#Demokratie

Griechenland: “Weiter so” heißt jetzt “Stabilität”

von , 18.6.12

Fehlverhalten darf nicht belohnt werden. Wenn man denn eine Linie finden wollte in der Argumentation der Bundesregierung in der europäischen Schuldenkrise, dann wäre es dieser Satz. Er rechtfertigt ungeheure Einschnitte anderswo. Die da unten sind schließlich selbst schuld.

Griechenland hat gewählt, und auch die deutsche Bundesregierung hat alle ihr zur Verfügung stehenden Druckmittel eingesetzt, um die nächste griechische Regierung von einem Mann bilden zu lassen, der wie kein Zweiter auf den Wahllisten für Fehlleistungen der Vergangenheit steht. Nachdem der letzte demokratisch gewählte – und wie man inzwischen weiß: tendenziell auch mutige – Ministerpräsident Papandreou zurücktreten musste, weil er ein Referendum über die Sparpakete und damit letztlich den Verbleib des Landes im Euro durchführen wollte, haben Kräfte außerhalb Griechenlands die Parlamentswahl zum Referendum über die Sparpakete und den Verbleib des Landes im Euro umdeklariert. Nachdem nun das Ergebnis zwar „Weiter so“ bedeutet, aber einfach „Stabilität“ genannt wird, steigen die Bankaktien weltweit – in Griechenland in den letzten Tagen, in denen das Wahlergebnis vorhergesagt war, um rund zwanzig Prozent.

Diejenigen sind belohnt worden, die das Land in die Situation gebracht haben, in der die Bevölkerung stärker als jede andere in Europa unter der Schuldenkrise leidet. Banken, die durch verantwortungslose Kreditvergabe – „billiges Geld“ – diese Krise mitverursacht und ausgelöst haben, bekommen ihre Gewinne weiter durch Steuerzahler garantiert, zunächst griechische und spanische, im Zweifel demnächst aber auch deutsche und andere.

Schon das allein zeigt, dass von Angela Merkels „marktkonformer Demokratie“ am Ende nichts übrig bleibt. Sie ist keine Demokratie und auch kein freier Markt. Die Griechen hatten bei offener Betrachtung bei dieser Wahl vielleicht ohnehin nur untaugliche Mittel zur Verfügung, den Kreislauf zu brechen, aber sie haben sich letztlich dem Druck gebeugt und konnten offenbar nicht diejenigen sein, die es zumindest versuchen. Diese Aufgabe fällt nun Spanien zu. Denn der Kreislauf ist bisher immer derselbe: „Hilfe“ erfahren Länder immer nur in Form höherer Schulden, während ihnen gleichzeitig die Werkzeuge genommen werden, sie bezahlen zu können.

Im New Yorker schreibt John Lanchester, eine merkwürdige Eigenschaft („peculiar feature“) der Euro-Krise sei, dass ihre Lösung wirtschaftlich so offensichtlich sei: gemeinsame Schulden. Das setzt natürlich eine stärkere europäische Integration voraus.

Einfach Vereinigte Schulden von Europa einzuführen, ohne gemeinsame Wirtschafts-, Sozial- und Fiskalpolitik, ist aus meiner Sicht keine nachhaltige Lösung. Eine stärkere politische Integration setzt aber demokratische Legitimation voraus. Die Menschen müssen es wählen. Europa braucht mehr Demokratie. Tatsächlich aber wird die Demokratie jeden Tag schwächer: Immer mehr Regierungen sind nicht gewählt. Die Wahl in Griechenland ist in bisher ungekannter Intensität durch Angst- und Droh-Propaganda von außen beeinflusst und immer mehr lebensbestimmende Entscheidungen werden in Kommissionen von Beamten getroffen, die nie ein Bürger gewählt hat.

Die belgische Zeitung De Standaard kommentiert den Wahlausgang so (zitiert nach SpOn)

Das ist es, was die Euro-Krise mit Ländern und Völkern macht: sie haben nur noch die Wahl zwischen Unterwerfung oder finanziellem Untergang. Der Schaden ist größer als die verbrannten Milliarden. Die Idee der Einigung Europas ist fatal untergraben.

Das ist richtig, so lange der größte Trick der Verursacher dieser Krise weiter Bestand hat: Dass die Grenzen hier zwischen den Völkern verlaufen. In Wahrheit verlaufen sie zwischen denen, die für die Krise bezahlen, und denen, die daran verdienen. Das Geld ist ja nicht weg. Es ist nur woanders.

Die richtige Antwort auf diese Krise heißt im doppelten Sinne mehr Demokratie: Eine stärkere Legitimation Europas mit gewählten Funktionsträgern – und die Wiederherstellung des Primats der Politik über die Märkte. Das „Weiter so“, wie es in Griechenland heute so hoch gelobt wird, ist in Wahrheit gar keine Antwort, sondern im besten Fall ein gewonnener Tag. Morgen brauchen wir dann aber wirklichen Mut.

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