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Familiensynode – Was nun, katholische Kirche?

von , 28.10.14

Unter früheren Päpsten seien Bischofssynoden sehr unspektakulär verlaufen, sagen Vatikan-Beobachter. Papst Franziskus hat mit dieser Tradition Schluss gemacht. Er setzte eine Synode zum Brennpunktthema Ehe und Familie an. Er wollte eine weltweite Umfrage, um zu erfahren, wie die katholische Lehre bei den Gläubigen ankommt. Allein das ist für die katholische Kirche revolutionär, denn bisher wurden Lehrinhalte in römischen Behörden oder kleinen Zirkeln formuliert. Dort wünscht man sich wenig Veränderung bezüglich der Inhalte und ebenso wenig andere Strukturen.

Angesichts der beeindruckenden Gesten des seit über einem Jahr amtierenden Kirchenoberhaupts (fährt in einem einfachen Auto, speist am Tisch mit Angestellten, besucht Flüchtlinge auf Lampedusa usw.) war man versucht, auch von der Synode zum Thema Ehe und Familie Sensationen zu erwarten. Schon im Vorfeld sorgte Kardinal Kasper, früherer Tübinger Dogmatik-Professor, für Wirbel. Er hatte theologisch saubere Wege beschrieben, um z.B. wiederverheiratete Geschiedene in die Kirchengemeinschaft zu integrieren – mit ausdrücklicher Zustimmung des Papstes.

Haben Homosexuelle der Kirche etwas zu bieten?

Nach einer Woche Synodenberatung stellte Kardinal Erdö einen ersten Zwischenbericht vor. Darin heißt es: Homosexuelle Menschen haben der christlichen Gemeinschaft Gaben und Qualitäten anzubieten. Es wird gefragt, ob die Gemeinden das akzeptieren und diese sexuelle Orientierung wertschätzen können. In homosexuellen Partnerschaften sehe man Elemente von gegenseitiger Unterstützung und Opferbereitschaft. Mit diesen beiden Sätzen punktet der Zwischenbericht. Rasch folgen jedoch andere Töne: Die Morallehre der katholischen Kirche solle nicht beeinträchtigt werden. Gleichgeschlechtliche Partnerschaften und Ehe könnten nicht gleichgestellt werden. Die römisch-katholische Kirche fühle sich unter Druck gesetzt. Sie wolle auch weiterhin international gegen die rechtliche Gleichstellung von Homo-Partnerschaften mit der Ehe vorgehen. Sie werde gegen Gesetze kämpfen, die der „Gender-Ideologie“ entsprechen. In Bezug auf Regenbogenfamilien betont die Synode, dass das Wohl der Kinder immer an erster Stelle stehen müsse.

Im Schlussdokument des diesjährigen Synodenteils ist von den meisten Unterthemen des Zwischenberichts keine Rede mehr. Auch der fragende Stil hat sich nicht durchgesetzt. Stattdessen dominiert der dogmatische Stil: Homosexuelle Lebensgemeinschaften hätten nicht annähernd mit dem Plan Gottes in Sachen Ehe und Familie zu tun. Gleichwohl müsse man Menschen mit „homosexuellen Tendenzen“ respekt- und taktvoll begegnen. Und schließlich: Die römische Kirche beanspruche, weltweit gegen die rechtliche Gleichstellung homosexueller Partnerschaften mit der Ehe vorzugehen. Das ist nichts Neues, sondern eine Wiederholung der seit vierzig Jahren verkündeten Botschaft. Und genau zu dieser sagen seit ebenso langer Zeit viele Katholiken und Katholikinnen: So geht’s nicht!

Dass bei der römischen Synode auf ausdrücklichen Wunsch des Papstes offen und kontrovers diskutiert wurde, ist ein kirchenpolitischer Erfolg. Wie schon gesagt, das gab es bisher nicht. Und einigen passte es auch nicht. Zwar wurden kluge und diskussionswillige Bischöfe in die Leitung der Synode berufen. Gleichwohl fand sich in der Versammlung keine Mehrheit für Veränderungen. Bereits vor Synodenbeginn hatte sich Kardinal Georg Müller, Präfekt der einflussreichen Glaubenskongregation im Vatikan, weit aus dem Fenster gelehnt, als er in einem Fernsehinterview betonte, weder er noch der Papst könnten die katholische Lehre verändern. Er spricht aus, was einige denken. Andere möchten die römisch-katholische Sexuallehre unangetastet lassen, aber aus Gründen christlicher Barmherzigkeit neue Wege für wiederverheiratete Geschiedene und Homosexuelle finden.

Ist die Kirche reformunfähig?

Vielleicht ist das Ergebnis vom Oktober 2014 einfach nur ein „ehrliches Ergebnis“. Mehr ging nicht, weil da zahlreiche Bischöfe saßen, die sagen „Wir haben große Distanz zu Homosexuellen“ oder „Wir halten daran fest, dass Homosexuelle, die ihre Sexualität leben, Sünder sind“. Ute Eberl, deutsche Synodenteilnehmerin, sagt, viele Bischöfe seien erschrocken gewesen, dass Lebensweisen, die von der katholischen Kirche bisher nicht vorgesehen sind, so gut funktionieren. Offensichtlich ist die Synode aus dieser Schock-Nummer nicht herausgekommen.

Auffallend ist, dass die Formulierungen des Schlussdokuments zu Lesben und Schwulen eine gehörige Zahl von Gegenstimmen erhalten haben. Es ist anzunehmen, dass diese Opposition nicht nur von den Konservativen kommt, sondern auch von denen, die sie nicht ausreichend finden. Kardinal Nichols von Westminster hat sich so geäußert.

Mit einigen Tagen Distanz lässt sich sagen: Viele Erwartungen an diese Familiensynode waren völlig überhöht. Auch wenn mit dem Papst aus Argentinien ein frischer Wind in der Kirche zu spüren ist, das alte Denken – gefördert von den beiden Päpsten Johannes Paul II. und Benedikt XVI. und allen, denen sie eine Karriere in der Kirche ermöglichten – ist weiterhin sehr wirkungsmächtig. Die monarchisch anmutenden Strukturen sind fast alle noch vorhanden. Und Papst Franziskus ist kein Revoluzzer, schon gar nicht in Fragen der Sexualmoral. Kurz vor Ende der Synode äußerte er sich wenig erfreut über die symbolische Registrierung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften durch den Bürgermeister Roms. Zudem ist Franziskus gerade mal eineinhalb Jahre im Amt. Keine lange Zeit im Verhältnis zum langjährigen Reformstau.

Entscheidung gefragt

Bischöfe und Beobachter, die konstruktive Ergebnisse wollen, sind sich darin einig, dass weiterhin an den kritischen Fragen zur kirchlichen Sexualmoral gearbeitet werden muss – weltweit. Ein plötzlicher Sprung nach vorn würde zwar Liberale erfreuen und das Image der katholischen Kirche in entsprechenden Kreisen verbessern. Ganz real droht aber die Gefahr einer Spaltung, das Abdriften eines Teils der Kirche in die sakrale Ecke, in der die so genannte wahre Lehre gepflegt wird; dies wird auch ein Weg ins Abseits sein. Es gibt kein Konzept, mit dem man die Praxis ändern, die Lehre aber unverändert beibehalten könnte. Noch viel weniger gibt es ein schlüssiges Konzept, das sagen würde: Wir als Kirche haben uns da in einigen Punkten geirrt. Wir beenden die Verfolgung und Benachteiligung von Lesben und Schwulen (die eine über Jahrhunderte reichende Tradition hat). Theologische Grundlagen für eine kirchliche Umkehr sind längst vorhanden. Auch wenn sie es nicht gern zugibt: Die Kirche musste sich schon manches Mal zu Irrtümern bekennen. Katholische Lesben und Schwule möchten darauf nicht 350 Jahre lang warten (Galilei wurde 1992, also 350 Jahre nach seinem Prozess, von der Kirche rehabilitiert).

Intensive theologische Arbeit, Bereitschaft der Bischöfe zum echten Dialog, Bereitschaft der katholischen Laienverbände zum echten Dialog mit denen, die in verschiedenen Lebensformen katholisch leben und Dialoge, deren Ergebnisse protokolliert werden, das sind die Hausaufgaben, die vom ersten Teil der Familiensynode mitzunehmen sind. Christliche Lesben und Schwule erwarten zu Recht, dass sie in Gespräche einbezogen werden. Sie stehen nicht als Bittsteller vor der Kirchentür. Und sie fordern ein sofortiges Ende der auch von Kirchen befeuerten Ausgrenzung ihrer Lebensform.

Farbe bekennen, so muss das Motto für die internationale Diskussion ab sofort lauten. Denn in einem Jahr findet der zweite Synodenteil statt. Diejenigen, die im Handeln der katholischen Kirche wirklich etwas verändern wollen, müssen erklären, warum das notwendig ist. Wenn ein Ruck durch die Kirche gehen soll, mit dem sie als Verkünderin der Frohen Botschaft glaubwürdiger wird als bisher, dann muss Schluss sein mit dem Gefasel von homosexuellen Tendenzen. Es geht um Liebe. Die Synode darf keine Blackbox sein. Absprachen und ein Ringen um Mehrheiten sind übliche Vorgehensweisen. Denkbar ist eine katholische Kirche der zwei Geschwindigkeiten, in der die einen schon mal vorangehen, die anderen folgen, wobei die Richtung eindeutig ist. Eines der Prinzipien der neuen Richtung, die offensiv zu erklären wäre, müsste heißen: Glaubensverkünder verzichten darauf, Liebe und Partnerschaft in Paragrafen zu regeln. Auch die Konservativen haben einen solchen Weg mitzugehen. Oder sie müssen gehen.

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