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Frank-Walter Steinmeier: Der Offline-Kandidat

von , 20.4.09


Es ist schon merkwürdig, dass die SPD für ihre Auftaktveranstaltung zur Bundestagswahl ausgerechnet das Berliner Tempodrom als Ort wählte. Der zeltartige Bau bietet zwar eine hübsche, mittelgroße Arena. Aber das Tempodrom steht vor allem auch für die grandiose Pleite seiner Betreiber. Ermutigt durch viel zu großzügige Staatsbürgschaften legten sie einen Konkurs hin, der die Berliner Steuerzahler schon über 10 Millionen Euro gekostet hat. Das Tempodrom ist eigentlich ein Denkmal gegen Staatsbürgschaftsabenteuer und Klientelismus der Politik.

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SPD ohne Internet: Keine URLs. Kein Wort.

Ausgerechnet hier nun hat die SPD am Sonntag ihr Regierungsprogramm (PDF) vorgestellt. Der Freitag hat das Programm “alles mögliche, nur kein Manifest einer Linkswende” genannt. Das hängt bekanntlich vom Standort ab. Die SPD zeigte sich am Sonntag als Artikel-14-Partei (“Eigentum verpflichtet”), als “Der Staat kann da viel tun”-Partei, als Partei der Transfereinkommensbezieher. Wie man das dann nennt, ist dann eigentlich zweitrangig. Nur “Mitte” ist das wohl nicht mehr. Für die urbane Dienstleistungsmittelschicht scheint sich die SPD nicht mehr sonderlich zu interessieren. Stattdessen laboriert die Partei an ihrem Hartz-IV-Trauma und ihrer Die-Linke-Phobie.

Über den Kandidaten Steinmeier schreibt die Süddeutsche Zeitung: “Respekt genießt er, der Kandidat. Doch die Zweifel bleiben, selbst bei Wohlmeinenden.” Dies mag den Eindruck, der sich als Quersumme beim Publikum eingestellt hat, gut zusammenfassen. Steinmeier befindet sich als Wahlkämpfer noch im Ausbildungsstadium, das zumindest ist am Sonntag deutlich geworden.

Der Wahlkampfauftakt zeigte vor allem aber auch: Der Kandidat Steinmeier ist noch überhaupt nicht im Internet angekommen. Das Internet war am Sonntag nicht Beiwerk seiner Kampagne — es war grandios marginalisiert, es kam gar nicht vor.

Hier ein paar Beobachtungen dazu:

— Im gesamten Raum war keine einzige Internet-Adresse zu sehen. Nicht am Pult des Kandidaten. Nicht im Hintergrund. Nirgends.

— Frank-Walter Steinmeier hat am Samstag zwar pünktlich seine Website frankwaltersteinmeier.de lanciert, darüber aber in seiner Rede kein Wort verloren.

— Das Wort Internet kam beim zweieinhalbstündigen Wahlkampfauftakt der SPD nicht ein einziges Mal vor.

— Seit Samstagabend steht das Regierungsprogramm des Kandidaten online, aber die Mitglieder seines Unterstützer-Netzwerks wurden darüber nicht per E-Mail informiert.

— Die Antrittsrede wurde vom Steinmeier-Team nicht aufgezeichnet und stand am Sonntagabend weder als Video noch als Text online. Da auch die TV-Sender phoenix und n-tv die Rede nicht sofort ins Netz gestellten, ist sie nun erstmals futsch.

Wasserhöfel:

Wahlkampfmanager Wasserhövel: Nicht im Copy&Paste-Verfahren Obamas Tools übernehmen

Im Wahlkampf der SPD ist das Internet noch immer Kellerkind. Diesen Eindruck zumindest musste man am Sonntag bekommen. Die Plattform Wahlkampf09 hatte einen kleinen, leicht zu übersehenden Stand im Foyer. Das musste reichen. An dieser Randstellung ändert auch ein bisschen Mittwittern auf einigen SPD-Accounts wenig.

Internet ist kein Selbstzweck. Aber es könnte der SPD und ihrem Kandidaten dienen, Technologie und Wandel auch positiv zu denken und sich für eine Revitalisierung der partizipativen Demokratie einzusetzen. Der Umgang mit dem Internet ist daher mehr als nur eine Frage nach dem richtigen Medienmix im Wahlkampf.

Es geht um die Inszenierung der eigenen Bereitschaft zu Veränderungen und Lernprozessen. Die nach Obama-Maßstäben mehr als strukturkonservative Haltung gegenüber dem Internet aber könnte schnell auf Partei, Kandidat und letztlich auch auf das politische System zurückfallen. Die SPD steht nicht mehr für Aufbruch — ihre Herangehensweise an das Internet zeigt das nur zu deutlich.

Carta hat mit Kajo Wasserhövel, dem obersten Wahlkampfmanager der SPD, über die Rolle des Internets bei der Auftaktveranstaltung gesprochen:

Was macht der Online-Wahlkampf? Fragen an Kajo Wasserhövel (SPD) from Carta on Vimeo. (Entschuldigung für den verwindeten Ton, daran arbeiten wir noch)

Mehr zu dem Thema auch hier auf Carta:

— Sebastian Lange: Die Macht des Establishments

— Klaus-Peter Schoeppner: „Mach’s wie Gerd, Frank

— Leonard Novy: Die neuen Worte der Macht

— Robin Meyer-Lucht: Köhler, der TV-Präsident

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