#Abmahnung

Größtmögliche Transparenz à la Duisburg: Wie die Stadt Journalisten abblitzen lässt

von , 24.8.10

Als am Mittwoch die Anhänge des Gutachtens zur Loveparade, das die Kanzlei “Heuking Kühn Lüer Wojtek” im Auftrag der Stadt Duisburg angefertigt hatte, im Internet verbreitet wurden, bekam auch ich die Dokumente zugeschickt. Ich sichtete die Dokumente und stieß dabei auf ein als “Vertraulich” gekennzeichnetes “Vorläufiges Ablaufkonzept” zur Loveparade 2010. In dem Dokument heißt es unter dem Punkt “Sicherheit/Entfluchtung”:

Ein detailliertes Sicherheits- und Entfluchtungskonzept wird in einem noch zu konstituierenden Arbeitskreis ‘Sicherheit’ der Stadt Duisburg unter Einbindung aller Interessenträger und insbesondere der zuständigen BOS (Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben, Anm. d. Red.) erarbeitet.

Eine erste Gesprächs- und Abstimmungsrunde habe bereits “eine Reihe von – lösbaren – Herausforderungen” ergeben, jedoch ohne “unbeherrschbare Risiken aufzuzeigen”. Zu den Möglichkeiten gehöre auch

die Sperrung des Zugangs zum Gelände (bei unerwartet starkem Besucherandrang).

Es sei bereits “Konsens”, dass

“das Veranstaltungsgebiet durch eine praktisch unüberwindliche Sicherheitssperre (gegenwärtige Planung: Doppelzaun mit Fahrgasse) von den Bahngleisen abgeschirmt” werde.

In einem weiteren, nicht näher betitelten Dokument ist die Rede von einer “Arbeitsgruppe 4  Sicherheit”. Dem Dokument zufolge oblag die Leitung des Arbeitskreises, der unter anderem für die Bereiche “Betreuung von An-/Abreisenden”, “Rettungs- und Sanitätskonzept”, “Ermittlung Besucherzahl” und “Sicherheit auf dem Gelände” zuständig war, zwei in dem Dokument namentlich benannten Mitarbeitern des Ordnungsamtes der Stadt Duisburg. Als “Mögliche Teilnehmer” des Arbeitskreises werden neben Polizei und Feuerwehr auch der Loveparade-Veranstalter Lopavent GmbH und Call Duisburg, das bundesweit erste telefonische Informations- und Servicecenter einer Stadt, aufgeführt.

Da ich Genaueres wissen wollte, schickte ich der Pressestelle der Stadt Duisburg am Mittwochabend eine Presseanfrage, in der ich unter anderem Auskunft darüber erbat, welche Personen dem Arbeitskreis “Sicherheit” in welcher Funktion angehörten, wie oft und wann das Gremium tagte und, ob die Mitglieder des Arbeitskreises eine besondere Aufwandsentschädigung erhielten.

Am Donnerstagabend dann sah ich die aktuelle Ausgabe des NDR-Magazins ZAPP. Darin hieß es in einem Beitrag über das neue Medienimage des Duisburger OBs Sauerland:

Doch die Duisburger Stadtverwaltung schweigt beharrlich. Versteckt sich hinter den laufenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft. Auch die Pressestelle – abgetaucht.

ZAPP zitierte zudem den Tagesspiegel-Korrespondenten Jürgen Zurheide mit den folgenden Worten:

Wir haben Fragen gestellt unendlich. Wir haben angerufen, man wurde nicht zurückgerufen. Die Fragen, die wir gestellt haben, wurden wenn ganz knapp beantwortet mit zwei Zeilen, aber nie haben wir die Auskunft bekommen, die wir haben wollten.

ZAPP berichtete auch, dass die Stadt der Anwaltskanzlei “Heuking Kühn Lüer Wojtek”, die in der Vergangenheit mehrfach für die Stadt Duisburg tätig war und einen Sauerland entlastenden Bericht anfertigte, die Pressearbeit überließ und Presseanfragen an diese weitergeleitet worden seien. Die Stadt habe zudem einen früheren Journalisten als PR-Berater engagiert.

Am Freitag dann bekam ich eine Antwort der Pressestelle der Stadt Duisburg, die sich 1: 1 in die bereits bekannte Praxis der Duisburger Stadtverwaltung fügt:

Sehr geehrter Herr Oppong,

Ich bitte um Verständnis, dass ich Ihre Fragen heute nicht beantworten kann.

Die Stadt Duisburg erstellt zurzeit den Abschlussbericht über ihre Zuständigkeiten und die Aufgabenerfüllung im Zusammenhang mit der Loveparade. Dieser wird spätestens zur Sitzung des Innenausschusses des Landtages NRW am 2. September 2010 vorliegen.

Die Stadt verfolgt das Ziel, einen wesentlichen Beitrag zur Gesamtaufklärung des tragischen Unglücks zu leisten. Die größtmögliche Transparenz soll mit einer zusammenfassenden Darstellung hergestellt werden.

Daher sieht die Stadt Duisburg vor Erstellung des Abschlussberichts davon ab, Einzelanfragen zu beantworten, zumal diese im Lichte der Abschlussberichts gesehen werden müssen, der zunächst dem Souverän des Landes und den Ermittlungsbehörden vorzulegen ist.

Der Abschlussbericht wird wie bereits der am 3. August 2010 vorgelegte Zwischenbericht danach zeitnah öffentlich zugänglich gemacht und auch Ihnen zur Verfügung stehen.

Antworten auf die von Ihnen aufgeworfenen Fragen werden in den Abschlussbericht Eingang finden. Auf Basis des Abschlussberichts wird die Stadt Duisburg auch mögliche ergänzende Fragen beantworten.

Konkret bedeutet das: Bis zum 2. September will man offenbar Journalisten zumindest über die Zusammensetzung der “Arbeitsgruppe ‘Sicherheit'” gar keine Auskunft geben. Es ist recht merkwürdig, dass man als Journalist nicht einmal erfahren darf, welche Institutionen – und es geht hier nicht um Namen konkreter Personen – in dem Gremium vertreten waren. Zumal in dem genannten Dokument bereits “Mögliche Teilnehmer” genannt werden. Größtmögliche Transparenz sieht anders aus.

Wie neutral der Abschlussberichts sein wird, steht in den Sternen. Daneben ist schwer zu beantworten, wie groß das Interesse des Akteurs Stadt Duisburg an einer “Gesamtaufklärung” und an “größtmöglicher Transparenz” ist. Die Stadt machte zudem keine genaueren Angaben, in welcher Weise sie den Abschlussbericht “öffentlich” machen will. Einen kleinen Vorgeschmack, wie Transparenz bei der Stadt Duisburg aussieht, hat die Öffentlichkeit bereits erhalten:

Der Zwischenbericht wurde zwar veröffentlicht, nicht jedoch sein 335-seitiger Anhang. Gegen das Blog, das diesen veröffentlichte, erwirkte die Stadt Duisburg eine einstweilige Verfügung. Die Stadt Duisburg spricht jetzt davon, dass die Transparenz mit einer “zusammenfassenden Darstellung” hergestellt werden soll. Gleichzeitig gibt die Stadt Duisburg zu Einzelfragen, die die Anhänge des ersten Berichts betreffen, keine Auskunft.

Wie brisant die Details um die Arbeitsgruppe Sicherheit sind, lässt ein Bericht bei Spiegel Online erahnen, der am Samtag erschien.

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