#Datenschutz

Geschäfte mit privaten Daten: Warum sich der “Spiegel” mit der halben Wahrheit begnügt

von , 9.1.11

Datenschutz ist ein spannendes Thema für Journalisten. Da gibt es Böse, Unschuldige, Unwissende und Ratlose. Schöne Geschichten lassen sich anhand solcher Bilder gut erzählen: Das große böse Unternehmen X, der arme kleine Bürger Y, ausgebeutet vom internationalen Großkonzern, um am Ende entblößt dazustehen.

Tatsächlich ist an diesen Geschichten viel Wahres dran. Datenschutz ist und bleibt ein Stiefkind der Unternehmenskulturen. Denn Rechtslage und Durchsetzung, aber auch die grundsätzliche kulturelle Frage des Umgangs mit Informationen, die die eigene Person oder gar Dritte betreffen, sind nicht abschließend gelöst, und es gibt auch niemanden, der in den vergangenen Jahren durchgängig klare und praktikable Konzepte entwickelt hätte (einzig der ideologiegetriebene Post-Privacy-Utopismus, in dem niemand etwas zu verbergen hat, weil die Welt bereit dafür ist, traut sich so lange messianisch hervor, bis es um die Privatsphäre seiner Fürsprecher geht).

Wie bei fast allen Problemen der digitalen Gesellschaft machen erst bestimmte Erscheinungen im Internet diese begreifbar und in den Dimensionen anschaulich. Ob dabei Facebook, Bürgel, Arvato Infoscore, Easycash, das Einwohnermeldeamt, das eingestellte Neuromarketing-Verkaufsverfahren der Hamburger Sparkasse oder Google mehr negative Auswirkungen für den Einzelnen mit sich bringen, lässt sich seriös kaum beantworten.

Einfach und verständlich ausgedrückt: Es gibt Firmen, die verdienen mit Daten Geld. Viel Geld. Zum Beispiel die deutschen Verlage.

Warum äußert sich etwa der Bundesverband der deutschen Zeitungsverleger immer wieder zu Datenschutz-Gesetzesnovellen? Man könnte darüber erstaunt sein. Doch Daten von Kunden für andere nutzbar zu machen, ist für viele Verlage eine Einnahmequelle. “Leserumfragen mit Gewinnspiel” dienen nicht zuletzt der Datengenerierung. Für ihre eigenen Werbeaktionen nutzen manche Verlage auch Daten Dritter.

Wer könnte zum Beispiel ein starkes Interesse an der Abonnentenkartei einer Fernsehzeitschrift haben? Natürlich eine Organisation, die gerne Leute ertappen würde, die angegeben haben, keinen Fernsehapparat zu besitzen. Zufällig sitzt in einem Kölner Vorort ein solcher Interessent. Die Daten kaufen? Das darf die GEZ nicht. Aber das muss sie ja auch nicht.

Verlage sind in der Regel nicht identisch mit ihren Redaktionen. Andererseits sind Redaktionen auch nicht so unabhängig von den Verlagsinteressen, wie Lehrbücher es gerne glauben machen möchten. Dass es für Journalisten viel einfacher ist, einen externen Player wie Facebook oder Google beim kritischen Thema Datenschutz anzugreifen als den eigenen Verlag, liegt auf der Hand. Schon das Schreiben über andere Publikationen, über Journalisten eines anderen oder des eigenen Hauses ist oft mit Debatten verbunden. Wer wollte da glauben, dass Spiegel-Reporter das eigene Unternehmen zur Titelstory machen: “Datenkrake Spiegel Verlag”? ‘Selbstinvestigativer’ Journalismus ist ein eher theoretisches Arbeitsgebiet für Journalisten. Eventuell mal ein schönes Thema für investigative Blogger?

Dass Journalisten sich eher mit anderen Playern beschäftigen, ist am Ende vielleicht sogar wünschenswert. Bei ihren eigenen Verlagen wären sie wohl zu nah am Beobachtungsobjekt.

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Lesen Sie zu diesem Thema auch Richard Gutjahrs Text über die Doppelmoral des “Spiegel”.

Texte auf Carta zum Thema Facebook: 1. Ein Sonderfall; 2. Facebook Places; 3. Ein Zwischenruf

Außerdem: Spiegel Online – die wahre Krake im Netz

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