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Google und die Telekom: Sind das die neuen Verleger?

von , 16.12.09

„Im Kern“, schreibt Rechtsanwalt Thomas Stadler, „geht es darum, dass man einen Telekommunikations-Dienstleister, der eine rein technische und neutrale Leistung erbringt, nicht für die Kontrolle von Inhalten heranziehen darf, weil dies zwangsläufig eine Manipulation technischer Abläufe mit sich bringt.“

Absolut richtig, möchte man sagen.

Die Netzneutralität ist in den Richtlinien der EU verankert. Und auch die Bereitsteller von Internet-Pipelines (die Provider) halten diese Definition für sinnvoll. Sie lautet: Es ist uns schnurzpiepegal, was durch unsere Pipelines fließt, wir stellen lediglich die Transportmöglichkeiten zur Verfügung. Was die Nutzer mit den transportierten Inhalten machen, ist ihr Problem. Wir halten uns raus. So sieht es (derzeit noch) die Telekom, und so formulieren es auch Filesharer wie The Pirate Bay oder Blubster.

Sie alle berufen sich auf das Fernmeldegeheimnis, das die Neutralität des Telefonnetzes bzw. die Neutralität der Post garantiert. Schließlich weiß auch die Post nicht, was in einem Päckchen drin ist, und der Telefonleitung kann man nicht ansehen, welche Aussagen durch die Drähte fließen.

Aber kann man das Internet generell mit einer Pipeline – mit einem neutralen Dienstleister wie der Post – vergleichen? Beim E-Mail-Verkehr ist das unstrittig. Da kommuniziert eine Person mit einer anderen, und keine dritte Person soll mitlesen. Hier gilt – wie in allen Fällen von P2P-Netzwerken – das Post- und Fernmeldegeheimnis. Doch in weiten Bereichen des Internet kann (und soll) jeder sehen, was durch die Pipelines fließt – weil die Pipelines gläsern sind. Und sie sind absichtlich gläsern, denn das Netz soll jedem die Möglichkeit eröffnen, mitzulesen, mitzusehen, mitzuhören und mitzureden.

Das Internet ist sozusagen ein Zwitter. Es ist sowohl Pipeline als auch Massenmedium, es ist technische Dienstleistung und Bühne, es ist Postbote und Rundfunksender. Mit Hilfe des Internet schicken wir nicht nur blickdicht verpackte Inhalte-Pakete von A nach B, sondern legen auch durchsichtige Pakete auf eine Plattform und rufen: Völker, schaut auf diese Inhalte! Hier sind nicht mehr Post- oder Fernmeldegeheimnis gefragt, sondern Urheberrecht, Presserecht, Persönlichkeitsrecht. Und die sollen – nach dem Willen vieler Regierungen – auch für jene gelten, die gläserne Pipelines zur Verfügung stellen. Zugespitzt könnte man sagen: Telekom und Google werden zu „Verlegern neuen Typs“.

„Halt!“ schreien jetzt manche. Niemand käme doch auf die Idee, einen Papierhersteller für das verantwortlich zu machen, was andere Leute auf das Papier schreiben. Das Internet ist doch bloß ein Trägermedium. Das ist richtig, aber es ist eben nur die halbe Wahrheit. Denn Papier- oder Druckmaschinenhersteller veröffentlichen und verbreiten keine Inhalte, Telekom und Google aber schon.

Diese „Verleger neuen Typs“ ziehen sich bislang auf die Position zurück, sie seien nur die Postboten, die irgendwelche Datenpakete zustellen – oder neutrale Auskunfteien, die verraten, wo man bestimmte Pakete abholen kann. Sie haben ihre Rolle als Verleger noch gar nicht richtig begriffen.

Möglicherweise haben wir uns (bedingt durch den staatlichen Ursprung der Telekom) etwas zu sehr an das Bild vom neutralen Durchleitungsnetz gewöhnt, obwohl der Zweck des Internets nie nur das Durchleiten, sondern immer auch das „Zur Schau stellen“ von Inhalten ist. Innerlich sperren wir uns gegen den „absurden“ Gedanken, dass die Verleger im Internetzeitalter nicht mehr jene traditionsstolzen Persönlichkeiten mit publizistischem Anspruch sind, die wir aus den Geschichtsbüchern kennen, sondern „seelenlose“ Suchmaschinen und Telekommunikationsunternehmen. Diese Privat-Firmen (!) sind es, die heute den Zugang zur Öffentlichkeit ermöglichen und die Inhalte verbreiten. Sie finanzieren ihr Geschäftsmodell – ganz wie die alten Print-Verlage – über Werbung (Adwords) oder Vertriebserlöse (Zugangsflatrate). Zwar bezeichnen manche Netzpolitiker die Tätigkeit von Google gern als selbstlose Dienstleistung im Interesse der Menschheit, doch in Wahrheit handelt es sich um klassische Inhalte-Verwertung durch ein kommerzielles Unternehmen. Das einzige, was bei dieser Internet-Verwertung bislang fehlt, ist der Vertrag zwischen Urhebern und Verwertern.

Es ist doch kurios, dass wir erst durch die Anspruchshaltung der Burda, Springer & Co gegenüber Google und Telekom erkennen, wie sehr sich die Verhältnisse verändert haben. Denn die traditionellen Verlage, die heute ihren „fairen Anteil“ von den Suchmaschinen und Zugangsprovidern verlangen, geben damit indirekt zu, dass sie ihre Rolle als Verwerter verloren haben und im Internet wie einfache Produzenten oder Urheber auftreten. Ja, sie müssen – wie jeder freie Journalist – darum kämpfen, von den neuen Super-Verlagen „angemessen“ honoriert zu werden. (Und die Regierungen befördern diesen Rollenwechsel noch dadurch, dass sie die Provider für die „durchgeleiteten“ Inhalte verantwortlich machen.)

So gehen die traditionellen Verlegerleistungen

  • Vervielfältigung
  • Vertrieb
  • Rechtliche und publizistische Verantwortung für die verbreiteten Inhalte
  • Vergütung von Produzenten bzw. Urhebern

schrittweise auf die „Verlage neuen Typs“ über. Diese werden global agieren und größer sein als die heutigen Medienunternehmen. Es ist ein Konzentrationsprozess.

Die guten alten Verleger aber werden im Internet zu Inhalte-Anbietern wie du und ich.

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Lesen Sie dazu auch: Wenn die großen Verlage überleben wollen… und Wie lange wird das Netz noch neutral sein?

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