#Adam Smith

Für eine neue Freiheitsidee

von , 25.6.15

Wenn jeder nur an sich denkt, ist eben nicht automatisch an alle gedacht. Das wird zunehmend deutlich. Der Vater der Theorie der Marktwirtschaft Adam Smith hatte zwar nicht Unrecht mit seiner Idee, dass sich durch Wettbewerb mehr Wohlstand ergeben kann als durch zentrale Planung. Dennoch hat nicht zuletzt die Finanzkrise bewiesen, dass es im Kapitalismus immer noch an Mindeststandards und echten Ausgleichsmechanismen fehlt. In der Not werden viele Menschen immer noch alleine gelassen.

Der Kapitalismus schafft zwar immer noch mehr durchschnittlichen individuellen Wohlstand und Güterversorgung als jedes andere Wirtschaftssystem. Dennoch sieht man, dass der Kapitalismus ohne ausreichende Ordnung durch den Staat, ohne eine förderungsintensive Sozialpolitik und ohne ordentliche Sekundärverteilung zu Privilegierung führt. Empirische Studien bestätigen das – unter vielen sei hier auf eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) verwiesen, die deutlich macht, dass die Ungleichheit im individuellen Arbeitseinkommen zu 40 Prozent mit dem Familienhintergrund erklärt werden muss und beim Bildungserfolg der Erklärungsbeitrag der Herkunft sogar bei über 50 Prozent liegt.

Eine Gesellschaft, in der einige deutlich mehr als andere profitieren und daher Privilegien erwerben, lässt aber nicht nur das Gemeinschaftsgefühl, das Vertrauen untereinander und die Anerkennung von Eigentum erodieren, sondern es erzeugt ein Zusammenleben, welchem es an Fairness und Freiheit mangelt. Steigende Armut einerseits und steigende Privilegien bei der Gesundheitsversorgung, der Pflege und der Bildung andererseits sorgen für große Freiheitsungleichgewichte zwischen den Menschen. Wenn die einen dem Risiko des Kapitalismus nicht mehr ausgesetzt sind und andere umso mehr Sorgen um ihren Bestand trotz harter Arbeit haben müssen, ist etwas in eine Schieflage geraten, die behoben werden muss.

Es gibt keinen Fortschritt mehr im Rahmen des Neoliberalismus; die lebhafte Debatte um Thomas Piketty hat es schon angezeigt. Diese Brüche in der Hegemonie des Neoliberalismus müssen sich die progressiven Akteure kommunikativ zu nutzen machen. Sie sollten daher dem neoliberalen Leitbild ein neues Leitbild entgegensetzen und für dieses die Rolle des Staates akzentuieren.

Eine neue Freiheitsidee wird für das Gelingen einer progressiven Wende notwendig sein. Es gibt keine Freiheit ohne soziale Sicherheit und auch keine Freiheit ohne echte Chancengerechtigkeit.

Eine solche substanzielle Freiheitspolitik impliziert vor allem zwei Dinge:

Sie bedeutet dafür einzutreten, dass gute Löhne für gute Arbeit bezahlt werden. Der Mindestlohn war dazu der erste richtige Schritt. Denn eine ausreichende ökonomische Grundversorgung ist freiheitsrelevant.

Freiheitspolitik zu betreiben, heißt aber auch einen Herkunftsausgleich zu vollziehen, sodass Kinder aus schwierigen Lebensverhältnissen die Förderung bekommen, die es ihnen ermöglicht, zu einem selbstverantwortlichen und aufgeklärten Erwachsenen zu reifen.

Menschen sind zwar frei, jederzeit sich selbst zu entfalten. Mein frei-sein erfüllt sich erst restlos durch substanzielle Voraussetzungen. Meine innere Freiheit ist ohne eine echte äußere Freiheit noch nicht viel wert. Wo ein Wille ist, ist noch nicht immer ein Weg im Kapitalismus des 21. Jahrhunderts. Ein Weg findet stets in einem Gestaltungsrahmen statt, der mehr oder weniger unterstützend sein kann. Und wenn ein Gemeinwesen daran interessiert ist, dass es in ihm eine hohe soziale Durchlässigkeit und individuelle Entfaltung gibt, dann muss der Staat dort Unterstützung bieten, wo viele familiäre und sozialumweltliche Strukturen diese Unterstützung nicht leisten können.

Für diese neue Freiheitspolitik braucht es eine neue Metaerzählung. Denn die Idee des Neoliberalismus ist es, alle Verantwortung auf das Individuum abzuladen und daher auch den Staat zu beschneiden. Der Staat ist aber von fundamentaler Bedeutung für die Freiheit. Denn er kann dort eingreifen, wo der individuelle Gestaltungsrahmen nur sehr wenig unterstützend ist. Einem Gemeinwesen, welchem die Freiheit jedes Einzelnen etwas bedeutet, muss diese Förderungskultur durch den Staat ein zentrales Anliegen sein. Ein vorsorgender Sozialstaat, der intensiv fördert, sollte so das Mittel für diese neue Freiheitspolitik werden.

Für diese Freiheitspolitik sollten sich alle progressiven Akteure in naher Zukunft einsetzen. Selbst Liberale könnten dieser neuen Freiheitspolitik zustimmen. So könnte dieses Leitbild tatsächlich zum neuen gesellschaftlichen Leitbild werden. Das sollte nun das Ziel sein.

 

Dieser Text ist eine Zusammenfassung eines Beitrages in einem Sammelband beim Edition-Sigma-Verlag, der im Juni erscheint: Gute Arbeit und soziale Gerechtigkeit im 21. Jahrhundert. Bausteine einer sozialen Arbeitsgesellschaft: http://www.edition-sigma.de/detailshow.php?ISBN=978-3-8487-2408-6

 

 


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