offenbar nichts einzuwenden, sondern sprach von »einem wichtigen Schritt hin zu einer friedlichen Lösung.«
Dieser Sicht der Dinge schloss sich auch ein Großteil der Medien an. Die Schuld für den Rücktritt gaben sie Morales selbst. Er habe sich an die Macht geklammert, als ob das nicht genau das ist, was von einem gewählten Präsidenten erwartet wird. Oder er sei seiner Hybris zum Opfer gefallen, und nicht einer von Bibelfaschisten organisierten Machtübernahme. Im Sinn eines Eintretens für Demokratie hätte man sowohl von Politikern als auch von Journalisten eine etwas, wie soll man sagen, entschiedenere Ansicht erwartet. Trump hat sogar versucht, den Putsch als eine Rückkehr zur Demokratie zu verkaufen. Spätesten seit Morales’ letzter Rede vor der UN-Versammlung mochten sich die beiden nicht sonderlich.
Mittlerweile kommen manchen Zeitungen Zweifel an ihrer ursprünglichen Version. Aber die werden sehr zaghaft geäußert. Putsch oder Demokratie? Ist doch egal, »denn diese scheinbaren Gegensätze schließen sich nicht aus.« Das hatte ich bis jetzt noch nicht so gesehen, aber dann ist ja alles in Ordnung. Eine Putschdemokratie eben.
Kommen wir zu dem zweiten Rücktritt in Bolivien. Der traf auf weit weniger Gegenliebe aus Deutschland. Denn das Land trat, nachdem Morales den Deal gerade unterzeichnet hatte, ganz überraschend von einem deutschen Projekt zur Förderung von Lithium zurück. Es wäre ein Projekt unter Einsatz neuer Technologien gewesen, das hohe Umweltstandards verfolgt und zusammen mit Boliviens Staatsunternehmen lokal mehr Wertschöpfung gebracht hätte. Ein gutes Projekt, eine deutsches Vorzeigeprojekt. Und kein kleines Vorhaben. Der Salzsee im Süden des Landes, um den es ging, birgt eine der weltweit größte bekannten Lagerstätte von Lithium. Eigentlich wären beide Rücktritte gute Gelegenheiten gewesen, wenn schon nicht für Demokratie, so doch für deutsche Rohstoffinteressen einzutreten. Oder für beides.
Wie auch immer, den Aktien von Tesla haben die Rücktritte in Bolivien gut getan. Denn der Konzern hatte sich um dieselben Schürfrechte bemüht, kam aber nicht zum Zuge, weil er nicht bereit war, auf die umwelt- und menschenfreundlichen Vorgaben der Regierung Morales einzugehen.
»Tesla (United States) and Pure Energy Minerals (Canada) both showed great interest in having a direct stake in Bolivian lithium. But they could not make a deal that would take into consideration the parameters set by the Morales government.« schreibt die Asia Times.
Um so besser, daß Tesla uns nun eine Fabrik vor die Tore von Berlin bauen will. Denn so wie aus dem Putsch die Chance für eine Rückkehr der Demokratie wird, bringt der Tesla-Deal die Chance, dass das Lithium aus Bolivien doch noch nach Deutschland kommt.