von Hans F. Bellstedt, 13.12.10
Kanzlerin Angela Merkel muss sich einiges anhören in diesen Tagen: Ihr Denken sei „ein bisschen simpel“, ihre Vorstellungen zur Rettung des Euroraums „uneuropäisch“, meint zumindest Jean-Claude Juncker, Premier des Großherzogtums Luxemburg.
Hintergrund ist der energische Widerstand der Kanzlerin gegen die Einführung sogenannter Euro-Bonds, von denen Juncker und einige Konsorten in anderen, zumeist südlichen EU-Staaten glauben, sie seien dazu geeignet, das Zusammenbrechen des Euro abzuwenden. Auf dem EU-Gipfel Ende dieser Woche in Brüssel wird es aller Voraussicht nach zum Show-down kommen.
Eine Carta-Kolumne ist nicht der Ort, um über den Umgangston zwischen einigen Staats- und Regierungschefs zu richten. Monsieur Juncker wird, so hoffen wir, seine Worte vor Gebrauch gewogen haben. In der Sache aber ist der Kurs dieses – ansonsten überaus sprachbegabten – Alteuropäers nicht mehr nachzuvollziehen:
Warum, in aller Welt, sollen diejenigen EU-Staaten, die ihre Haushalte noch einigermaßen in Ordnung halten, künftig dafür zahlen, dass anderen EU-Mitgliedern dies nicht gelingt? Denn genau darauf würde die Einführung von Euro-Bonds doch hinauslaufen: Die Defizitsünder können sich zu günstigeren Konditionen, als der Markt sie ihnen gewährt, refinanzieren.
Die Rechnung dafür schicken sie einfach nach Berlin. Wenn das die Intention von Juncker und Co. ist, dann haben wir allen Grund, der Kanzlerin den Rücken zu stärken.
Private Gläubiger in Umschuldungen einbeziehen
Und nicht nur bei den Euro-Bonds macht Angela Merkel derzeit vieles richtig. Auch die Forderung, private Gläubiger in die allfällige Umschuldung von Staatsschulden einzubeziehen, ist absolut folgerichtig. Wer einem Anderen Geld leiht (zum Beispiel, indem er Anleihen eines Mitgliedsstaates des Euroraums erwirbt), der läuft nun einmal das Risiko, dass der Schuldner später ins Taumeln gerät und dann nur noch bedingt rückzahlungsfähig ist.
Zugegeben, wir stehen hier vor einem systemischen Problem: In vielen Fällen sind es deutsche und französische Banken und Versicherungen, die diese Schuldtitel in ihren Büchern haben. Aber wo steht geschrieben, dass es Aufgabe des Staates – sprich: des Steuerzahlers – ist, immer wieder in die Bresche zu springen und die Gläubiger herauszuhauen? Diese müssen zumindest an einer Restrukturierung von Schuldenpaketen beteiligt werden. Andernfalls drohen immense Steuererhöhungen oder gleich der Staatsbankrott – bei uns. Merkel hat recht: Das „Schlaraffenland“, in dem der Staat für alle Risiken aufkommt, muss schleunigst geschlossen werden.
Ebenso richtig war es von der Kanzlerin, EU-Defizitsündern mit dem temporären Stimmrechtsentzug zu drohen und einen Sanktionsautomatismus bei Verstößen gegen den Euro-Stabilitätspakt zu fordern. Dass diese harten Forderungen am Strand von Deauville durch Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy weichgespült wurden, verheisst nichts Gutes. Immerhin ist der Herrscher aus dem Elysée jetzt mit im Boot, wenn es darum geht, die Euro-Bonds zu verhindern.
Hart bleiben!
Merkel handelt noch aus einem anderen Grund so, wie sie handelt: Wenn sich in der deutschen Bevölkerung der Eindruck verbreitet, die Bundesregierung gebe die Politik eines „harten Euro“ auf, opfere also unsere Währung und unsere Exportstärke auf dem Altar der europäischen Einigung – dann ist die Gründung einer deutschen „Tea Party“ nur noch eine Frage der Zeit.
Der politische Humus für eine Bürgerbewegung, die den Weg in die Parlamente antritt, ist doch längst da. Und was gestern die Schulreform in Hamburg und heute Stuttgart 21 ist, das ist morgen der Euro. Hans-Olaf Henkel hat mit seinem neuen Buch „Rettet unser Geld“ dafür schon das Skript geschrieben. Wer wirft das Streichholz, das dieses explosive Gemisch zum Flächenbrand werden lässt? Womit wir nochmal bei Jean-Claude Juncker wären:
Auch diesem selbsternannten Mustereuropäer dürfte es kaum gefallen, wenn politische Entscheidungen in Berlin künftig von „Single-Issue“-Fraktionen abhängen, die – aufgepeitscht durch die Boulevard-Medien – den Euro auf die Resterampe schieben. Mit Blick auf den Brüsseler Gipfel diese Woche kann deshalb nur eines gelten: „Kanzlerin, bleibe hart“.