#Altersarmut

Fadenscheinige Rhetorik

von , 6.9.12

Die Debatte über die Zukunft der Rentenpolitik ist, fast ein Jahr nach dem Start von Wiesaussieht, ein Meilenstein, auf den alle Beteiligten stolz sein können. Bis zur  Casting-Crew der  Talkshow von Anne Will hat sich das noch nicht herumgesprochen. Sonst hätten da gestern Abend Hauke, Treidelstein, Topi, Lübberding und ein paar weitere Kollegen diskutiert. So aber bleibt Lübberding noch auf Spätschicht für die Frühkritik.

Das Fazit ist nüchtern. Uns interessiert nicht die politische Karriere der Sozialministerin, auch nicht das vorsichtige Wegducken der Kanzlerin. Interessanter schon eine Zahl, die letzte Woche die Runde machte: Über 120.000 Menschen im Alter von 75 Jahren und älter müssen zu ihrer Minirente dazuverdienen. Eine “Dazuverdienerin” (von derzeit 761.000) putzt in den Bürotürmen der Deutschen Bank. Gestern saß sie im Will-Studio und fragte: “Wo sind meine Beiträge geblieben? Und wäre ich heute nicht besser dran, wenn das Geld auf der Bank Zinsen gebracht hätte?“

Wenn die krummen Lebenswege der prekarisierten Arbeitskräfte dem Ende entgegen taumeln, siehts finster aus. Die Rentenformel (plus naivem Optimismus vor Markteinführung der Pille) ist kaputt, die Rentenpolitik ein Lehrstück für Notlügen. Zugleich ist auch die tragende ideologische Leitidee der “Sozialen Marktwirtschaft” in die Brüche gegangen: die sogenannte Sozialpartnerschaft.

Es gehört zu den höheren Rätseln der allerhöchsten Politik, dass Planbarkeit offenbar nur noch für die engstirnigen eigenen Karrierewege in der ersten und zweiten Reihe beherzigt wird. In der Sozial- wie in der Finanzpolitik ist das politische Versprechen der Verlässlichkeit dahin. Solange die politische Planung die Sozialbudgets als Verschiebebahnhof missbraucht, bleibt diese Kalamität uns erhalten.

Wenn in diesen Tagen die Mühlsteine der Währungskrise und der sozialpolitischen Unwuchten auf einander treffen, öffnet sich ein Fenster für Korrekturen. Ob die taumelnde Regierung und die unschlüssige Opposition diese Chance wahrnehmen? Es sieht nicht danach aus. Nicht, weil den Beteiligten die Einsicht fehlte.

Sie lähmt die nackte Angst, weil die zur Entscheidung stehenden Alternativen – wie heißt das so schön? – nur schwer vermittelbar sind.

Crosspost von Wiesaussieht

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